Warum das Feriendorf Blomberg ein doppelt verlorener „Lost Place“ ist

Blomberg. Jedes einzelne Fenster an der Fassade ist mit Brettern vernagelt. Beim Besuch der LZ vor einem Jahr gab es nur vereinzelt kaputte Scheiben. &bdquo;Die Zerstörung hört einfach nicht auf“, Benjamin Bossemeyer weiß nicht mehr, ob er vor lauter Verzweiflung lachen oder weinen soll. Der Leiter der Blomberger Immobilien- und Grundstücksverwaltung hat sich extra mit einer Taschenlampe bewaffnet - Tageslicht fällt hier nicht mehr in die Räume.

&bdquo;Passen Sie auf, hier liegen überall Scherben“, warnt er. Er führt die Reporterin die verranzte Treppe hinauf. Hier oben waren Gästezimmer. Bei einem ist das Türschloss aufgebrochen. &bdquo;Das waren wir“, erläutert Bossemeyer. &bdquo;Hier ist jemand eingestiegen und hat das Zimmer dekoriert, auf dem Tisch lag eine rosa Tischdecke, und er war für sechs Leute wie für ein Kaffeetrinken eingedeckt.“ Allerdings hat der oder die Unbekannte anschließend ein neues Türschloss eingebaut und den Schlüssel mitgenommen, damit niemand den Raum betritt.

Urbexer treiben Unwesen Offensichtlich das Werk eines Urbexers, also eines Menschen, der in verlassene Häuser eindringt, immer auf der Suche nach Fotomotiven, die sich effektheischend ins Internet stellen lassen. Die Blomberger Künstlerin und Fotografin Gaby Prasse hat sich früher auch mal in der Szene getummelt, allerdings legal &bdquo;lost places“ besucht. Im Auftrag der Stadt hat sie vor Monaten den inneren Zustand der Häuser dokumentiert und dabei auch die idyllisch anmutende Kaffeetischszene fotografiert.

&bdquo;Es gibt ein paar Leute, die lassen alles so, wie es ist, nehmen höchstens mal ein Taschentuch aus der Szene, wenn es offensichtlich jemand dort verloren hat.“ So habe sie selbst es auch gehalten. &bdquo;Aber andere inszenieren das Ganze und dekorieren, manchmal schließen sie dann einen Raum ab und vermieten nur den Schlüssel an andere aus der Urbexer-Szene.“ Und dort, wo Häuser beispielsweise noch von einem Hausmeister beaufsichtigt werden, kann es auch schon mal sein, dass die Fotografen einen Fünfziger springen lassen, damit sie hineinkommen.

Im Feriendorf hingegen hat die Stadt die verschlossene Tür aufgebrochen und musste feststellen, dass sie zu spät kam: Jemand ist offensichtlich auf den Balkon geklettert und hat das Fenster aus den Angeln gehoben und einfach in den Raum auf den Tisch geworfen. Alles ist hier verwüstet.

Versteck für Drogen? Im nächsten Raum sind ein paar Bretter aus dem Fußboden gerissen: &bdquo;Könnte ein Versuch sein, Drogen zu verstecken - oder zu finden“, sinniert Bossemeyer. Über die Sanitärräume - jedes Zimmer verfügt im Obergeschoss über ein eigenes Bad - deckt man wohl lieber den Mantel des Schweigens. Das Wasser ist schon lange abgestellt, und die Toiletten sind vollgestopft mit Papier und Unrat, alles sehr unappetitlich: &bdquo;Sie haben Glück, dass es jetzt nicht mehr riecht“, so lautet der lakonische Kommentar des BIG-Chefs, während sich der Strahl der Taschenlampe weiter durch die Zimmerflucht tastet.

Strom ist schon lange abgeklemmt, die Lichtschalter ebenso nutzlos wie die Küche, in der noch stapelweise Geschirr und Töpfe - erstaunlicherweise sogar noch heil - stehen. Die Küchenschranktüren stehen offen und geben den Blick frei auf Zuckerstreuer und Milchkännchen, alle Schubladen sind aufgerissen, das Besteck längst im Haus verstreut. Unter anderem auf einem der Stühle in dem großen Gemeinschaftsraum, wo einige Messer ihr Dasein fristen.

Giftige Dämpfe in der Luft Die großen Hängelampen sind heruntergerissen, die Kabel kaputt, auf der Theke ein Durcheinander von Büchern, Geschirr, Unrat. Auf einem Schmöker ruht eine rostige Bügelsäge, ein Sack Streusalz liegt aufgerissen mitten im Raum. &bdquo;Hier hat sich die Feuchtigkeit gesammelt, schauen Sie, jetzt wölbt sich darum der Holzfußboden hoch.“ Zwei Meter weiter strafen die Glasscherben und Infobroschüren gegen die Gefahren des Alkohols einen verloren wirkenden Staubwedel Lügen.

Die Möbel sind mit Farbe besprüht. Benjamin Bossemeyer kann das alles gar nicht mehr schocken, &bdquo;kommen Sie mal mit in den Keller“. Vorbei an offenen Farbtöpfen und Werkzeug, Putzmitteln neben einem vollkommen versifften Waschbecken, Nazi-Parolen an der Wand, vorbei an Gartengeräten, zu einem Speiskübel, in dem Schmierstoffe, mutwillig vermischt mit Lacken, gefährliche Urständ gefeiert haben. &bdquo;Hier hätten Sie kein Feuerzeug anmachen dürfen“, er schüttelt den Kopf. Jetzt sind die Dämpfe der Lösungsmittel verflogen. Und gut, dass die vielen Ölkannen, die in Reih und Glied im Zapfkeller stehen, nicht mehr in Gebrauch sind: Die Anzeige am großen Öltank mit 15.000 Litern Fassungsvermögen steht auf Null.

Auch wenn er es schon oft gesehen hat, erklären kann sich Benjamin Bossemeyer all diesen Zerstörungswillen und die Energie, mit der Dinge hier einfach kaputt gemacht wurden, nicht. Doch der Schaden ist mittlerweile so groß, dass das Haupthaus möglicherweise gar nicht mehr zu retten ist. &bdquo;Und das ist wirklich schade, da hätte man noch was draus machen können.“

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