Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Ralf Freitag leitet Medien-Bereiche der Lippischen Landes-Zeitung

Von Silke Buhrmester

Ralf Freitag leitet alle Medien-Bereiche - © LZ
Ralf Freitag leitet alle Medien-Bereiche (© LZ)

Detmold. Mit Beginn des neuen Jahres hat sich im Medien Centrum Giesdorf eine gravierende Änderung vollzogen: Ralf Freitag (49) verantwortet seit dem 1. Januar alle bei der LZ produzierten Inhalte.

Der gebürtige Gütersloher war viele Jahre lang Chefredakteur des Delmenhorster Kreisblattes. Im Interview erläutert er, wie sich die Zeitung aus seiner Sicht entwickeln muss, um zukunftsfähig zu sein. 

Herr Freitag, warum haben Sie sich für einen Wechsel von Delmenhorst nach Lippe entschieden?

Ralf Freitag: Die Arbeit in Delmenhorst war spannend und herausfordernd. Dort galt es, eine kleine, familiengeführte Zeitung im Wettbewerb mit großen Regionalzeitungen zu behaupten. Das hat im Verlag, vor allem aber in der Redaktion, große Innovationsschübe freigesetzt. Einiges davon, wie etwa die eigene überregionale Berichterstattung und das konsequente Verweben überregionaler Themen mit ihren Konsequenzen vor Ort, ist in der Branche ja auch stark diskutiert worden. Heute gilt dieser Weg als ein möglicher Erfolgsbaustein für die Zukunft der Zeitung. Und wenn man sich fachlich einen gewissen Namen macht, dann fragt man sich mit 49 Jahren auch, was man mit dem erworbenen Know-How anfangen kann. In dieser Phase kam der Kontakt zwischen der Geschäftsleitung des Medien Centrums Giesdorf und mir zustande. Ich empfinde es als Ehre und Herausforderung, dem Verlag in der Heimat meiner Eltern und Großeltern auf dem Weg hin zu einem modernen Medienhaus zu helfen.

Seit dem 1. Januar 2014 verantwortlich für die Inhalte, die aus dem Medien Centrum Giesdorf kommen: Ralf Freitag (49). - © Fotos: Preuss
Seit dem 1. Januar 2014 verantwortlich für die Inhalte, die aus dem Medien Centrum Giesdorf kommen: Ralf Freitag (49). (© Fotos: Preuss)

Und warum ausgerechnet Lippe?

Freitag: Für mich ist das nach einem journalistischen Lebensweg, der mich über Bielefeld, Heilgenstadt, Meiningen, Strausberg, Frankfurt/Oder und Delmenhorst geführt hat, auch wieder ein Stück zurück zu meinen eigenen familiären Wurzeln. Genau genommen bin ich ja waschechter Lipper, das Lied der lippischen Schützen kennen selbst meine Kinder. Und die Entscheidung hat auch etwas mit dem Medien Centrum Giesdorf zu tun. Wir haben hier alle Möglichkeiten und Optionen, für unsere Kunden und Leser ein modernes Medienhaus zu werden. Das fängt schon damit an, dass sich dieser Verlag dazu entschieden hat, sich den Herausforderungen des Medienwandels zu stellen. Das machen längst nicht alle Verlage.

Lippe ist Ihnen nicht unbekannt, was verbinden Sie mit dem Kreis, in dem Ihre Eltern geboren sind?

Freitag: Zunächst einmal ganz persönliche Erinnerungen: die langen Wanderungen mit meinen Eltern durch die Senne, am Donoper Teich, natürlich am Hermann und auf dem Bielstein. Und Pivitsheide. Beide Ortsteile sind viele Jahre die Heimat meiner Eltern gewesen. Mein Vater wohnt seit längerem ja auch wieder mit seiner zweiten Frau im westlippischen Leopoldshöhe. Dann verbinde ich mit Lippe noch Menschen, die für Außenstehende möglicherweise etwas unnahbar erscheinen, mit denen man aber schnell warm wird und die einem dann auch ehrlich gegenübertreten.

Die digitalen Medien haben sich ja rasant entwickelt. Wird es in zehn Jahren noch die gedruckte Zeitung geben?

Freitag: Ja, es wird noch gedruckte Zeitungen geben. In zehn Jahren und in 20 Jahren auch noch. Aber es wird längst nicht mehr so viele Zeitungen wie heute geben. Und die Blätter, die es dann noch gibt, die werden und müssen inhaltlich ganz anders aufgestellt sein, als heute.

Sehen Sie die Online-Medien eher als Fluch oder als Segen?

Freitag: Sie sind beides. Zunächst einmal sind sie aber eine logische Konsequenz der rasanten technologischen Entwicklung. Und ihre Nutzung spiegelt den ebenso schnellen wie tiefgreifenden Wandel unserer Gesellschaft wider. Ihr Fluch entsteht durch Missbrauch, wenn Sie so wollen. Das dem Internet innewohnende Informations-Trommelfeuer überfordert bei einer Dauernutzung unser menschliches Gehirn. Nicht umsonst warnen Verhaltensforscher und Psychologen vor der Art, wie unsere Kinder Tablet-PCs und Handys nutzen. Manchmal hat man ja das Gefühl, man muss die Geräte in der Klinik amputieren lassen, bevor man mit jungen Menschen ein normales Gespräch starten kann. Aber das ist nicht die Schuld der Jugendlichen oder der Online-Medien. Auch nicht der Inhalte an sich. Ich sehe es eher so, dass wir alle die nachteiligen Wirkungen unterschätzt haben und es daher lange versäumten, uns mit einem sinnvollen Nutzungsverhalten zu beschäftigen.

Und welche Vorteile bringt uns das Internet?

Freitag: Der Segen der Online-Medien liegt in der faszinierenden Schnelligkeit, mit der heute Informationen und Wissen übermittelt werden. Das Sommer-Hochwasser in diesem Jahr war für viele Zeitungen diesbezüglich eine Sternstunde. An der Elbe wurden über ihre Internet-Seiten Hilfs- und Rettungsaktionen koordiniert. Die sozialen Netzwerke bringen darüber hinaus Menschen zusammen, die sich sonst nie kennengelernt hätten, und können den gesellschaftlichen Dialog befeuern.

In welche Richtung müssen sich Lokalzeitungen wie die LZ entwickeln, um zukunftsfähig zu sein?

Freitag: Das wichtigste ist, dass sich Lokalzeitungen noch viel deutlicher als bisher zielgruppen- und verständnisorientiert ausrichten. Unsere Lokaljournalisten kommen doch alle von hier oder wohnen hier zumindest. Das heißt, sie wissen, wo den Menschen der Schuh tatsächlich drückt. Diese Themen müssen wir noch viel häufiger aufgreifen und so verarbeiten, dass daraus auch wieder hoher Nutzen für unsere Leser entsteht. Ein weiterer wichtiger inhaltlicher Erfolgsfaktor ist die Dialog-Orientierung. Gerade Lokalzeitungen müssen sich noch viel stärker als sie es heute tun, ihrer Verantwortung als Medium im klassischen Sinne stellen: Den Dialog widerstreitender Interessen fördern und eigenständig in Szene setzen.

Wenn wir es als Zeitung nicht schaffen, die auftretenden Verwerfungen in unserer Gesellschaft zu benennen und mit unseren Lesern genau darüber zu diskutieren, dann bekommen wir ein großes Akzeptanzproblem. Dazu gehört aber auch, dass wir mehr von unseren Lesern erfahren. Denn ihre Interessen und Werte müssen auch die unseren sein. Die Zeiten, in denen wir Journalisten die Deutungshoheit über Themen und Ereignisse hatten und quasi von der Kanzel unserem Leservolk verkündet haben, was falsch und was richtig ist, sind wirklich vorbei.

Was hat das für Konsequenzen für die Berichterstattung?

Freitag: Wir müssen in der Zeitung endlich konsequent weg vom Nachrichtenjournalismus. Heute twittern Politiker aus Ratssitzungen, Interessenvertreter bloggen, Vereine haben ihr eigenes Internet-Portal. Wir können auf Dauer nicht ein Ereignis einen Tag später in der Zeitung vermelden, wenn es schon im Internet veröffentlicht und in den Sozialen Netzen diskutiert wurde. Was wir aber tun können und müssen ist, die Geschichte hinter diesen Nachrichten und Debatten zu erzählen. Und auf der anderen Seite brauchen Lokalzeitungen gut gemachte eigene Online-Portale, auf denen der gesellschaftliche Diskurs ohne große Hürden stattfinden kann, und auf denen eben jene schnelle Nachricht verbreitet wird, für die die Zeitung nun nicht mehr das richtige Medium ist.

Würden Sie sich unter all den widrigen Umständen aus heutiger Sicht noch einmal dafür entscheiden, Journalist zu werden?

Freitag: Mittlerweile wieder, ja. Es gab in der jüngeren Vergangenheit eine längere Phase, da habe ich zugegebenermaßen an unserer Branche gezweifelt. Sie fand einfach keine inhaltlichen Antworten auf die eigenen Herausforderungen und viele Kollegen diskutierten sich selbst ins Grab. Das Erstarren vor dem Medien-Wandel wie das Kaninchen vor der Schlange hat viele Zeitungen von ihren Lesern entfremdet. Seit etwa einem Jahr aber wird sehr engagiert und mit zunehmender Substanz über die Zukunft der Zeitung debattiert. Natürlich muss jeder Verlag seinen eigenen Weg finden. Aber für engagierte Journalisten ist es nach wie vor ein faszinierender Beruf, wenn die Verlage und Redaktionen ihre Hausaufgaben richtig machen. 

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