"Der Sturm" begeistert mit Einfachheit und Spaß trotz ernstem Thema

Detmold. Der Vorhang öffnet sich. Die Bühne ist komplett leer. Kein Hintergrund. Keine Aufbauten. Gar nichts. Dann kommt Luftgeist Ariel (Alexandra Riemann), baut ein Mikro auf und einen Looper, mit dem sich Töne in Endlosschleifen wiederholen lassen. Sie macht Geräusche, rauscht den Wind ins Mikro, lässt die Wellen brausen und Möwen kreischen, Blitze zucken und den Donner krachen – das Nichts füllt sich mit tosender Atmosphäre.

Der Auftakt zu Shakespeares &bdquo;Der Sturm", der am Freitag Premiere feierte – er hat mit der ganz leeren Bühne wohl manchen Zuschauer zunächst stocken lassen. Aber die &bdquo;tabula rasa" gab – samt Ariels Erscheinen – nicht nur einen schönen Effekt. Sie ist wohl sinnbildlich zu sehen: &bdquo;Der Sturm" war die erste Inszenierung des neuen Schauspieldirektors Jan Steinbach, viele neue Schauspieler waren zu sehen. Insofern markiert das Stück einen Neuanfang im Landestheater, und der beginnt eben mit einer komplett leer gefegten Bühne, die schließlich mit süffigem Leben gefüllt wird.

Denn so ist &bdquo;Der Sturm" in Steinbachs Inszenierung: ein Shakespeare mit nicht allzuviel Shakesepeare, dafür mit sehr viel Theater, stellenweise überdrehtem Klamauk und durch das Fehlen des Bühnenbildes ganz fokussiert auf die Akteure. Allerdings geht es in manchen lustigen Nebensträngen mit denen mal durch. Da quälen sich Herren in Unterhosen arg lang in ihre Leggins oder wird besoffenes Getorkel reichlich in die Länge gezogen sowie schließlich per Einblendung übersetzt, mit Tennisschlägern wie Jacques Tati in &bdquo;Die Ferien des Monsieur Hulot" herumgefuchtelt oder zu &bdquo;La Isla Bonita" von Madonna getanzt.

Dadurch gerät der recht dramatische Racheplot in den Hintergrund, und alles droht, zur Farce, zum Dschungelcamp auf der einsamen Insel zu werden. Aber da lässt sich sicher noch etwas straffen, damit nicht aus dem Blick gerät, was eigentlich vorne stehen soll: Es geht Regisseur Steinbach ja um Macht, Missbrauch und Manipulation.

Dennoch ist klar: Dieser Shakespeare soll Spaß machen und den moralischen Zeigefinger nicht allzu deutlich schütteln, und spaßige Szenen gibt es in vielen Shakespeare-Dramen sowieso. In Detmold heißt es immer mal wieder &bdquo;Geht klar, Chef" und &bdquo;Nö?" und öfter mal &bdquo;Scheiße" – da mag sich mancher fragen, welche Übersetzung das denn sein soll? Oder noch besser: Ist das wirklich wichtig? Nein, eigentlich nicht, denn locker soll es sein – wenngleich, nochmals, genau das zu ausgedehnt wirkt und das Ernste erdrückt.

Das Ernste ist Folgendes: Der gestürzte Herzog Prospero (Henning Bormann) lebt mit seiner Tochter Miranda (Jorida Sorra) und seinem Sklaven Caliban (André Lassen) im Exil auf einer Insel und entwickelt sich im Lauf der Jahre zu einem Schwarzmagier mit dem unter seinem Bann stehenden Luftgeist Ariel (Alexandra Riemann) an der Seite. Da will es der Zufall, dass seine Feinde Alonso (Jürgen Roth), sein Bruder Sebastian (Patrick Hellenbrand) und Prinz Ferdinand (Anton Becker) auf dem Schiff vorbeikommen. Prospero lässt Ariel einen Sturm entfesseln, und die Mannschaft erleidet Schiffbruch auf der Insel. Der Bösewicht will Rache nehmen und die Edelleute quälen – die ihrerseits überlegen, wie und ob sie Vorteile aus der Situation ziehen könnten, den gestrandeten König erschlagen oder selbst Inselherrscher werden.

Gleichzeitig verlieben sich Prinz Ferdinand und Miranda, und irgendwann flüstert Ariel dem Prospero ein: &bdquo;Jetzt lass es doch gut sein." Was er dann auch tut – die Liebenden sollen heiraten, Prospero sein Herzogtum wiederbekommen. Doch am Ende nutzt die Vergebung nichts. Er bleibt auf der Insel zurück, denn er hat es mit der Rache übertrieben – nur das Publikum kann ihn durch Klatschen erlösen.

&bdquo;Der Sturm" ist ein tolles Ensemblestück und bietet Raum für Schauspiel, das mit Lichteffekten aus der Dunkelheit herausgeschält wird und mit schönen Szenenwechseln glänzt: Auf der Bühne liegt stets ein Haufen voller Schauspieler, die mal von Prospero erweckt werden oder wieder umfallen – je nachdem, wer gerade gebraucht wird.

Henning Bormann spielt den Magier Prospero zwischen Boshaftigkeit, Verzweiflung und liebenden Vater brillant. Alexandra Riemann hat als Ariel viel Spielraum, um als als Trickster in Doppelrollen zu schlüpfen und dämonisch zu zischen, dass selbst ein Gollum aus &bdquo;Herr der Ringe" erblassen würde. Der wilde Ureinwohner Caliban: Ein Fressen für André Lassen. Jorida Sorra und Anton Becker als Miranda und Ferdinand – ein hübsches Liebespärchen, wie es im Buche steht.

Sehen sollte man das. Dieser Shakespeare macht Spaß, ist frisch und modern. Aber man muss sich darauf einlassen. Doch das gilt ja für alles Neue.

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