Kreis Lippe. Die Zahl der Wohnungseinbrüche im Kreis Lippe hat 2015 einen Rekord von 511 Fällen erreicht. Gegenüber dem Vorjahr (361 Fälle) ist das ein Anstieg um mehr als 41 Prozent. Aufgeklärt werden etwa 18 Prozent der Fälle, im Landesdurchschnitt liegt der Wert teilweise deutlich darunter.
Doch nicht nur die Einbruchszahlen, sondern auch die Gesamtzahl der Straftaten stieg auf mehr als 15.000 Fälle in 2015 (14.294 in 2014) – eine Steigerung um 5,1 Prozent. Dagegen stagniert die die Aufklärungsquote bei 57,5 Prozent, gehört aber immer noch zu den höchsten in ganz NRW. „Trotz der gestiegenen Zahlen gehört der Kreis Lippe zu den sichersten Regionen in ganz NRW", betont Landrat Dr. Axel Lehmann. An dem Erfolg arbeiten viele mit – auch die Bevölkerung, denn ohne ihre Hinweise können wir keine Straftaten aufklären, sagt Dr. Lehmann. Doch trotz des Spitzenplatzes in Sachen „sichere Region" sind die gestiegenen Einbruchszahlen ein großes Ärgernis.
„Für die Kreispolizei hat der Kampf gegen Einbrecher in diesem Jahr höchste Priorität", beteuert Polizeidirektor Bernd Stienkemeier. Ein neuer „Einbruchsradar" werde für mehr Transparenz und Sensibilität sorgen: Ab Mitte April sollen alle 47 NRW-Polizeibehörden auf ihren Internetseiten Karten veröffentlichen, die alle Wohnungseinbrüche und Einbruchsversuche aus der Vorwoche verzeichnen. So könne sich jeder Bürger ein Bild über Einbrüche in der eigenen Umgebung machen. Durch diese neue Möglichkeiten erhoffe sich die Kreispolizeibehörde „noch mehr Sensibilität, und dass die Menschen ihre vier Wände besser schützen", fügt Heinz Reuber, Kommissarischer Leiter der Direktion Kriminalität hinzu.
Bereits jetzt komme es in 46 Prozent der Einbruchsfälle wegen Sicherungen und wachsamer Nachbarn nicht zur Tatvollendung. Gleichgültig, ob vollendete oder versuchte Wohnungseinbrüche, „die Taten können eine große Verunsicherung" bei den Opfern auslösen, sagt Hugo Prante, Leiter des Weißen Ringes in Lippe. Die Betroffenen würden sich im eigenen Heim nicht mehr wohlfühlen. Die einen erlangten das Sicherheitsgefühl später zurück, die anderen nicht. Gerade Ältere würden sich als leichtere Opfer ausgeliefert fühlen. Aber auch Jüngere hätte „erhebliche Probleme". Der Weiße Ring kümmere sich um die Opfer solcher Diebstähle. Erst vor einigen Tagen habe sich ein Geschädigter an den Verein gewandt. „Wir helfen bei der Wiederbeschaffung von Ausweisen, bei der Vermittlung von psychologischer Betreuung und in besonders schweren Ausnahmefällen auch mit Geld", betont Hugo Prante.
Eklatant ist neben der Zunahme bei Wohnungseinbrüchen auch die der Diebstahlsdelikte (eine Steigerung um 439 auf 6.302). Auch bei Taschendiebstählen gab es einen Anstieg um 12 Prozent auf nun 173. Von den ermittelten Tatverdächtigen kamen viele aus dem osteuropäischen Raum. Auch der Anteil der Straftaten, die durch Asylbewerber begangen wurden, vor allem Ladendiebstähle und Körperverletzungsdelikte in den Einrichtungen, stieg auf 686. Im Jahr 2014 waren unter den Tatverdächtigen 213 Asylbewerber.
Mit diesen Werten arbeitet die Polizei
Die Kriminalitätsgefährdung wird gemessen durch die Kriminalitäts-Häufigkeits-Zahl (KHZ). Dafür wird die Anzahl der angezeigten Delikte in einer bestimmten Region zu der Einwohnerzahl in Beziehung gesetzt und auf 100.000 Einwohner hochgerechnet. So können Gemeinden,
Städte und Bundesländer hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades verglichen werden.
Für NRW liegt die Kennziffer bei 8.543 Taten pro 100.000 Einwohner. In Lippe ergibt die Rechnung hingegen 4.354 Taten pro Hunderttausend Einwohner.
So sieht es in den lippischen Kommunen aus
- Detmold (6.138 Fälle pro Hunderttausend Einwohner)
- Bad Salzuflen (5.335)
- Horn-Bad Meinberg (4.749)
- Lage (4.372)
- Lemgo (4.225)
- Barntrup (3.928)
- Augustdorf (3.555)
- Lügde (3.450)
- Dörentrup (3.022)
- Blomberg (3.001)
- Oerlinghausen (2.949)
- Schlangen (2.706)
- Extertal (2.595)
- Leopoldshöhe (2.473)
- Kalletal (2.399)
- Schieder-Schwalenberg (2.244)
Kommentar: Schritt halten mit Einbrechern
von Erol Kamisli
Die Entwicklung der Wohnungseinbruchszahlen im Kreis Lippe ist dramatisch. Ein Anstieg um mehr als 41 Prozent innerhalb eines Jahres lässt nicht mehr viel Interpretationsspielraum. Die Polizei wirkt im Kampf gegen mobile internationale Banden immer ohnmächtiger.
Die Städte im Kreisgebiet werden immer häufiger zum Ziel reisender Täter. Auch wenn die Landesregierung Kampagnen zur Haussicherung („Riegel vor") aufgelegt und das Landeskriminalamt in Stellung gebracht hat, wird man das Gefühl nicht los, dass die Ermittlungsarbeit längst nicht mehr Schritt halten kann.
Gewiss gibt es Gründe jenseits der Landespolitik für diese fatale Entwicklung: das Wohlstandsgefälle in Europa etwa, die offenen Grenzen, eine zunehmende Professionalisierung der Kriminellen, die nicht nur aus osteuropäischen Ländern stammen, sondern auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden einreisen, um ihre Straftaten zu begehen. Die Opfer tröstet das nicht. Wohnungseinbrüche sind nicht irgendeine Deliktsgruppe.
Die Erfahrung von Schutzlosigkeit in der Privatsphäre schürt Kriminalitätsangst. Für die Polizei in Lippe und ganz NRW habe der Kampf gegen Einbrecher „höchste Priorität", erklärte Polizeidirektor Bernd Stienkemeier gestern. Hoffentlich spiegelt sich das dann auch in der Kriminalitätsstatistik wider.