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„Blickwechsel Demenz": Land investiert 270.000 Euro in neues Projekt

Es soll die Fachkräfte für den Umgang mit Patienten sensibilisieren

Marianne Schwarzer

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Schritt ins Ungewisse: Wenn demente Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und ins Krankenhaus eingeliefert werden, stresst sie das in der Regel sehr. - © dpa/Uwe Zucchi
Schritt ins Ungewisse: Wenn demente Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und ins Krankenhaus eingeliefert werden, stresst sie das in der Regel sehr. (© dpa/Uwe Zucchi)

Kreis Lippe. Krankenhausalltag: Wenn die an Demenz erkrankte Oma sich den Oberschenkelhals bricht, beginnt eine schwierige Zeit für die Betroffene, aber auch für das Umfeld. Die Landesregierung will nun mit 270.000 Euro eine bessere Versorgung demenzkranker Menschen in Akutkrankenhäusern fördern – auch in Lippe.

„Blickwechsel Demenz" heißt das Projekt. Das Land wolle die Kliniken dabei unterstützen, sich auf die steigende Zahl von Menschen mit Demenz einzustellen, sagte Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) in Düsseldorf. „Im Versorgungsalltag in den Krankenhäusern brauchen diese Patienten eine besondere Aufmerksamkeit und Form der Zuwendung. Diagnostik, Behandlung und Tagesablauf müssten an den Bedarf und die Bedürfnisse von Demenzkranken angepasst werden."

Information
Tipps für Angehörige

Was vertraut ist, hilft – beispielsweise Fotos der Lieben. Feste Besuchszeiten, etwa zu den Mahlzeiten, bieten sich an. Kurze, erlebnisorientierte Tätigkeiten eignen sich am besten: Gemeinsam essen und trinken, gemeinsam Musik hören oder singen, gemeinsam mitgebrachte Post durchgehen oder etwas vorlesen hilft, den Besuch zu gestalten. Man kann aber auch einfach dasitzen und die Hand halten. Die Broschüre findet sich auch auf www.klinikum-lippe.de

In Nordrhein-Westfalen sind laut Gesundheitsministerium rund 300.000 Menschen an Demenz erkrankt, bis zum Jahr 2030 könnten es 450.000 sein. Das Klinikum Lippe trägt dieser Entwicklung schon länger Rechnung und hat bereits 2010 den Ratgeber „Patienten mit Demenz im Krankenhaus" für Angehörige herausgegeben.

Der Krankenhausaufenthalt stelle für einen Demenzerkrankten „einen immensen Stressfaktor" dar. Herausgerissen aus seiner gewohnten Umgebung, soll er sich in die hektische Umgebung des Klinikalltags einfügen, der mit Unruhe und einer Vielzahl unbekannter, stetig wechselnder Personen verbunden ist", heißt es in dem Faltblatt.

Mit dem Geld vom Land will der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW als Träger des Projekts weitere Krankenhäuser ins Boot zu holen und Workshops und ein Forum für die Mitarbeiter der bereits beteiligten Einrichtungen anzubieten. „Wichtig ist uns, nicht nur das Pflegepersonal zu sensibilisieren, sondern auch die Ärzte ins Boot zu holen", sagt Projektkoordinatorin Cornelia Plenter.

„Es geht uns vor allem darum, dass bereits bei der Aufnahme ganz klar an alle die Information weitergegeben wird: Da ist ein Mensch mit kognitiven Störungen, der ganz besondere Aufmerksamkeit braucht." Davon würden übrigens nicht nur die Demenzpatienten profitieren, sondern auch andere, insbesondere ältere Menschen, die sich beispielsweise nach einem Oberschenkelhalsbruch in einem Ausnahmezustand befinden.

Kommentar: Zuwendung kostet Zeit

von Marianne Schwarzer

Viele von uns kennen das: Wenn ein an Demenz erkrankter Angehöriger plötzlich ins Krankenhaus kommt, müssen wir hilflos erleben, wie sehr die Hektik des Gesundheitsbetriebs ihn belastet. Mag das Klinikpersonal auch noch so bemüht sein: Es fehlt meist schlicht die Zeit für die Zuwendung, die ein Dementer in dieser Situation bräuchte. Nicht das fehlende Bewusstsein und Sensibilität für Bedürfnisse dementiell Erkrankter sind das große Problem, sondern die schlechten finanziellen Rahmenbedingungen.

Es schadet nicht, mit Workshops und Foren Pflegepersonal und Mediziner noch besser auf die besonderen Bedürfnisse Betroffener einzustimmen. Doch was hilft das angesichts des Zeitdrucks im Alltag?

Das Klinikum Lippe hat sich löblicherweise vor Jahren auf eigene Faust mit dem Thema Demenz auseinandergesetzt und nicht auf vom Land geförderte Projekte gewartet. Der Ratgeber zum Umgang mit dementen Patienten im Krankenhaus ist da nur eine kleine Maßnahme im groß angelegten Konzept.

Doch auch hier sind die Ressourcen begrenzt: All der gute Wille und alles Organisationstalent werden nicht ausreichen, um den Menschen im Krankenhaus wirklich gerecht zu werden. Dieser finanzielle Rahmen muss an anderer Stelle erweitert werden. Und da reden wir von ganz anderen Summen als von läppischen 270.000 Euro.

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