Arsen in der Leberwurst: Lagenser will 1982 seine Frau umbringen

Lage. Handelt es sich um einen heimtückischen Mordversuch? Oder ist es die Verzweiflungstat eines jungen Mannes, der mit seinen Eheproblemen nicht mehr fertig wurde? Diese Fragen schweben im Raum, als der 38-Jährige auf der Anklagebank im Detmolder Landgericht Platz nimmt. Er wird beschuldigt, seine Frau mit Gift umgebracht haben zu wollen.

Zwei Jahre zuvor: Bettina G. (alle Namen von der Redaktion geändert) weiß sich nicht mehr zu helfen, als sie im Frühjahr 1982 bereits zum zweiten Mal ins Krankenhaus eingeliefert wird. Seit einiger Zeit fühlt sie sich krank, erbricht sich, hat Durchfall. Immer wieder treten diese Symptome auf. Kein Arzt kann helfen, auch im Krankenhaus sind die Mediziner zunächst ratlos. Doch in der neurologischen Abteilung des Lemgoer Klinikums wird dieses Mal genauer hingeschaut. Betting G. verspürt ein starkes Kribbeln in den Beinen und in den Fingerspitzen. Schließlich stellen die Ärzte fest: Sie leidet an einer chronischen Arsenvergiftung. Wie das Gift in ihren Körper gelangt sein könnte, kann sich Bettina G. nicht vorstellen.

Auch ihr Mann wird untersucht. Seine Werte zeigen nur eine geringe Konzentration des Gifts, nichts außergewöhnliches. Im Kühlschrank des Paares sichern die Beamten jedoch einige Lebensmittel und leiten sie sofort dem Chemischen Untersuchungsamt zu. Schnell wird klar, was sich hier abgespielt hat. Noch in der Vernehmung der Polizei gibt Bettinas Mann G. zu, zunächst einen Eintopf vergiftet und später, als aus der ersten Tat keine schwerwiegenden Folgen entstanden, eine Leberwurst mit Arsen versetzt zu haben, um sich und seine Frau umzubringen.

Immer wieder Streit und Drohungen Dem Gericht erzählt G. am 23. Januar 1984 eine dramatische Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Nach seiner Lehre als Chemielaborant diente G. für kurze Zeit beim Bund. Schließlich bildete er sich zum Werbefachmann weiter. Bei seiner Bewerbung in einem Chemielabor in Bad Salzuflen legte er allerdings gefälschte Zeugnisse und Bescheinigungen vor. Er wurde zunächst eingestellt, der Schwindel flog jedoch auf und G. wurde fristlos entlassen.

Seine Frau hatte der Angeklagte bereits als 21-Jähriger geheiratet. Als Mitgift brachte das spätere Opfer einen großen Bauplatz und einen ansehnlichen Geldbetrag mit in die Ehe. Doch was zunächst so harmonisch begann, nahm bald darauf einen ganz anderen Verlauf. Missverständnisse und Streitigkeiten prägten die Ehe, G. stört sich an dem engen Verhältnis zwischen seiner Frau und ihren Eltern. Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit, das stellt das Gericht am ersten Prozesstag fest, beginnt der Angeklagte eine Affäre mit einer Arbeitskollegin. Es dauert Jahre, bis G.s Frau Verdacht schöpfte.

Die mittlerweile geschiedene Frau sagt vor Gericht aus, sie habe sich mehr Liebe und Achtung gewünscht. Im Streit drohte G. immer wieder mit Selbstmord. Ein Motiv, das er auch später gegen seine Geliebte verwendete, als die Beziehung der beiden abflaute.

Vor Gericht gibt G. schließlich zu, seiner damaligen Ehefrau das arsenhaltige Mittel Trioxyd unters Essen gemischt zu haben. Die Chemikalie habe er sich aus dem Giftschrank seiner Firma besorgt. G. gibt zu Protokoll, auch er selbst habe sich geringe Menschen des Mittels in die Speisen gemischt. Es sei sein Plan gewesen, gemeinsam mit seiner Frau aus dem Leben zu scheiden. Während bei seinem Opfer jedoch im Frühjahr 1982 hochgradige Vergiftungen gestellt wurden, hat die Untersuchung beim Angeklagten nur einen minimalen Arsengehalt ergeben.

Nach dem Urteil selbst gerichtet Im Abschlussplädoyer bezeichnet der Staatsanwalt G.s Selbsttötungsabsichten als "leeres, unglaubwürdiges Gerede", wie die LZ vom 4. Februar 1984 berichtet. Der Angeklagte habe das langsame Siechtum seiner Frau in Kauf genommen und dabei die Rolle des liebendes Ehemannes gespielt. Die Verteidigung sieht hingegen "Notschreie" in den Drohungen, die Tat des Angeklagten, einen Eintopf zu vergiften, als "spontane und undurchdachte psychologische Demonstration". Letztendlich habe er seiner Frau Schuld für seinen Zustand zugesprochen.

Das Gericht verurteilt G. schließlich zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. In der Begründung weist der Vorsitzende auf die unbarmherzige Haltung des Täters hin und bewertet den Mordversuch als heimtückisch.

Nur eine Woche nach dem Urteil erschüttert eine neue Schlagzeile in dem Fall die Region: "Nach dem Urteil selbst gerichtet", heißt es am 7. Februar 1984. G. hatte sich in seiner Zelle das Leben genommen. Die Autopsie ergibt eine Arsenvergiftung als Todesursache. Wie das Gift in die Zelle gelangen konnte, ist unklar. Bereits bei den polizeilichen Vernehmungen war den Beamten aufgefallen, dass G. verschiedene Gifte mit sich herumtrug. Er galt als selbstmordgefährdet und wurde überwacht. Alle zehn Minuten sollte ein Aufseher durch den Türspion die Zelle kontrollieren. Ermittler vermuten, ein Besucher könne das Gift eingenäht in Kleidung in die Haftanstalt geschmuggelt haben. Eine Aufklärung bleibt die damalige Berichterstattung schuldig.

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