Muhammad (6) aus Lemgo leidet an Epilepsie - Sein Wunsch: einmal im Polizeiauto mitfahren

Lemgo. Für den sechsjährigen Muhammad Minkailov ist ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen: Er durfte die Polizeiwache in Lemgo besuchen und bei einer Fahrt im Polizeiauto dabei sein. Der Verein &bdquo;Wünsch dir was“ aus Köln hatte den Besuch möglich gemacht. Er erfüllt schwer und chronisch kranken Kindern und Jugendlichen ihre Herzenswünsche, um ihnen Zuversicht zu schenken. Denn Muhammad hat Epilepsie und gerade eine große Operation am Gehirn hinter sich. Da kam der Tag bei den Beamten genau richtig.

&bdquo;Ich durfte gucken, was da ist, zum Beispiel die Zelle im Keller und die Kamerakontrolle am Eingang. Ich bin im Auto mitgefahren und wir haben die Sirene getestet. Das war laut, aber richtig cool“, sagt Muhammad und strahlt. &bdquo;Er hat den Leuten aus dem Auto heraus gewunken und sich gefreut“, sagt seine Mutter Madina Minkailov, die dabei war.

Außerdem habe der Sechsjährige mit Polizeihauptkommissar Jan Batzer Fingerabdrücke genommen und einen Polizeiausweis bekommen. &bdquo;Es war uns eine Freude, den Jungen kennenzulernen. Mit seiner Tapferkeit im Umgang mit seiner Krankheit ist er ein echtes Vorbild“, heißt es von der Polizei. Ein aufregender Tag für den Lemgoer, der es nicht immer leicht hat.

Der erste Anfall Die Familie kommt aus Tschetschenien, wohnt seit neun Jahren in Deutschland. Muhammad ist das jüngste von drei Kindern. Im Alter von fünf Jahren erlebte der Kleine seinen ersten epileptischen Anfall. Das war am 11. Dezember 2023, weiß seine Mutter noch ganz genau. &bdquo;Es zog sich alles nach rechts, der Körper, auch der Mund und die Augen. Wir wussten nicht, was los war.“

Nach der Attacke musste sich Muhammad zahlreichen Untersuchungen unterziehen, verbrachte eine Woche im Krankenhaus - bis die Diagnose Epilepsie feststand. Für die Familie komplettes Neuland. &bdquo;Bei uns hatte bislang niemand Epilepsie. Als Muhammad krank wurde, hat sich unser Leben um 180 Grad gedreht“, sagt Madina Minkailov, die sich zu dem Zeitpunkt gerade in einer Ausbildung zur Bäckerin befand. Darum steckte ihr Mann Hanpascha Minkailov, der als Kabelmonteur arbeitet, für die 32-Jährige und den Jungen zurück. Denn auf Muhammad muss nun ständig jemand ein Auge haben - auch beim Gang zur Toilette, damit er sich nicht bei Krampfanfällen verletzt.

Nebenwirkungen durch Medikamente Zunächst probierten die Ärzte verschiedene Tabletten aus. Bis die richtigen gefunden wurden, hatte Muhammad alle zwei Stunden epileptische Anfälle, zwölf bis 13 Mal an einem Tag. Im Januar 2024 bekam er einen Termin im Epilepsie-Zentrum in Bielefeld-Bethel. Dort wurden abermals Tests gemacht und genau geschaut, wo der Auslöser für die Attacken sitzt. Durch die passenden Medikamente habe Muhammad in den folgenden neun Monaten lediglich einen Anfall gehabt.

Eine große Erleichterung, was ihm auch den Besuch der Grundschule ermöglicht. Im vergangenen Jahr wurde der Erstklässler an der Grundschule West in Lieme eingeschult. &bdquo;Trotzdem hatte er bereits Anfälle in der Schule, aber die Lehrer wissen Bescheid“, sagt seine Mutter. Doch die Tabletten haben auch Nebenwirkungen: Sie erschweren dem Jungen die Konzentration. Hausaufgaben bedeuten für den Sechsjährigen daher oft Stress und dieser kann neue Anfälle provozieren.

Die große Operation Im April dieses Jahres wurde dann ein Langzeit-EEG bei Muhammad gemacht. Dabei handelt es sich um eine medizinische Untersuchung, bei der die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen und aufgezeichnet wird. Das Ergebnis habe gezeigt, dass dem Lemgoer langfristig nur eine Operation helfen könne. &bdquo;Der Arzt hat gesagt, es gibt keine Garantie, aber eine 75-prozentige Chance, dass er dadurch geheilt wird“, sagt Madina Minkailov.

Diese war Mitte Juni. Davor mussten die Medikamente abgesetzt werden. Seinen bislang letzten epileptischen Anfall habe Muhammad daher am 11. Juni gehabt. Während der Operation sei ihm ein 2,5 Zentimeter großes Stück Gehirn entfernt worden. Davon zeugt eine große Narbe, die in zwei Linien quer über den Kopf verläuft. Der tapfere Junge versteckt sie unter einer Basecap in Blau, seiner Lieblingsfarbe. Schmerzen habe er nicht, aber mittlerweile jucke die Narbe ab und an.

Die Überraschung Als der Sechsjährige im Klinikum Bethel war, kam der Verein &bdquo;Wünsch dir was“ auf die Familie zu. So entstand der Kontakt zur Polizei. &bdquo;Muhammad wurde am 23. Juni entlassen und am 25. Juni war der Besuch auf der Wache - eine Überraschung für ihn“, berichtet Madina Minkailov, die sich noch einmal bei den Polizisten, dem Verein und den Ärzten bedanken möchte.

Doch der Junge muss weiter durchhalten: Er darf sechs Wochen nicht ins Schwimmbad - und das bei den sommerlichen Temperaturen der vergangenen Tage. Außerdem darf er ein halbes Jahr nicht Fußball spielen, obwohl er Mitglied im Verein ist und den Sport liebt. Erst danach geht es erneut zur Untersuchung. Dabei wird überprüft, ob alles gut verheilt ist und der Kopf wieder belastbar. Und später, da ist sich Muhammad sicher, möchte er Polizist werden.

Epilepsie Bei einer Epilepsie sind laut Bundesgesundheitsministerium einzelne Hirnbereiche oder das gesamte Gehirn übermäßig aktiv. Es werden zu viele Signale abgegeben, was die sogenannten epileptischen Anfälle auslösen kann. Manchmal zucken dann nur einzelne Muskeln – es kann aber auch der gesamte Körper bis zur Bewusstlosigkeit krampfen. Laut Statistiken komme dies bei knapp einem von 100 Menschen vor.

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