Wie ein Streit mit dem Schiri zwei Fußballer 2020 auf die Anklagebank bringt

Lemgo. Beim Fußball kann es schon einmal heiß hergehen, das ist bekannt. Doch so heiß wie auf dem Platz des TSV Schötmar an einem Spieltag im Jahr 2019 - das ist hingegen selten. Als der Schiedsrichter der Kreisliga-Partie gegen den TBV Lemgo II den Platz betritt, ahnt er noch nicht, welche Vorfälle sich schon in der ersten Halbzeit der Begegnung ereignen werden. Es soll für den Mann aus dem Kreis Herford ein Tag werden, den er so schnell nicht vergessen wird.

Anpfiff in Lemgo. Die Sonne scheint, die Vögel singen, der Ball rollt. Langsam erscheinen auch die letzten Fans am Platz, um ihrer Mannschaft den Rücken zu stärken. In den ersten Minuten deutet alles auf ein normales Amateur-Fußballspiel hin. Zum Ende der ersten Halbzeit wird die Stimmung hitziger auf dem Feld - und auch drum herum: Einige Anhänger des TSV Schötmar werden lauter. Der Schiedsrichter muss die Zuschauer mehrfach ermahnen, weil sie unsportliche Kommentare in Richtung der Lemgoer brüllen. Das schreibt der Schiri damals in seinen Sonderbericht für die Spruchkammer des Fußballkreises Lemgo.

Mit Gewalt zu Boden gebracht

In der 40. Minute eskaliert die Situation völlig. Der Schiedsrichter pfeift ein Foul eines Schötmaraner Spielers und zeigt ihm die Rote Karte. &bdquo;Daraufhin kam es zu einer Rudelbildung, bei der ich von Spielern Schötmars eingekesselt und bedrängt wurde", sagt der Referee später. Der 25-jährige Spieler habe die Strafe nicht akzeptiert. &bdquo;Er zog sein Trikot aus und rannte schreiend auf mich zu, sodass ich rückwärts ausweichen musste." Gleichzeitig rennt der 28-jährige Torwart der Mannschaft ebenfalls auf die Rudelbildung zu, schreit den Schiedsrichter an und beleidigt ihn übel - es ist der ältere Bruder des anderen Spielers.

Die Mannschaftskameraden versuchen die beiden wild gewordenen Mitspieler zu beruhigen, sie festzuhalten. Trotzdem schaffte es der eine, dem Schiedsrichter vor die Brust zu stoßen, der andere versetzt dem Mann einen Bodycheck und bringt ihn damit zu Boden. Aus welchen Gründen es zu solch extremen Ausbrüchen seitens der Spieler kam, bleibt unklar. Beim Spielstand von 0:1 bricht der Angegriffene das Spiel noch vor der Halbzeit ab. &bdquo;Mit Hilfe anderer Spieler Schötmars konnte ich mich in Sicherheit bringen", erinnert er sich. Vereinsverantwortliche seien an seiner Seite geblieben und hätten sich sofort entschuldigt. Trotzdem: Es sind Emotionen, die auch auf dem Fußballplatz nichts verloren haben.

Der Prozess

Nach dem Vorfall füllt der Geschädigte einen Spielbericht aus und bringt die Geschehnisse sorgfältig zu Papier, so kommt der Fall zunächst vor das Sportgericht. Dort ahndet der damals Vorsitzende Friedel Schafmeister das Vergehen sportjuristisch. Der Haupttäter erhält eine einjährige und der andere Spieler eine sechsmonatigen Sperre im Fußballbetrieb. &bdquo;Wir haben die Strafen akzeptiert und die Spieler rausgeworfen", zeigen die Verantwortlichen des TSV damals auch in einer Aussage gegenüber der LZ ihre Reue.

Davon, dass der Fall auch eine Fortsetzung vor dem Amtsgericht bekommen soll, sei Schafsmeister &bdquo;etwas überrascht" und spricht von einer &bdquo;drastischen Strafe". Der Schiri, der eine leichte Zerrung in der Schulter davontrug, hatte zusätzlich auch private Klage erhoben. Schafmeister dazu: &bdquo;Solche Entgleisungen gibt es öfter, doch zu über 90 Prozent führen die nicht zu Strafgerichtsprozessen. Wenn sich häufiger ordentliche Gerichte mit derartigen Fällen befassen, muss ein Verhältnis in der Gleichbehandlung gewahrt bleiben."

Zwar sorgt der Fall in den lippischen Fußballkreisen und darüber hinaus für viel Gesprächsstoff, nach über einem Jahr und einigen Verlegungen, findet der Strafprozess gegen die damals 25 und 28 Jahre alten Fußballer aber schließlich im Mai 2020 am Lemgoer Amtsgericht statt. Auffällig sind die breiten Wellen, die der Fall zieht, das Medieninteresse ist groß. Eine Gewalt-Expertin des DFBs wird hinzugezogen, um ihre Expertise einzubringen. Dabei hat das Gericht an diesem Tag leichtes Spiel: Der Schiedsrichterobmann des Kreises Herford hatte am Tattag alles mit seiner Handykamera aufgenommen. Das Video wird vor Gericht abgespielt, die ehemaligen Spieler des TSV Schötmar räumen ihre Schuld ein.

Urteil sorgt für Diskussionen

Der vorsitzende Richter kommt schließlich zu einem Urteil: Der zur Prozesszeit mittlerweile 29-jährige Haupttäter wird zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Dazu muss er 50 Sozialstunden ablegen und 3.600 Euro bezahlen. Der andere Täter kommt ausschließlich mit einer Geldstrafe von 4.500 Euro davon. Obwohl die Haftstrafe schließlich auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt wird und der ehemalige Hobbysportler so nicht ins Gefängnis muss, sorgt das harte Urteil für viel Aufsehen in der Szene. Die Anwälte der Verurteilten geben vor Gericht zu bedenken, das Urteil sei vom Gefühl her im Vergleich zu anderen Körperverletzungsdelikten überzogen. "Gleichwohl Gewalt weder auf den Fußballplatz, noch auf die Straße gehöre", so einer der Juristen.

Etwas anderer Meinung zeigt sich der Detmolder Kreisvorsitzende Gottfried Dennebier . Er sei ein Freund von harten Strafen: &bdquo;Ich hoffe, dass von diesem Urteil abschreckende Wirkung ausgeht. Die Angriffe auf den Sportplätzen sind in der jüngeren Vergangenheit mehr geworden." Ähnlich sieht das damals auch Udo Schlingmann, Schiedsrichterobmann im FuL-Kreis Detmold. &bdquo;Es wurde mal ein Zeichen gesetzt", sagt er.

Die Meinungen über den gesamten Fall gehen stark auseinander. Aber: &bdquo;Das Urteil ist ein richtiger Kracher", bringt es Lemgos Kreisvorsitzender Werner Fritzensmeier auf den Punkt. &bdquo;Nach dem Urteil vor dem Amtsgericht musste ich zunächst schlucken. Das harte Urteil hat aber auch was. Fast jeden Sonntag kommt es zu irgendwelchen Unsportlichkeiten. Das kann einfach nicht so weitergehen." Ob man sich auf dem Platz so wenig im Griff hat, das werden sich Fußballer im Kreis Lippe nach der Zwangspause für den Amateurfußball wegen der Corona-Pandemie sicher gründlich überlegen.

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