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Lügdes größte Katastrophe

Vor 70 Jahren brechen Teile der Stadtmauer unter dem Druck der Wassermassen ein.

Manfred Brinkmeier

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- © Dieter Stumpe
Hochwasser (© Dieter Stumpe)

Lügde. Eine ganze Stadt steht unter Wasser. Mehr als 200 Stück Großvieh liegen tot in den Ställen beziehungsweise auf den Straßen. Hinzu kommt eine Vielzahl an Schweinen und Kleinvieh. So sah es vor 70 Jahren nach der Hochwasserkatastrophe in der Osterräderstadt aus.

Dieter Stumpe hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, schließlich hat er Zeit seines Lebens selber immer wieder Hochwasser erleben müssen. 1954 ist er zusammen mit einem Nachbarskind sogar mit einem kleinen Kahn auf der Vorderen Straße unterwegs gewesen. Aber all das ist nicht mal im Ansatz mit den Ereignissen vor 70 Jahren vergleichbar, zu denen es Aufzeichnungen seines Vaters Eduard Stumpe gibt. Ausgangspunkt war demnach ein sehr frost- und schneereicher Winter. Anfang Februar 1946 setzte dann Tauwetter ein.

Bild 3 - © Dieter Stumpe
Bild 3 (© Dieter Stumpe)

Innerhalb weniger Tage ließ die Schneeschmelze alle Bäche und Nebenflüsse der Emmer über die Ufer treten, so dass weite Flächen überschwemmt wurden. Dann kam plötzlich starker Regen hinzu. Dadurch drangen am Mühlenhoftor große Wassermassen in die Stadt ein. Als auch noch Wasser von Süden her – auf Höhe des Gasthauses Spilker über den alten Wall in die Kleine Emmer floss, war die Altstadt plötzlich wie eine Insel vom Hochwasser eingeschlossen.

Eduard Stumpe: „Schließlich brachen unter dem Druck der Wassermassen Teile der Stadtmauer in der Nähe des Wichernhauses ein. Das Wasser ergoss sich nun ungehindert in die Stadt. Innerhalb einer halben Stunde war die gesamte Innenstadt stellenweise 1,70 bis 2,40 Meter hoch in eine einzige Wasserflut getaucht.“

Unbeschreibliche Szenen hätten sich vor allem in den landwirtschaftlich genutzten Häusern abgespielt. Das meist angekettete Vieh habe in den Ställen in Todesangst gebrüllt – und das bei mittlerweile völliger Dunkelheit.

Das Geschehen hat Irene Weidauer, geborene Wiesemeyer, als Sechsjährige erlebt. Sie erinnert sich, dass es schon dämmerte, als plötzlich ein Wasserfall die Stufen hinunter ins Haus Brückenstraße 10 geschossen sei. Sogar aus den Mauselöchern sei Wasser hervorgequollen. Beim Blick auf die Straße habe sie dort einen reißenden Strom gesehen. „Es war ein schauriges Szenario.“

Nachts fiel der Wasserstand langsam. Am anderen Morgen habe die gelbe Brühe aber immer noch 70 bis 80 Zentimeter hoch in den Straßen gestanden, sagt die Lügderin. Im Haus habe eine dicke Schlammschicht die Möbel überzogen. Noch Jahre später seien Lehmspuren zu finden gewesen.

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