Bielefeld/Lemgo. Es ist ein auf den ersten Blick ambitionierter Vorstoß, den die Bahnexperten Willi Wächter, Bernd Küffner und Godehard Franzen für das Streckennetz der Bahn in Ostwestfalen-Lippe machen. „Wir setzen uns dafür ein, dass die Strecke Bielefeld, Lage, Lemgo/Schloss Brake komplett elektrifiziert wird", sagt Wächter vom Fahrgastverband Pro Bahn, Region OWL, im Gespräch mit dieser Zeitung. Die drei Experten gehen sogar noch weiter. „Das wäre die erste Möglichkeit, in OWL einen schönen S-Bahn-Verkehr zu organisieren", sagt Wächter. Hintergrund dieses Weckrufs an die Politik in Land und Region: „Wir haben auf allen Strecken steigende Fahrgastzahlen", so Küffner, Kreisverbandsvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) OWL. Der verstärkte Ausbau des elektrifizierten Bahnnetzes könnte durch die damit verbundene dichtere Vertaktung des Zugverkehrs noch mehr Fahrgäste zur Bahn locken, so die Prognose der Bahnexperten. Gefordert wird nicht etwa der Ausbau nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach nachvollziehbaren Kriterien, so die Experten. Die Strecke Bielefeld – Lemgo sei in OWL „die Strecke mit den höchsten Fahrgastzahlen, abgesehen von der Verbindung Gütersloh – Minden", so Franzen. Der Vorsitzende des Vereins „Pro Nahverkehr" mit Sitz in Bielefeld fordert deshalb die Landespolitik auf, ein solches Projekt für den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans anzumelden. Dies ist beim Nahverkehrsverbund Westfalen-Lippe (NWL) bereits geschehen, wie dessen Sprecher Uli Beele bestätigte. Die Bahnexperten schätzen die Kosten für einen solchen Ausbau auf 25 bis 28 Millionen Euro, inklusive notwendiger Ausweichgleise bei Ehlenbruch und Weichenarbeiten bei Lage. Im Zuge eines solchen Ausbaus solle die Strecke auch von Lemgo-Lüttfeld bis zum Haltepunkt Lemgo-Brake wieder durchgebunden werden, eine Verlängerung von lediglich 800 Metern. Doch Wächter ist überzeugt: „Dies würde eine erhebliche Fahrgaststeigerung mit sich bringen." Brake sei der größte Stadtteil von Lemgo, mit Einrichtungen wie dem Arbeitsamt und dem Schloss. Doch auch das sonstige Dieselnetz gelte es nach und nach zu elektrifizieren, so der Appell der Experten. Wächter: „Dieseltriebwagen sind mit ihren Abgaswerten so ziemlich das Schlechteste, was es gibt." Deshalb sei es auch grundsätzliches Ziel der europäischen Klimapolitik, eine Dekarbonisierung des Nahverkehrs bis 2050 zu erreichen. Darunter versteht man die Abkehr von kohlenstoffhaltigen Energieträgern. Die Abschaffung von Dieseltriebwagen im Bahnverkehr könnte hierzu einen erheblichen Beitrag leisten, sagen die drei Experten. Doch anders als in der Schweiz, wo man bereits nahezu 100 Prozent des Eisenbahnnetzes elektrifiziert habe, sei man damit in Deutschland noch lange nicht so weit. Wächter: „Deutschland hat rund 34.000 Kilometer Bahnstrecke. Davon sind 20.000 elektrifiziert, 14.000 nicht." Die Eisenbahnwagen haben zumeist eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren. Franzen: „Wenn man das durchrechnet, dürften spätestens 2020 keine neuen Dieseltriebwagen mehr angeschafft werden." Es sei also genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Handeln für Ostwestfalen-Lippe.