Lichterfest: Wie Hanukkah zwei Amerikanerinnen in Detmold zusammenbringt

Detmold. Keine Weihachtsmusik ist zu hören, als Megan Marie Hart durch ihre Küche in der Detmolder Innenstadt wirbelt. Es ist Anfang Dezember und hier wird Hanukkah gefeiert. Frischkäse, Kekse und ein Zuckerersatz stehen bereit, es klingelt an der Tür. Draußen steht Joanne Herzberg. Gemeinsam feiern die beiden Frauen das jüdische Lichterfest. "Allerdings low carb, diabetes-freundlich und vegetarisch", sagt Megan Marie Hart und lacht. Ein Blick auf ein Fest, das mit Weihnachten gar nichts, aber doch jede Menge gemein hat.

Hanukkah, das bedeutet wörtlich Einweihung. Das Fest geht zurück auf die Zurückeroberung des Tempels in Jerusalem. Eine Geschichte, die heute noch zusammenschweißt. So wie Megan Marie Hart und Joanne Herzberg. Dass die beiden Freundinnen sind, ist eigentlich dem Zufall geschuldet. "Unsereins findet sich eben immer", sagt Joanne Herzberg. "Unsereins", damit meint sie Juden. In ihrem Englisch liegt ein schwerer amerikanischer Akzent. Kein Wunder, Jo, wie sie sich vorstellt, ist erst vor zwei Jahren nach Lippe gezogen. In die Heimat ihrer Vorfahren, ihrer Eltern. Die 57-Jährige ist in den Staaten aufgewachsen. "Ich bin so amerikanisch wie Apfelkuchen, aber eben auch nicht", sagt sie. Ihre Eltern, die vor den Nazis aus Detmold geflohen sind, erzogen sie eben "typisch deutsch". Abgesehen von der Sprache. Daran hapert es nach wie vor.

Käse zeugt von einer Kriegs-List Auch Megan Marie Hart lebte bis vor vier Jahren in den USA. Die Opernsängerin hat es berufsbedingt in die Region verschlagen. Beide Frauen trafen sich ganz unverhofft beim Shoppen in einem Detmolder Geschäft. "Jo sprach mich an, weil ich so einen komischen Akzent habe", erzählt Megan Marie Hart. Die Frauen entdeckten schnell ihre Gemeinsamkeiten: Beide kommen aus den USA, beide lebten eine Zeit lang in St. Louis und beide sind jüdisch. Vor allem letzteres verbindet sie. "Ich dachte, ich wäre hier die einzige", ruft Megan Marie Hart über den laut ratternden Mixer hinweg. Sie schlägt gerade die Füllung für ihren amerikanischen Käsekuchen auf. Käse habe im Judentum eine besondere Bedeutung. "Das geht zurück auf die Geschichte der Judith. Sie hat einem verfeindeten General Käse und Wein gegeben, ihn mit ihren Reizen betört, so dass er einschlief, und ihm dann den Kopf abgeschnitten", erklärt sie. Daher komme Käse auch in einem weiteren Gericht zu ihrem Hanukkah-Essen vor, in einem Salat mit Äpfeln, Walnüssen und Ziegenkäse. "Bei uns hat alles eine symbolische Bedeutung."

Joanne Herzberg hat sich ins Nebenzimmer zurückgezogen und stellt gerade einen neunarmigen Kerzenständer, Menora genannt, auf den Tisch. Ein Erbstück. Ihre Großmutter gab sie ihrer Mutter auf der Flucht aus Deutschland mit. Einer der Arme steht vor, die anderen sind in Reih und Glied. Es ist der sechste Abend des Lichterfestes Hanukkah. "Deswegen werden sechs Kerzen angezündet", sagt Joanne Herzberg. Insgesamt sind es acht Abende, an denen gefeiert wird. Angezündet werden die Kerzen, die direkt aus den USA kommen, mit dem Schamasch, der neunten Kerze. Die Familie kommt an den Abenden zusammen und feiert mit einem opulenten Mahl.

Wunder lässt Öl brennen Gerade die Feiertage ohne die Familie zu verbringen, ist für die beiden Detmolderinnen ungewohnt. "Aber wir sind füreinander wie Familie", sagt Jo Herzberg. Das Judentum sei nicht nur eine Religion, "Juden sind ein Volk, eine Rasse, ein Stamm." Viel mehr als der Glaube verbinde die gemeinsame Geschichte, das Leid der Vorfahren. Dazu gehöre eben auch die Geschichte von Hanukkah. "Wir erinnern uns an eine Zeit, in der wir Juden alles verloren haben. Ein König wollte vor 2000 Jahren alles verbieten, unsere Religion, die Torah, unsere Tempel wurden entweiht. Die Makkabäer wehrten sich und richteten den zerstörten Tempel wieder auf. Doch das geweihte Öl, das sie mit Licht versorgte, war nur genug für eine Nacht", erklärt Jo Herzberg. Wie durch ein Wunder brannte das Feuer dennoch weiter - für die Dauer von acht Nächten. "Deswegen feiern wir mit Hanukkah das Lichterfest."

Mittlerweile ist auch Megan Marie Hart mit ihren Vorbereitungen fertig und fügt hinzu: "Daher essen wir auch viele ölige, frittierte Speisen an Hanukkah." So wie die Latkes, die den lippischen Kartoffelpuffern gleichen oder Sufganiyah, mit Marmelade gefüllte Krapfen, die die Sängerin auftischt. Zu den wichtigen Hanukkah-Bräuchen gehört auch der Dreidel, ein vierseitiger Kreisel, der besonders von Kindern gedreht wird. Damit erspielen sie sich ihre Geschenke. "Juden sind im Schenken eher bescheiden", erklärt Hart. Süßigkeiten oder Kleidung seien typische Präsente.

Diese Traditionen, die Lieder und Bräuche, das Zusammensein mit den Liebsten sei das, was diese Zeit ausmache. "Ich bin zum Beispiel Atheist, aber sehe mich dennoch als jüdisch", sagt Megan Marie Hart. Auch, wenn sie eigentlich nicht gläubig ist, zelebriert sie die hohen jüdischen Feiertage. Joanne Herzberg stimmt zu: "Das ist etwa so wie bei den Christen ein Oster-Weihnachts-Kirchengänger." In die Synagoge geht sie allerdings zu Hanukkah nicht. Draußen ist es dunkel geworden, während in der Wohnung Ruhe einkehrt. Jo Herzberg greift zum Schamas und beginnt, die Kerzen ihrer Menora anzuzünden. Es ist das erste Mal, dass sie dem Erbstück hier in Deutschland Leben einhaucht.

Schließlich setzen sich beide ans Klavier und singen ein traditionelles Hanukkah-Lied auf Hebräisch. Diese Besinnlichkeit, das Essen, die Musik, die Herzlichkeit erinnern an jene Bräuche, die auch Christen zur Weihnachtszeit feiern. Auch wenn man die beiden Feste nicht miteinander vergleichen kann, meint Joanne Herzberg, sei doch die Stimmung eine ähnliche. Aber: "Weihnachten ist niemals so lustig wie Hanukkah."

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