Mumbai. Ein lange gehegter Wunsch ist für Suzanne Bernert endlich in Erfüllung gegangen. Ihre einzigartige Schauspiel-Karriere in Indien wird nun, Jahre später, auch in Deutschland wahrgenommen und gewürdigt. Seit mehr als 15 Jahren ist sie dick im Bollywood-Business - ausgerechnet ihre neueste Rolle als indische Politikerin Sonia Gandhi hat europaweit Beachtung gefunden. Ein Gespräch über Currywurst-Pommes aus Lage, der Rolle als beliebtester ausländischer Schwiegertochter Indiens und eine Karriere, in der vieles dem Zufall geschuldet war.
In Indien gelingt Suzanne Bernert vor einem Jahrzehnt der Durchbruch als Schauspielerin. Dem Land der kitschigen Bollywoodfilme. "In guten wie in schweren Tagen" mit Megastar Shah Rukh Khan in der Hauptrolle infizierte damals auch viele Europäer mit dem Bollywood-Fieber. "Die Zeiten sind eigentlich wieder vorbei", weiß Suzanne Bernert. "Das ist auch alles aus den 90er und 2000er Jahren. Die Filme haben sich weiterentwickelt", erzählt Bernert im Skype-Interview.
Die Filmindustrie von Mumbai ist riesig - jährlich werden bis zu 300 Filme veröffentlicht. Es sind epische Filme von tragischen Liebesgeschichten. Sie handeln meist von zwei Liebenden, die nicht zusammen sein dürfen - die indische Variante der Romeo-und-Julia-Geschichte. Für viele Europäer besonders schwer zu ertragen: die zahlreichen Gesangs- und Tanzeinlagen in den Filmen. Zumindest waren die Filme der 90er Jahre so. Auch Suzanne Bernert singt - im Playback - und tanzt in zwei Filmen vor der Kamera. Sie kann das gut. Doch sie kann noch viel mehr, wie sie im Politdrama "The Accidential Prime Minister" beweist. Aber wie kam es eigentlich zu dieser einzigartigen Karriere - von Lippe nach Indien?
Currywurst mit Pommes aus Lage
Geboren wird Suzanne Bernert im Klinikum in Detmold. Ihr wahres Alter ist zwar nicht bekannt, aber bei Wikipedia steht die Jahreszahl 1982. Sie wächst in Lage auf, zieht später nach Oerlinghausen. Ihr Vater war bis zur Rente Zollbeamter. Einen Teil der Grundschulzeit verbringt Suzanne Bernert noch in Lippe, dann zieht die Familie berufsbedingt ins Allgäu um. Doch noch immer hat sie Verwandtschaft hier. Irgendwann will sie wieder zurück und ihrem indischen Mann, dem bekannten Schauspieler Akhil Mishra, ihre Heimat zeigen. "Ich erinnere mich noch sehr gut an Lippe", erzählt sie.

Bestimmte Szenen haben sich ihr besonders eingeprägt. Wie sie beispielsweise mit ihrem Papa Currywurst-Pommes in einem Lagenser Imbiss kauft und sie die in rosafarbenes Papier eingepackte heiße Fracht auf ihrem Schoß im Auto nach Hause bringt. "Dieser Duft und das rosafarbene Papier - unvergesslich." Typische Kindheitserinnerungen eben. Auch das Schopketal in Oerlinghausen ist ihr noch im Gedächtnis. "Das Grün des Waldes habe ich immer geliebt und bin dort auch viel unterwegs gewesen", erzählt sie. Ihre Jugend verbringt sie dann im Allgäu. Besucht aber auch die Verwandschaft in Lage. Ein krasser Gegensatz zu ihrem heutigen Leben in der Millionen-Metropole Mumbai.
Perfekte ausländische Schwiegertochter
Drei Jahre lang lässt sie sich Anfang der 2000er Jahre in Berlin zur Schauspielerin ausbilden. Dann bekommt sie übers Internet ein Jobangebot und dreht einen Film in Dubai - ein Riesending für die damals junge Bernert. Am Set lernt sie einen indischen Produzenten kennen, der sie spontan für einen Gastauftritt in einer indischen TV-Serie bucht. "Ich habe das gemacht und bin dann zurück nach Berlin. Ich dachte, dass es das war." Eine weitere Anfrage aus Indien folgt. Dieses Mal verbringt sie einige Monate in Indien. Sie lernt weitere Menschen aus dem Business kennen. Die hellhäutige, exotische Suzanne kommt gut bei den Produzenten an. Sie schlüpft in die Rolle der ausländischen Schwiegertochter. Das Publikum liebt sie in der Verkörperung einer Europäerin, die für ihre große Liebe nach Indien zieht und versucht, dort das Wohlwollen der Familie zu erringen. Wie im Märchen eben.
Sie ergattert einen dauerhaften Part in der TV-Serie und bleibt in Mumbai. Dann folgen Theaterrollen und weitere Auftritte in anderen Serien und Shows. Sie lernt schnell Hindi, das eröffnet ihr viele neue Türen. Mit ihrem heutigen Mann steht sie am Theater in Mumbai gemeinsam auf der Bühne. "2009 haben wir geheiratet und tja, seitdem bin ich geblieben", erzählt sie mit einem Lächeln. Ganz zurück nach Deutschland? "Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Ich liebe dieses Land", sagt sie.
Jüngst hat sie den Preis für Errungenschaften von Frauen einer Umweltschutzorganisation bekommen. "Indien hat mir den roten Teppich ausgerollt und mir so viel Liebe gegeben, dass ich mein Leben lang dankbar sein werde", sagte sie bei der Verleihung. Ein Jahr zuvor war sie zur internationalen Diva von Bollywood gekürt worden. Dabei hat sie noch heute die Urteile von deutschen Schauspielagenturen im Ohr, die ihr sagen, dass es für wohl nichts wird mit einer Karriere als Schauspielerin. Sie lächelt bei der Erinnerung daran heute.

Nach 14 Jahren in Indien, 24 Fernsehserien und Filmen in drei indischen Sprachen erfährt Bernert nun all diese Anerkennung, weil sie ihre bislang meistbeachtete Rolle in dem Film "The Accidental Prime Minister" gespielt hat, der im Januar in die Kinos kam. Es geht darin um die Regierung des von 2004 bis 2014 amtierenden indischen Premierministers Manmohan Singh. Nach dem Buch eines früheren Singh-Beraters, auf dem der Film basiert, lag die wahre Macht allerdings bei der damaligen Chefin der Kongresspartei, Sonia Gandhi - gespielt von Suzanne Bernert, mit schwarzer Perücke und Sari.
Als Hindi sprechende, ausländische Schauspielerin mit ein bisschen Ähnlichkeit zu Gandhi habe sie es schon immer für ihre Bestimmung gehalten, die aus Italien stammende Politikerin zu spielen, erzählte Bernert im Interview zum Film. Um den gab es allerdings auch viel Ärger, weil Anhängern der Kongresspartei die Darstellung ihrer Parteiikonen nicht gefällt. Da ist jetzt wieder Ruhe wieder eingekehrt, sie hofft, dass der Ruhm ihr neue Perspektiven eröffnet.
"Meine Eltern sammeln jeden Bericht von mir in deutschen Zeitungen", erzählt Bernert und die Freude über die Anerkennung aus der alten Heimat ist ihr deutlich anzumerken. Jedes Jahr besucht sie ihre Eltern im Allgäu. Bleibt mal einen Monat, mal drei hier. Sie kann von ihren Engagements mittlerweile gut leben. Ihre Familie und engen Freunde sind stolz auf sie - heute mehr denn je. Eine Rolle im deutschen Fernsehen - "das wäre noch Traum für mich", sagt Suzanne Bernert. Wer weiß, vielleicht wird ja auch dieser Traum - wie im Bollywood-Märchen - einmal wahr.
mit Material von dpa