Kreis Lippe. Es war am 22. Dezember, und es gab neun Mark. Denn man schrieb das Jahr 1983. Damals gab es noch eine Sparkasse und eine Volksbank in unserem 1.300-Seelen-Ort – und es gab Zinsen für das Taschengeld-Sparbuch. Schon lange gibt es keine Sparkasse und Volksbank mehr im Dorfe – und Zinsen gibts auch nicht mehr.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen auf 0,0 Prozent gesenkt. Das heißt, Banken können sich bei der EZB Geld leihen, ohne dafür Zinsen zu zahlen. Das bedeutet, dass auch die Kreditnehmer von Banken wenig Zinsen zahlen müssen. Aber es gibt auf der anderen Seite auch keine Zinsen für Guthaben. 0,05 Prozent wären es beim Online-Sparbuch eines lippischen Geldinstituts. Also müsste ich 9.000 Euro auf dem Konto haben, um 4,50 Euro Zinsen zu bekommen, wie weiland 1983, als noch in Mark gerechnet wurde.
Diese Niedrigzinsphase – man könnte auch Nullzinsphase sagen – bringt die Banken unter Druck, weil die Margen bei steigenden Kosten schmaler werden. Kostendruck haben sowohl die Sparkasse Paderborn-Detmold als auch die Sparkasse Lemgo neben verändertem Kundenverhalten als einen der Gründe für die Filialschließungen in ihren Geschäftsgebieten mit angeführt. Die Niedrigzinspolitik der EZB, die letztlich das Investitions- und Konsumklima in Europa verbessern soll, wird von der Sparkasse Paderborn-Detmold dabei explizit genannt.
Doch über diese Auswirkungen hinaus führt die EZB-Politik auch zu anderen fatalen Folgen, meinen die hiesigen Banker. „Die aktuellen Zinsbedingungen fördern ein ganz bestimmtes Anlegerverhalten: Sparen lohnt sich nicht, kreditfinanzierter Konsum scheint günstig", sagt Hans Laven, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Paderborn-Detmold.
Das führe zum einen zu Ausfällen bei den Vermögensbildungsprozessen bis hin zu individuellen Konsequenzen, dass zum Beispiel unter Umständen der Beginn des Ruhestands nach hinten verschoben werden müsse, schlussfolgert er daraus.
Konjunktur in Europa hinter Erwartungen
Im Raum „Arminius" im dritten Stock der Detmolder Volksbank-Zentrale an der Bismarckstraße legt Günter Vogt die Stirn bei dem Wort Zinsen in Falten. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold ist sich sicher: Die von der EZB erhofften Markteffekte ergäben sich nicht. Die Konjunktur in Europa bleibt hinter den Erwartungen zurück, in Deutschland zeigen sich die Firmen laut „Handelsblatt" auch nicht sehr interessiert am billigen Geld. Vogts Paradebeispiel dafür ist Japan: „Auch da funktioniert es seit Jahren nicht, mit Niedrigzinsen die Konjunktur anzukurbeln."
Stattdessen, so befürchtet Vogt, leidet die Bedeutung der Nachhaltigkeit beim Sparen. Der alte Satz „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" verliere an Wert und das berge Gefahren.
Einen überbordenden kreditfinanzierten Konsum sieht Hans Laven in Deutschland noch nicht, allerdings müsse darauf geachtet werden, dass nicht zu hohe Immobilienkredite vergeben würden, die in Zeiten wieder steigender Zinsen zu einem Anstieg der Hypothekenkreditausfälle führten, sagt Hans Laven. Der außerdem langfristig noch anderes befürchtet: „Es wird in den kommenden Jahrzehnten aber auch gesellschaftliche Konsequenzen mit sozialer Instabilität und verstärkten Verteilungskämpfen geben."
Und die Kreditwirtschaft gerät unter Druck. „Eine funktionierende Kreditwirtschaft ist aber auch ein Wert an sich", insbesondere die mittelständischen Volksbanken und Sparkassen sorgten dafür, dass Deutschland einen gut funktionierenden Kreditmarkt habe. Das könne in Gefahr geraten, meint Banker Günter Vogt.
Hans Laven von der Sparkasse Paderborn-Detmold sieht deshalb jetzt die nationalen Regierungen gefordert. Sie müssten Reformen ankurbeln, um höheres Wachstum zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Das hat auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD schon getan.