Mord vor dem Kind: Das Drama, das ganz Deutschland erschütterte

Detmold. Blutverschmiert sitzt das dreijährige Mädchen im Bettchen, den Teddy fest an sich gedrückt. Das Leben des Kindes hat sich von einem Schlag auf den anderen verändert. Nur wenige Stunden zuvor muss die Dreijährige mit ansehen, wie ihre Mutter brutal ermordet wird.

14 Mal sticht Daniel W. auf seine 30-jährige Lebensgefährtin ein. Er ist nicht nur der Täter, er ist der Vater des Kindes. Das Opfer stirbt qualvoll auf dem Küchenboden, der 38-Jährige schneidet sich die Pulsadern auf, um auch seinem Leben ein Ende zu setzen. Er überlebt. Das kleine Mädchen kuschelt sich noch ein letztes Mal an die tote Mutter, und irrt die ganze Nacht in der Doppelhaushälfte herum. Erst am nächsten Morgen macht sich eine Freundin des Opfers besorgt auf den Weg zum noch unentdeckten Tatort. Sie ahnt, dass etwas nicht stimmt...

"Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben" Die Familientragödie in Pivitsheide, die sich am 9. August 2017 abspielt , erschüttert ganz Deutschland. Aus Eifersucht tötet ein 38-jähriger Mechaniker die Mutter seines Kindes. Das Perfide: Die Tat kündigt sich über viele Monate hinweg leise an. "Sie hatte panische Angst vor ihm", sagt eine Zeugin später unter Tränen vor dem Detmolder Landgericht. Doch wirklich helfen lassen will sich die 30-Jährige nicht. Nahezu engelsgleich wird sie von Familie und Freunden beschrieben. Stets freundlich und hilfsbereit, eine liebevolle Mutter, die alles für ihre Tochter getan hat. Dem Vater wird dagegen die Rolle des Taugenichts zugesprochen, der nur selten im Haushalt anpackt und seiner Freundin auf der Tasche liegt. Ab und zu geht er mit Kumpels etwas trinken, ein Alkoholproblem hat er nicht. Dennoch verliert er am Tatabend die Kontrolle.

Ein halbes Jahr vor der Tat beendet die junge Frau die Beziehung zu ihm. Doch Daniel W. will die Trennung nicht akzeptieren. Über Monate kontrolliert er seine Ex, immer wieder kommt es zum Streit. Die Situation spitzt sich weiter zu, dazu lebt das getrennte Paar noch unter einem Dach. Die 30-Jährige verliebt sich neu, versucht die aufkeimende Beziehung vor ihrem Ex geheim zu halten. Doch Daniel W. stellt ihr nach, liest ihre SMS und hört ihr Handy ab. "Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben", soll er mehrfach gesagt haben: "Erst bringe ich dich um und dann mich." Die Drohung macht der Detmolder wenig später wahr. Zumindest zum Teil.

Später sagt Daniel W. aus, es sei an diesem tragischen Sommerabend wegen einer Kleinigkeit zum Streit gekommen. Als Grund nennt er eine verschlampte Ummeldung. Die Situation sei eskaliert, seine Lebensgefährtin hätte plötzlich ein Messer in der Hand gehabt. Danach setzt seine Erinnerung aus. Das Gericht nimmt ihm das nicht ab. Auch die Obduktionsergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Erst zertrümmert Daniel W. seiner Exfreundin das Nasenbein, dann würgt er sie bis zur Bewusstlosigkeit. Mit zwei Messern sticht er wie im Rausch auf die junge Mutter ein. Insgesamt 14 Stiche und Schnitte zählt der Gerichtsmediziner später am Hals des Opfers. Dabei stößt er mit solch brutaler Wucht zu, dass eine Messerklinge den Halswirbel trifft und verbogen wird. Die junge Frau ist dennoch nicht sofort tot. "Sie hat lange leiden müssen", sagt Oberstaatsanwalt Christopher Imig. Der Tatort gleicht auf Bildern einem Schlachtfeld, das ganze Haus scheint in Blut getränkt. Während der Verhandlung hört man immer wieder erschütterte Polizisten sagen: "So etwas habe ich noch nie gesehen."

"Was ist mit Mama los?" "Mama schläft..." Die einzige Zeugin ist gerade einmal drei Jahre alt. Sie sitzt auf der Treppe, als ihr Vater unaufhörlich auf die Mutter einsticht. Erst die Stimme des Kindes reißt den Täter aus seiner Trance, sagt er vor Gericht. Mit dem Messer in der Hand hockt der 38-Jährige über seiner sterbenden Lebensgefährtin. Überall ist Blut. Die Kleine verlangt vom Vater, die Wohnung sauber zu machen. Er bringt das Kind ins Bett, legt sich blutüberströmt dazu. &bdquo;Was ist mit Mama los?", fragt ihn die Kleine. &bdquo;Mama schläft", antwortet er.

Dann versucht Daniel W., sich das Leben zu nehmen. Seine Tochter irrt die Nacht allein im Haus umher. In der Küche liegt der leblose Körper der Mutter. Die Kleine wird später in die Obhut des Jugendamtes übergeben. "Das Kind ist schwer traumatisiert", sagt eine Mitarbeitern im Zeugenstand. Noch Wochen nach der Tat spricht die Dreijährige über die grausamen Ereignisse dieser Nacht. Die Betreuer kommen an ihre Grenzen. Das Mädchen will nach ein paar Wochen unbedingt zurück ins Haus und sehen, ob das Blut endlich weg ist. Vor Gericht besteht kein Zweifel mehr darüber, ob die Dreijährige den Mord an ihrer Mutter genau beobachtet hat. Ungewiss bleibt nur, ob das Kind das Erlebte je verarbeiten wird.

Eine Freundin des Opfers ist die Erste, die am nächsten Morgen an der unscheinbaren Doppelhaushälfte ankommt. Sie weiß um die Probleme des Paares und macht sich Sorgen, als die 30-Jährige nicht ans Telefon geht. Durch die offene Tür erkennt die Zeugin eine riesige Blutlache. In Panik ruft sie die Polizei, doch da ist ihre Freundin längst tot. Der Notruf wird später im Gerichtssaal als Beweismittel abgespielt. Schreie und Verzweiflung dokumentieren, mit welcher Grausamkeit die Zeugin am Tatort konfrontiert wird. Wenige Minuten später ist die Polizei vor Ort. Eine Beamtin findet das verstörte Kind nackt und blutverschmiert im Gästezimmer. "Meine Mama ist tot", sagt die Kleine und wimmert. Auch der Teddybär im Arm des Mädchens hat rote Spritzer abbekommen. Es ist das Blut ihrer Mutter. Sie drückt ihn fest an sich.

Ein halbes Jahr später muss sich Daniel W. vor dem Detmolder Landgericht verantworten. Die Plätze im Gerichtssaal sind an allen Verhandlungstagen voll besetzt. Viele Menschen nehmen Anteil am Schicksal der jungen Frau. Freunde und Bekannte sind fassungslos, berichten unter Tränen von der lebenslustigen Mutter, die brutal aus dem Leben gerissen wurde. Nach fünf Prozesstagen verurteilt das Detmolder Landgericht den 38-Jährigen wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Es gibt Applaus. Daniel W. habe die Mutter seines Kindes aus Eifersucht nahezu "abgeschlachtet" und damit auch das Leben seiner Tochter zerstört, heißt es in der Urteilsbegründung. Obwohl Familienmitglieder und das enge Umfeld sich um das Sorgerecht für die Dreijährige bemühen, lehnt das Jugendamt ab. Das Mädchen soll mit dem alten Leben abschließen, um nicht mehr mit dem Mord an ihrer Mutter konfrontiert zu werden. Die Entscheidung wird zum Wohle des Kindes getroffen. Inzwischen ist die Kleine in einer Pflegefamilie untergebracht.

True Crime aus Lippe Nichts ist grausamer als die Realität. Wahnvorstellungen, die den scheinbar normalen Nachbarn zum Serienkiller machen. Liebende, die kaltblütig ihren Partner umbringen. Gewalt, Verzweiflung und Übermut - die Geschichte lehrt uns: Schlimme Verbrechen passieren nicht nur in Romanen und Filmen. Die wahren Schrecken lauern oft da, wo man sie nicht erwartet. Im Nachbarort, in der Familie, auf offener Straße.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die LZ über zahlreiche Verbrechen berichtet. In der Reihe "Lippe kriminell" geht LZ.de auf Spurensuche ins Zeitungsarchiv und die Artikel vergangener Zeiten. Immer sonntags ab 18.30 Uhr erscheint eine neue Folge unter LZ.de / lippekriminell

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