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Wertvoller Lebensraum: Diese Frau wirbt für mehr Streuobstwiesen in Lippe

Vanessa Kowarsch will zeigen, wie wertvoll der Lebensraum für Tiere, Menschen und Pflanzen ist

Marianne Schwarzer

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Will Lippern die Streuobstwiese schmackhaft machen: Vanessa Kowarsch plant grüne Klassenzimmer und Pflegeschnitt-Aktionen. Rückendeckung bekommt sie von Hans-Eckart Buschmeier, Jürgen Georgi, Sylvia Ostmann, Matthias Füller, Landrat Dr. Axel Lehmann, Markus Wehrmann, Bernd Milde und Thomas Jeckel (von links). - © Marianne Schwarzer
Will Lippern die Streuobstwiese schmackhaft machen: Vanessa Kowarsch plant grüne Klassenzimmer und Pflegeschnitt-Aktionen. Rückendeckung bekommt sie von Hans-Eckart Buschmeier, Jürgen Georgi, Sylvia Ostmann, Matthias Füller, Landrat Dr. Axel Lehmann, Markus Wehrmann, Bernd Milde und Thomas Jeckel (von links). (© Marianne Schwarzer)

Kreis Lippe. Was hier wächst, hat nichts mit den hoch gezüchteten Früchten zu tun, die im Supermarkt angeboten werden. Auf Lippes Streuobstwiesen finden sich nicht nur allerlei seltene Apfelsorten, sondern insgesamt eine große biologische Vielfalt. Diese Kleinode will Obstbaumwartin Vanessa Kowarsch in einem groß angelegten zweijährigen Projekt ins Rampenlicht holen – und die Lipper hinein ins Grüne.

Die gelernte Pädagogin und Mediengestalterin kennt sich mit Streuobstwiesen aus. „Das ist ein so reicher Lebensraum", schwärmt sie. In Niedersachsen und anderen Bundesländern erleben die Wiesen mit den historischen Fruchtsorten mittlerweile eine Renaissance, und das soll nun auch in Lippe geschehen. „Oft sind die Streuobstwiesen in einem ziemlich schlechten Zustand, und nach und nach verschwinden die alten Sorten. Dagegen muss man doch was machen."

„Was", das ist in diesem Fall das Projekt „Lebendige Landschaft Streuobstwiese", das die engagierte Fachfrau konzipiert hat. Mit ihrem Enthusiasmus und ihrer Idee fand sie an mehreren Orten offene Ohren: Landrat Dr. Axel Lehmann war von dem Projekt ebenso begeistert wie Hans-Eckart Buschmeier, Jürgen Georgi vom Lemgoer BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und Bernd Milde von der Umweltbildungsstätte Rolfscher Hof des Naturschutzbundes in Berlebeck, Matthias Füller von der Biologischen Station Lippe, Sylvia Ostmann von der Umweltstiftung Lippe, Thomas Jeckel vom Netzwerk Lippe sowie Markus Wehrmann vom Jobcenter. Denn mit ihrer pfiffigen Idee hat sie gleich die Vorlage für ihren eigenen Job geliefert.

„Erleben – erhalten – Zukunft gestalten" – so lautet der Untertitel der Lebendigen Landschaft Streuobstwiese, und genau das ist das Ziel: Über zwei Jahre will Vanessa Kowarsch die Lipper für die Streuobstwiese begeistern – und sie an die Arbeit kriegen. Sie sprudelt über vor Ideen: „Ich will die Streuobstwiese in Kooperation mit Grundschulen zum grünen Klassenzimmer machen", berichtet sie. Doch geht es nicht nur darum, ein paar Äpfel zu probieren: „Wir hoffen, dass die Menschen Lust bekommen, sich auch bei der Pflege zu engagieren."

Denn daran krankt es derzeit: „Wenn Obstbäume nicht beschnitten werden, dann brechen sie auf Dauer auseinander." Was bitter sei: „Das alte Wissen um die Pflege geht verloren, und damit am Ende auch die alten Sorten." Hier soll das Projekt Abhilfe schaffen: Obstbaumschnittkurse, ornithologische Wanderungen, Bau von Nisthilfen, Bienen und Imkerei gehören ebenso zu den Themen und Aktionen wie Picknicks und Erlebnisspaziergänge.

57.000 Euro stellen das Netzwerk Lippe, der Naturschutzbund und die Umweltstiftung für das zweijährige Projekt zur Verfügung. „Das Tolle ist, dass wir hier mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen können", lobt Landrat Dr. Axel Lehmann. „Neben der Förderung der Biodiversität können wir nachhaltig viele Wiesen vor der Verwahrlosung retten und haben nebenbei auch noch einen kleinen beschäftigungspolitischen Effekt." Weil es darum gehe, auch weitere Akteure bis hin zu den lippischen Vereinen ins Boot zu holen, sei das Projekt nachhaltig angelegt.

Aktionen rund ums Streuobst

Den Ausgang nimmt das Projekt auf der städtischen Wiese gegenüber der Jugendherberge an der Schirrmannstraße in Detmold, am Sonntag hat bereits eine erste Ernteaktion dort stattgefunden. Am 9. Oktober beginnt hier um 14 Uhr ein Rundgang, bei dem auch ein Steinkauz von der Adlerwarte zu Besuch kommt. Am Dienstag, 18. Oktober, steht das Saftmobil von 9 bis 16 Uhr auf der Wiese – wer möchte, kann sich Saft aus eigenen mitgebrachten Äpfeln oder Birnen pressen lassen. Interessenten sollten sich vorab anmelden: Tel. 0178-5078380.

Wie man Apfelkraut kocht, erleben die Gäste beim Familientag in Kooperation mit der Solidarischen Landwirtschaft in Dalborn am Samstag, 22. Oktober, von 10 bis 14 Uhr in der Hauptstraße 22 in Dalborn, eine Anmeldung unter der genannten Nummer ist ebenfalls erforderlich. Am Sonntag, 23. Oktober, hält der BUND zwischen 10 bis 17 Uhr im Hexenbürgermeisterhaus Lemgo seinen Apfeltag ab, Wer möchte, kann hier auch Äpfel bestimmen lassen.

Kommentar: Wir schützen, was wir lieben

von Marianne Schwarzer

Die Idee ist gut: Für das Projekt „Lebendige Landschaft Streuobstwiese" will Initiatorin Vanessa Kowarsch Grundschulen finden, die dieses artenreiche Biotop mal als Klassenzimmer nutzen wollen.

Es ist gut, dass sich Förderer für das Projekt gefunden haben, weil sonst wohl neben den Aktionen des BUND Lemgo und der Biostation Lippe noch kaum etwas zur Rettung der Streuobstwiesen in Lippe passieren würde. Doch um ein wenig Wasser in den Apfelsaft zu gießen: Es müsste viel mehr geschehen.

Was ist in zwei Jahren? – Ein paar Grundschüler, im besten Fall vielleicht sogar Hunderte, werden endlich mal Äpfel probiert haben, die ganz anders schmecken als das Einheitsobst aus dem Supermarkt. Sie werden wissen, dass der Specht in alten Apfelbäumen sein Zuhause hat und dass Steinkauz und Gartenrotschwanz sich hier tummeln. Sie werden vielleicht auch noch als Erwachsene von den Erlebnissen auf der Streuobstwiese schwärmen und ihre Lust auf diesen Lebensraum behalten. Denn: Wir schützen, was wir zu lieben gelernt haben.

Es wird aber kaum gelingen, diesen Unterrichtsstoff an Grundschulen zu verstetigen. Heimatkunde müsste mit all ihren Facetten von Geschichte bis Natur im Lehrplan verankert werden. Das ist freilich nichts, was auf der lippischen Bühne entschieden wird. Aber man darf ja mal träumen – am liebsten unterm Apfelbaum.

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