Wie eine Leopoldshöherin per Flaschenpost Freundschaft schließt

Leopoldshöhe. Es war ein gewöhnlicher Freitagmorgen, der 31. Mai 2024, als Nadine Zahn aus Leopoldshöhe eine E-Mail mit dem Betreff &bdquo;Flaschenpost“ in ihrem Postfach entdeckte. Zuerst hielt die heute 47-Jährige die Nachricht für Spam. Doch sie öffnete die Mail und staunte. Eine Antwort auf ihre eigene Flaschenpost, die sie wenige Wochen zuvor in Dänemark ins Meer geworfen hatte. Was daraus folgte, war eine überraschende und mittlerweile tiefe Freundschaft mit einer Schulklasse aus dem dänischen Svendborg.

Zu ihrem 40. Geburtstag hatte sich die in Bechterdissen aufgewachsene Frau einen lang gehegten Traum erfüllt: den eigenen Segelschein. Alles begann mit einem Infoabend in Bielefeld, gefolgt von ersten Schnupperstunden auf dem Lippesee in Paderborn. Seit 2019 ist sie mindestens einmal im Jahr eine Woche lang auf der Ostsee unterwegs. So auch Anfang Mai vergangenen Jahres.

Gemeinsam mit einer kleinen Crew segelte sie rund um die dänische Insel Fünen, Start- und Zielhafen war Kerteminde. Am 8. Mai legten sie mitten auf dem Wasser, zwischen Lyø und Svendborg vor der Insel Skarø, eine stille Pause ein – zum Gedenken an ihren Bielefelder Segelausbilder, der sie mit seiner Begeisterung fürs Segeln angesteckt hatte und im Dezember 2024 viel zu früh verstorben war. &bdquo;Ich hatte weiße Rosenblüten mitgebracht. Wir ließen sie sanft ins Meer fallen“, sagt Zahn im Gespräch mit dieser Zeitung. Danach warf sie eine Flaschenpost ins Wasser.

&bdquo;Kaum zu glauben“

Nur 23 Tage später wurde die Flasche von einem jungen dänischen Mädchen namens Sia am Ufer von Øreodden im Svendborgsund gefunden. &bdquo;Kaum zu glauben“, dachte Zahn. Trotz Fährverkehr und schmaler Fahrrinne hatte die Glasflasche ihre Reise unversehrt überstanden. Doch das war erst der Anfang einer besonderen Geschichte, die schließlich in einer tiefen Freundschaft mündete.

Die damalige Drittklässlerin Sia brachte die Flasche ihrer Deutschlehrerin Anja an der Ida-Holsts-Privatschule in Svendborg. Und wenig später erhielt Zahn eine liebevolle Nachricht – auf Deutsch. Die Klasse – damals in der dritten und heute in der fünften Jahrgangsstufe, beschrieb sie als neugierig, warmherzig und voller Begeisterung. In ihrer Rückmeldung luden sie Zahn spontan ein, sie zu besuchen, sobald sie wieder in der Nähe sei. Seitdem stehen sie in Kontakt – mittlerweile anderthalb Jahre.

Anfangs kommunizierte Zahn mit der Lehrerin per E-Mail, später über Instagram, wo sie bis heute regelmäßig Fotos und Videos austauschen. Hin und wieder überraschen sie sich gegenseitig mit kleinen Geschenken. Zu Weihnachten erhielt die in der Medienbranche tätige Seglerin liebevoll gestaltete Briefe, zu Ostern schickten die Kinder dänische Gækkebreve – kleine gereimte Rätselbriefe, bei denen sie erraten musste, von welchem Kind sie stammen. &bdquo;Ein herrlicher Brauch“, so Zahn.

Im Mai dieses Jahres war sie erneut auf Segeltour, diesmal von Kopenhagen nach Heiligenhafen. Am 1. September war es dann so weit: Zahn traf die Schulklasse endlich persönlich. &bdquo;Der Empfang war überwältigend“, berichtet sie. Die Kinder warteten vor der Schule, hielten dänische Flaggen in den Händen und riefen ihren Namen. Sie setzte sich mit den Kindern auf die Treppe vor dem Haupteingang, wo sonst die Klassenfotos entstehen, um den Moment im Bild festzuhalten.

&bdquo;Ich war sprachlos“

Bevor sie das Klassenzimmer betrat, bildeten die Kinder ein Spalier. Zahn ging hindurch – und jeder Einzelne stellte sich ihr auf Deutsch vor. &bdquo;Ich war sprachlos“, erinnert sie sich. Anschließend führten die Kinder sie durch ihre Schule. Stolz erklärten sie ihr auf Englisch die verschiedenen Räume und berichteten vom Schulalltag. Selbst die Schulleitung ließ es sich nicht nehmen, die 47-Jährige persönlich zu begrüßen. Gemeinsam spazierten sie anschließend zum Hafen und genossen eine kleine Mittagspause mit Picknick.

Was eigentlich in ihrer Flaschenpost gestanden hatte, wollte Zahn im Gespräch mit dieser Zeitung nicht verraten. &bdquo;Nur die Lehrerin und ich kennen den textlichen Inhalt“, sagt sie schmunzelnd. Sie sei jedoch froh gewesen, dass sie im letzten Moment noch ihre E-Mail-Adresse in die Flasche gelegt hatte, bevor diese – nach Zahns Schätzung – zehn bis zwölf Kilometer beziehungsweise fünf bis sechs Seemeilen getrieben war. Der kleinen Finderin überreichte Zahn ein Geschenk: einen kleinen Segelboot-Anhänger, angefertigt von einer befreundeten Goldschmiedin. Und wenn Zahn eines Tages ein eigenes Segelboot kaufe, soll es &bdquo;Sia“ heißen. Das habe sie ihr versprochen.

Für die 47-Jährige ist es eine ganz besondere Geschichte, die mit einem Abschied begann und in etwas Wunderschönem mündete. Sie wisse zwar noch nicht, ob und wie sich ihre Wege weiter kreuzen werden, ist sich aber sicher, dass noch viele Briefe, Fotos, Videos und vielleicht sogar weitere Besuche folgen. Denn eines sei klar: &bdquo;Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde. Tusind tak“, sagt Zahn, was auf Dänisch so viel heißt wie &bdquo;tausend Dank“.

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