Cocktailrezepte eines Lemgoers: Historiker gewinnt renommierten Buchpreis

Lemgo. Michael C. Bienert sitzt in der entspannten Atmosphäre der Berliner Bar &bdquo;Fabelei“ und genießt seinen Cocktail &bdquo;Manhattan“. Er blättert im Buch &bdquo;Cocktails in Berlin“ (Bebra-Verlag, Berlin), das er geschrieben hat. In Gedanken lässt er Revue passieren, wie es zu diesem Werk kam.

Michael C. Bienert (46) ist gebürtiger Lemgoer. Nach dem Abitur am Rudolph-Brandes-Gymnasium in Bad Salzuflen studierte er Geschichte und Literaturwissenschaften an der Uni Potsdam. Beruflich verschlug es ihn später nach Berlin. Dort ist der promovierte Historiker Vorstand und Geschäftsführer der Stiftung Ernst-Reuter-Archiv und hat Lehrtätigkeiten an der Uni Rostock sowie der TU Berlin inne.

Deutscher Kochbuchpreis in Silber Fast zwangsläufig mündete sein umfassendes Wissen über die Geschichte Berlins, gepaart mit privatem Interesse an der Zubereitung edler Getränke, in ein Buchprojekt. Gemeinsam mit Fotograf Thomas Schleinert darf sich der Wahlberliner jetzt über eine besondere Auszeichnung freuen: In der Kategorie &bdquo;Getränke“ wurde das Werk mit dem &bdquo;Deutschen Kochbuchpreis in Silber 2024“ ausgezeichnet.

Tatsächlich sind auf den 240 Seiten neben vielen stimmungsvollen Fotos wertvolle Informationen zu finden. Michael C. Bienert beschäftigt sich mit der Frage, wie der Cocktail in die Hauptstadt kam, gibt persönliche Empfehlungen für Barbesuche in Berlin und kredenzt ganz zum Schluss Cocktail-Rezepte zum Nachmixen.

Im Zentrum des Buches stehen die Drinks, die zwischen den Jahren 1880 und 1930 gemixt wurden. Aus Sicht des Autors ist es die spannendste Phase der Barkultur. Eine erste Cocktail-Definition stammt aus dem Jahr 1806: Cocktail sei ein anregendes alkoholisches Getränk, gemixt aus Spirituosen jeder Art, Wasser, Zucker und Bitters. Diese Erklärung gelte bis zum heutigen Tag, so Michael C. Bienert.

Cocktail verkörpert Weltoffenheit Schon immer hatte der Cocktail mit Weltoffenheit zu tun: Ende des 17. Jahrhunderts gelangt der Genever aus Holland nach England. Dort wurde er unter Zusatz von Koriander und anderen Pflanzen zum weltbekannten Gin, der neben Rum und Wodka zu den Grundelementen der Cocktails gehört. Jetzt kommen die Kolonien ins Spiel, denn durch den aus Indien stammenden Punsch, Zucker aus der Karibik, Muskatnuss aus Indonesien und Zitronen aus dem Mittelmeerraum verschmolz der &bdquo;Gin Sling“ als Basis mit süßen und bitteren Stoffen, entwickelte einen immer ausgeprägteren Charakter und fand rasch seinen Weg nach Nordamerika. Hier kam nach 1800 die Säure als drittes Geschmackselement hinzu.

Die Cocktails wurden ab dem Jahr 1840 an den &bdquo;Hotspots“ der Einwanderungswellen wie New York oder New Orleans zunehmend verfeinert. Es war die Hoch-Zeit der Saloons und Trinklokale, in denen die Barkeeper die waghalsigsten Kunststücke vollführten, Die besondere Wurf- und Schütteltechnik mit den Mixbechern gilt nach wie vor als Garant für einen besonders gelungenen Cocktail.

Zu dieser Zeit war Berlin noch eine überschaubare Residenzstadt mit 170.000 Einwohnern. 100 Jahre später hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verzehnfacht. Berlin war Hauptstadt des Deutschen Reiches und die industrielle Revolution spülte jedes Jahr 10.000 neue Einwohner an die Ufer der Spree. Unter ihnen viele Menschen aus fremden Ländern, denen Hoteliers und Gastronomen etwas Besonderes bieten wollten. So holten sie die Welt der Cocktails &bdquo;über den großen Teich“ in die Hauptstadt.

Im Jahr 1870 kam die Eismaschine Im Jahr 1870 wurde in Berlin die erste &bdquo;American Bar“ – ein Lokal mit Eismaschine – eröffnet. So konnten auch und gerade im Sommer gekühlte Drinks angeboten werden. Jetzt nahm der Siegeszug der Cocktailbars und Bodegas in Berlin seinen Lauf. Erfahrenes Fachpersonal war plötzlich gefragt. 1925 öffnete die erste Mixschule in Berlin. Übrigens gehörten auch viele Frauen zur Berufsgruppe der Barkeeper.

Laut Michael C. Bienert strahlen gute Cocktail-Bars eine &bdquo;dezente Ruhe und Entspanntheit aus“. Getränke und das geschulte, erfahrene Personal stehen hier im Vordergrund. &bdquo;Die einzige gültige Wahrheit befindet sich im Glas“, erklärt der Cocktail-Experte. Alles Weitere leite sich davon ab. Qualitativ überzeugende Spirituosen und frisch gepresste Fruchtsäfte seien eine Selbstverständlichkeit. Und wenn der Bartender mit dem Eis großzügig umgehe, sei das ein gutes Zeichen. Viele Mixer servieren die Cocktails in gefrorenen Gläsern, füllen nach einer gewissen Standzeit in ein frisches, kühles Glas um und bieten stilles, magenfreundliches Wasser dazu an. Denn das Wasser neutralisiere die Geschmacksknospen und schone den Magen, erklärt Michael C. Bienert.

Auf die Frage nach seinem Lieblings-Cocktail meint Michael C. Bienert, dass es für ihn nicht den &bdquo;einen“ Drink gebe. Denn der Geschmack wechsele ständig und sei nicht zuletzt von der Stimmung und der Tagesform abhängig. Einen festen Platz habe für ihn der &bdquo;Sidecar“, ein klassischer Cocktail aus den frühen 1920er-Jahren. Er ist für den Buchautor Eleganz und Harmonie pur. Das Schöne an der Mischung sei, dass sich die drei Zutaten aufeinander einlassen und etwas Neues, die &bdquo;heilige Dreifaltigkeit im Glas“ ergeben. Gleichzeitig bleiben die Komponenten eigenständig. Trotz der schlichten Zusammensetzung gehöre etwas Erfahrung dazu, den Drink so zu mixen, dass er den persönlichen Geschmack träfe.

Cocktail &bdquo;Sidecar“ Zutaten:4,5 cl Cognac2 cl Triple Sec (Likör mit Orangengeschmack)2 cl Zitronensaft

Die Zutaten im Shaker mit Eis schütteln. Über einen Siebeinsatz im Shaker in ein Cocktailglas doppelt abseihen. Michael C. Bienert empfiehlt, den &bdquo;Sidecar“ auch mit unterschiedlichen Brandys oder Cognacs zu testen. Um dem Drink etwas die Säure zu nehmen, kann der Zitronensaft leicht reduziert werden.

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