Als in Oerlinghausen die Erde bebte

Oerlinghausen. Erdbeben zählen in Oerlinghausen und Umgebung wohl nicht zu den unmittelbaren Bedrohungen. Und doch hat es in der Vergangenheit immer wieder durchaus kräftige Erdstöße gegeben, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzt haben. Der Historiker Jürgen Hartmann hat zu Erdbeben in der Region recherchiert und Daten und Dokumente zu erstaunlich kräftige Beben gefunden. In einem Blog des Archäologischen Freilichtmuseums beschreibt er, wie früher die Erde wackelte.

Der 18. Februar 1756 war so ein Tag, ein &bdquo;schreckenvolles Erdbeben“ habe sich in Oerlinghausen ereignet, meldete der Amtmann zur gräflichen Regierung nach Detmold. &bdquo;Der Colon (Mieter einer Hofstätte) Lüking welcher das Morgenbrot [habe] essen wollen, [habe] mit äußersten Schrecken gesehen , dass sich der Tisch, welcher an der Wand fest ist, dergestalt beweget, dass er die Schüssel, worin das Essen war, ergreifen musste“, zitiert Hartmann die historische Situationsbeschreibung.

Panik unter den Menschen Lükings Frau, die neben ihm saß, habe befürchtet, &bdquo;dass er ihr auf den Leib gefallen.“ Der in der Stube stehende Webstuhl habe sich ebenfalls bewegt. Das ganze Haus habe geschwankt. Eine andere Oerlinghauser Frau berichtete Ähnliches. &bdquo;Die Bettstätte sei wie eine Wiege hin und her gegangen.“

Im benachbarten Asemissen traf es ebenfalls mehrere Einwohner beim Frühstück. Die Stühle hätten sich so stark bewegt, dass die auf ihnen sitzenden &bdquo;zur Erde niedergefallen und gebetet haben.“

Hartmann: &bdquo;In ganz Lippe war das Beben ab etwa 8 Uhr morgens zu spüren. In Lemgo nahmen Besucher des Morgengottesdienstes in der Neustädter Kirche um diese Zeit Erschütterungen wahr und beobachteten, wie der Kronleuchter plötzlich bedrohlich pendelte. In ihrem Schrecken stürmten die meisten Menschen panisch aus dem Gotteshaus und eilten Psalmen singend zu ihren Häusern. In Heiligenkirchen läuteten die Glocken der Kirche wie von Geisterhand und blieben angeblich fünf Minuten in Bewegung.“ Dann war der Spuk vorbei.

Worauf das Erdbeben zurückzuführen war, wusste man damals noch nicht. &bdquo;Ein jeder war überzeugt, dass der allmächtige Gott durch dieses Erdbeben den Erdenbürgern seinen Zorn für ungebührliches Verhalten zu erkennen geben wollte. Man deutete das Ereignis folglich als Strafgericht des Himmels“, heißt es. Dementsprechend wurden allerorten Buß- und Betgottesdienste angeordnet.

Wie man heute weiß, lag das Epizentrum des Bebens im Februar 1756 in Düren in der Kölner Bucht. Hier zieht sich ein unterirdischer europäischer Zentralgraben hindurch, wobei Spannungen in der Erdkruste immer wieder zu Erdbeben führen.

Die Schäden dort waren erheblich größer: &bdquo;In Düren gab es zwei Tote; viele Gebäude wurden schwer beschädigt oder zerstört. Teile der Stadtmauern von Düren und Bad Münstereifel stürzten ein oder wurden schwer beschädigt“, heißt es bei Wikipedia. Jürgen Hartmann schätzt, dass die Menschen in der Gegend in und um Oerlinghausen auch von den schrecklichen Erdbeben in Lissabon kurz vorher gehört hatten.

Dort hatte am 1. November 1755 ein schweres Beben mit einem begleitenden Tsunami die portugiesische Hauptstadt fast vollständig zerstört.

Erdbeben mit Epizentrum in Lippe Eineinhalb Jahrhunderte zuvor, im Jahre 1612, gab es allerdings ein Erdbeben, dessen Epizentrum mitten in der Region, offenbar in der Nähe von Leopoldshöhe lag. Der Blomberger Pfarrer Johannes Piderit habe in seiner 1627 erschienenen Lippischen Chronik geschrieben, recherchierte Jürgen Hartmann, dass am 9. November 1612 ein schweres Erdbeben in Provinz verzeichnet wurde. &bdquo;Und fühleten dieselbige die Stadt Lemgaw [Lemgo] / Herfurdt [Herford] / Bielfeldt [Bielefeld]. also starck / daß sich die Glocken auff den Thürnen / so wol auch die Fenster und Thüren in den Angeln hören liessen.“

Leichtere Beben hat es im Süden Oerlinghausens auch nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Und zwar menschengemachte Erderschütterungen. Immer wieder spürten Oerlinghauser, die am Triftweg, am Wehrenteich oder an der Bleiche wohnten, so starke Beben, dass sogar die Tassen in den Schränken klapperten und sich kleine Risse in Hausfundamenten zeigten.

Wie später bekannt wurde, bekam sogar das Betonbecken des alten Oerlinghauser Freibades diverse Risse und kleine Spalten. Verursacher dieser Erschütterungen waren Sprengungen des Kalkwerks, das von der Familie Foerth betrieben wurde. Durch die Sprengungen und den Abbau des Kalkgesteins am Barkhauser Berg begann sich die Landschaft deutlich zu verändern, denn in den Aufbaujahren der Nachkriegszeit brauchte man Kalk, Zement und Steine ohne Ende.

Und immer größere Teile des Barkhauser Berges wanderten in die Brennöfen oder wurden zu Schotter gemahlen. Doch in den 1990er Jahren wurde das Ende des Kalkabbaus eingeläutet. Seit längerem schon hat der Naturschutzbund das Gelände übernommen, und die Natur kehrt zurück in die menschengemachte Kraterlandschaft.

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