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Carolin Kebekus ruft in Lemgo die "Pussynation" aus

Yvonne Glandien

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Carolin Kebekus nimmt in der Phoenix-Contact-Arena in Lemgo kein Blatt vor den Mund. - © Nicole Ellerbrake
Carolin Kebekus nimmt in der Phoenix-Contact-Arena in Lemgo kein Blatt vor den Mund. (© Nicole Ellerbrake)

Lemgo. Aufstehen und der Stimme aus den Boxen nachsprechen, denn jetzt werden die Untertanen der "Pussynation" vereidigt. Carolin Kebekus hat am Donnerstagabend in der Lemgoer Phoenix-Contact-Arena gleich zu Beginn klare Zeichen gesetzt. "Ich schwöre, dass ich über alles, was Carolin Kebekus sagt, lachen werde", heißt es da. Aber auch: Wer sich der AfD oder rechtem Gedankengut zugehörig fühlt, solle doch lieber direkt den Notausgang nutzen.

Einige politische Themen hatte die Kölnerin im Gepäck. Mal lustig verpackt, mal in ernsteren Tönen ging es etwa um die Debatte über Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer, aber auch um die Kritik, mit der sich Kebekus als Frau auseinandersetzen muss. "Ich lese in ganz vielen Kommentaren, was ich mir eigentlich erlauben würde, mich einerseits in die #MeToo-Debatte einzumischen und andererseits selbst so viel über Sex zu reden." Einen Widerspruch sieht die 38-Jährige darin nicht. "Ja, ich rede darüber, wir alle tun es ja auch. Und ja, ich gehe auch in kurzem Rock und tiefem Ausschnitt raus. Dann gehe ich jagen. Und meine Beute schleppe ich nach Hause. Aber, welchen Clown ich mir mitnehme, entscheide immer noch ich. Ich bin doch kein Stück Wurst in der Fleischereiauslage, das darauf wartet, von irgendwem eingepackt zu werden."

Bierflasche statt Baby

Tatsächlich machen die Themen Sex und Dating den wohl größten Teil im aktuellen Programm von Carolin Kebekus aus. "Lemgo! Kennt ihr Sugaring?" Schweigen im Saal. "Brazilian Waxing? Auch nicht? Lemgo trägt also Busch. Oder man nutzt hier die Holzfällermethode. Mit der Axt in den Wald und dann wild drauf los." Mit Anekdoten aus dem Leben einer Singlefrau führte Kebekus durch den Abend. Wie es ist, wenn alle Freundinnen auf einmal Kinder bekommen und einen mit Babyfotos bombardieren - "Ich schicke jetzt immer Bilder zurück. Von mir und einer Bierflasche im Arm" -, von der Mutter, die vehement uneinsichtig ist und der faszinierenden telepathischen Verbindung von Frauen untereinander: "Die sollten wir endlich nutzen, nicht nur privat. Letztes Jahr haben wir 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert und immer noch versucht man uns bei der Gesetzesänderung abzusprechen, dass wir Verantwortung tragen können."

Damit bezog sich Kebekus etwa auf die umstrittene Debatte um Werbung für Abtreibungen oder der Aussage von Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich gegen die rezeptfreie Pille danach aussprach mit der Begründung, diese Medikamente seien keine Smarties. "Hält der uns wirklich für so blöd?", fragte Carolin Kebekus das Publikum. Und außerdem: "Was will mir ein schwuler Politiker erklären, was ich als Frau mit meinem Körper tue? Das ist so, als ob mir ein Veganer erklärt, wie mein Mettbrötchen zu schmecken hat."

Dass Prinzessinen keine Vorbilder sind und man dem Onkel oder Thekengast, der einmal im Jahr seine rechten Parolen klopft vielleicht doch lieber die Meinung sagen sollte, statt es einfach passieren zu lassen, gab die Comedian ihrem Publikum mit. Zur Zugabe gab es dann noch einen Song auf die Melodie von Disneys "Frozen"-Titelsong "Let It Go": "Ihr seid groß, riesengroß, eure Kraft ist grenzenlos. Ihr seid es Wert! Lemgo, ihr seid nun ein Teil von mir!"

Tosender Applaus und ein Publikum, das es vor Begeisterung nicht auf den Plätzen halten konnte, waren die Belohnung für ein äußerst durchdachtes, höchstgradig unterhaltsames und zeitgleich nachdenkliches Programm einer Carolin Kebekus in Bestform. Ein Faktor für das gelungene Programm war auch die gute technische Umsetzung. Die Phoenix-Contact-Arena bietet auch bei ausverkaufter Halle jedem einen guten Blick auf die Bühne. Zusätzlich gab es zwei große Displays, die die Kölnerin in Nahaufnahme zeigten. Davon können sich Veranstaltungsorte wie die Stadthalle in Bielefeld noch ein Scheibchen abschneiden. Mit diesem Auftritt, der ihr zweiter in der Hansestadt war, dürfte Kebekus bei den Lemgoern und restlichern Besuchern einen deutlichen Eindruck hinterlassen haben. Bei manchem so sehr, dass das Lachen auch auf der Fahrt nach Hause noch nicht enden wollte.

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