Bundesgerichtshof hebt Totschlag-Urteil gegen Detmolder Arzt auf

Detmold/Essen. Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Arztes aus Detmold wegen Totschlags aufgehoben. Ein weiteres Urteil gegen den 49-Jährigen wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen bleibt dagegen bestehen. Das Landgericht Essen sah es in zwei Verfahren 2021 und 2022 als erwiesen an, dass der Arzt drei schwerkranken Corona-Patienten auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Essen Medikamente in tödlicher Dosierung verabreicht hatte, um sie zu erlösen. Die Behandlung der Patienten, eine 65-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 50 und 47 Jahren, war laut Gericht zuvor abgebrochen worden, sie lagen im Sterben. Der Tod des 47-jährigen Patienten muss aufgrund des BGH-Beschlusses nun neu verhandelt werden. Prozessauftakt ist am 13. August.

Während der Corona-Pandemie war der Detmolder als Oberarzt auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Essen tätig. Im ersten Urteil aus dem Jahr 2021 sah es die Strafkammer als erwiesen an, dass der Angeklagte am Abend des 13. November 2020 den Entschluss gefasst hat, das Leben seines schwerkranken Patienten durch die Gabe einer medizinisch nicht indizierten, hohen Dosis Kaliumchlorid zu beenden. Durch die Gabe des Medikaments habe der Arzt den Tod des 47-Jährigen verursacht.

Laut Gericht wurde die Tat von einem Pfleger beobachtet. Zudem habe der Angeklagte einer Kriminalbeamtin bei der Durchsuchung seiner Wohnung gesagt, dass er das Mittel verabreicht habe, weil ihm die Familie leidgetan habe, nachdem der Patient nach dem Abschalten der lebenserhaltenden Maschinen noch einen Seufzer in Folge eines Reflexes aus dem Gehirnstamm von sich gegeben habe.

Der schwerkranke Patient wurde von Venlo nach Essen verlegt Bei dem Patienten handelte es sich nach Angaben des Gerichts um einen 47 Jahre alten Niederländer, der aufgrund einer schweren Covid-19-Infektion im Herbst 2020 von Venlo nach Essen verlegt worden war, weil eine extrakorporale Membranoxygenierung, kurz ECMO, nötig war. Diese Technik kommt zum Einsatz, um das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anzureichern, wenn ein Lungen- oder Herz-Kreislaufversagen mit anderen Mitteln nicht mehr aufgehalten werden kann.

Der Bundesgerichtshof sieht den kausalen Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Eintritt des Todes jedoch nicht als fehlerfrei belegt an. Im Beschluss schreibt der BGH, dass die Annahme des Landgerichts zum Todeseintritt spekulativ sei. Das Landgericht muss den Fall deshalb erneut verhandeln.

Der Angeklagte bestreitet Medikamentengabe in tödlicher Dosis In dem neuen Verfahren, für das 13 Verhandlungstage angesetzt sind, rechnet Nebenklagevertreter Ravil Linke mit neuen Gutachten. &bdquo;Die Strafkammer kann auch neue Zeugen vernehmen, da der Fall komplett neu verhandelt werden muss.“ An den Vorwürfen gegen den Angeklagten hätte sich hingegen nichts geändert. &bdquo;Die Familie wurde von dem Angeklagten nicht vollumfänglich über den Zustand des Patienten informiert. Er war schwer krank, aber der Sterbeprozess stand nicht wie behauptet unmittelbar bevor“, erklärt der Rechtsanwalt aus Aachen, der die Frau und den Bruder des Verstorbenen vertritt. &bdquo;Zudem haben weder der Patient noch die Familie um Sterbehilfe gebeten.“

Der Angeklagte bestreitet nach Angaben seines Verteidigers Harald Wostry, seinem Patienten eine tödliche Dosis Kaliumchlorid verabreicht zu haben. &bdquo;Zudem hat das Gericht nicht ausreichend den Zustand des Patienten geprüft, es besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Patient schon nach dem Abschalten der lebenserhaltenden Geräte und vor der Gabe der Medikamente gestorben ist, weil er schwer krank war und keine Eigenatmung mehr hatte“, erklärt der Rechtsanwalt aus Essen. &bdquo;Das Landgericht Essen hat klar Fehler begangen und nach Angaben des BGH sogar Spekulationen angestellt. Das ist ein Vorwurf des BGH gegen ein Gericht, den ich zuvor noch nie gelesen habe.“

Sein Mandant verbüßt seit Frühjahr dieses Jahres die Haftstrafe aus dem zweiten Verfahren. &bdquo;Das Urteil wegen zweifachen versuchten Totschlags ist rechtskräftig.“ Vollständig verbüßen müsse der Detmolder die dreieinhalb Jahre aufgrund der einjährigen Untersuchungshaft jedoch nicht. Nach Angaben Wostrys war sein Mandant vor dem Haftantritt nicht mehr als Arzt tätig. Seine Approbation ruhe, weshalb er keine Heilberufe ausüben dürfe.

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