Kalletal-Hohenhausen. Hundewelpe „Capone" hat unruhige 20 Stunden hinter sich: Offenbar aus falsch verstandener Tierliebe war der elf Wochen alte Herdenschutzhund aus dem Gehege von Henry Frenzel an der B 238 in Hohenhausen „entführt" worden.
Tierfreund Frenzel hält auf dem großen Grundstück viel Geflügel. Zu den Enten, Gänsen, Hühnern, Puten und Pfauen gesellen sich außerdem ein paar Ziegen, die auf der großen Anlage mit Baumbestand, Wiesen und Unterstellhütten friedlich zusammenleben. Weil sich schon häufiger Füchse, Waschbären oder Greifvögel bedienten, hatte Frenzel zum Schutz der gemischten Herde vor kurzem Herdenschutzhund „Capone" angeschafft.
Der Maremmano-Abruzzese-Welpe wächst mit seiner Herde auf und verteidigt sie gegen Angreifer. „Auch wenn ,Capone noch nicht ausgewachsen ist, habe ich seit seinem Einzug keinen Verlust in meiner Herde gehabt", berichtet Frenzel. Doch als der erfahrene Tierhalter am frühen Freitagabend an seiner Weide ankam, die er mehrmals täglich besucht, traute er seinen Augen kaum: Welpe „Capone", der noch an einen flauschigen Eisbären erinnert, war – und blieb – verschwunden.
Nachbarn hatten Verdächtiges beobachtet: Eine Frau hatte sich entrüstet nach dem Hund erkundigt, der trotz seines jungen Alters ihrer Meinung nach ganz alleine auf der Wiese saß – und vermutete offenbar einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Wenig später war das Tier verschwunden. Dank der Hinweise der Nachbarn konnte Frenzel aber Rückschlüsse auf die vermeintliche Tierschützerin ziehen – eine ihm bekannte Frau.
Anonymer Anrufer kündigt Übergabe an
Er habe sofort die Polizei informiert, berichtet Wenzel. Die sprach am nächsten Morgen mit der Verdächtigen. Die Beamten hätten ihr dringend geraten, den Hund umgehend zurückzugeben, wie es von der Polizei auf LZ-Anfrage hieß. Die Polizei warnt Tierschützer dringend davor, Tiere mitzunehmen, die vermeintlich unterversorgt sind. Dies falle unter den Straftatbestand des Diebstahls. Korrekt sei es, sich bei Verdachtsfällen an das Kreis-Veterinäramt zu wenden oder direkt die Polizei zu informieren.
Bis zum Samstagmittag blieb „Capone" verschwunden, und eine Suchanzeige von Frenzel flutete die sozialen Netzwerke. „Ich war wirklich in Sorge", berichtet dieser. Dann habe er einen anonymen Anruf bekommen, der eine Übergabe des Welpen für Samstag um 13.30 Uhr auf dem Hundeplatz in Echternhagen ankündigte. „Die Übergabe lief recht unemotional", berichtet Frenzel vom Ausgang des „Hunde-Krimis". Er sei froh, seinen Hund unverletzt zurück zu haben. Trotzdem will Frenzel Anzeige erstatten. „Es kann nicht sein, dass Menschen einen Welpen aus seiner gewohnten Umgebung reißen und stehlen."
„Capone" erholt sich jetzt erst mal von dem Intermezzo und kuschelt sich zwischen den Ziegen ein, während das Pfauenküken ihm Ameisen aus dem Fell pickt. Als ausgewachsener Hund wird er bis zu 70 Zentimeter groß und mehr als 40 Kilo schwer sein. Mitarbeiter des Veterinäramts, das bei dem vermeintlichen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz aktiv wurde, haben sich die Situation bei Henry Frenzel am Montagmorgen angeschaut. Das Amt habe ihm dazu geraten, ein Schild aufzustellen, das über die besondere Haltung der Herdenschutzhunde informiert.
"Die Tiere denken und entscheiden frei"
Ein niedlicher Hundewelpe, allein in einem großen Gehege mit Hühnern, Enten und Ziegen? Daraus sollten keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden, meinen Fachleute. Denn schon nach acht Wochen zieht die spezielle Hunderasse, zu der „Capone" aus Kalletal gehört, ins Freie zu ihrer Herde. Das sagt Elke Lux.
Die 33-Jährige aus Wulkenzin in Neubrandenburg ist Züchterin von Herdenschutzhunden. Auch „Capone" stammt aus ihrer Zucht. Die Tiere sind freilebende, auf verschiedene Nutztiere geprägte Hunde. Die Welpen werden nach der achten Lebenswoche in die Nutztierherde abgegeben, die sie später bewachen. Voraus geht nach Lux Angaben eine Untersuchung durch den Tierarzt und den Zuchtwart.
Die Tiere sollen die Herde beschützen – gegen Raubtiere. Im Gegensatz dazu ist es die Aufgabe von Hütehunden, Herden zusammenzuhalten. In den ersten acht Wochen würden die Welpen von Herdenschutzhunden im Stall, inmitten der Herde, von ihren Eltern und Geschwistern geprägt, sagt Lux. „Danach muss er in ,seine Herde umziehen, um die Wachsamkeit zu entwickeln, die sich nur im engen Umgang mit den Nutztieren ergibt."
Der Hund sei dann seinem Menschen treu und lasse Fremde nur zusammen mit dem Hundehalter zur Herde. Grundsätzlich ist es nach Lux Angaben wichtig, dass die Tiere wachsam und zuverlässig sind, um die eigene Herde – etwa Schafe oder andere Nutztiere – mit Bellen zu verteidigen.
„Die Herdenschutzhunde müssen sich in ihrer Herde friedlich verhalten, dürfen nicht nach den Tieren schnappen", sagt Lux. Sie hätten einen niedrigen Jagd-, aber einen hohen Spieltrieb. Von normalen Haushunderassen unterscheide sie, dass sie „selbst denkende und entscheidende" Tiere seien. „Während sich Haushunderassen inmitten der Familie am wohlsten fühlen, ist für den Herdenschutzhund die Herde der Bezugs- und Lebensmittelpunkt."