Detmold. Nach der Entschuldigung und der Verlesung der 22 Seiten starken persönlichen Erklärung des ehemaligen SS-Wachmanns Reinhold Hanning aus Lage wird heute das Detmolder Landgericht mit Nachfragen zu den beiden Äußerungen beschäftigen. Der 94-Jährige muss sich wegen Beihilfe zum Mord zwischen Januar 1943 und Juni 1944 verantworten. Im Mittelpunkt steht die sogenannte Ungarn-Aktion, bei der zwischen Mai und Juli 1944 Hunderttausende Juden ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und fast alle umgebracht wurden. Insgesamt wurden von den Nazis in dem Lager mehr als eine Million Menschen getötet, vor allem Juden. Hannings Anwälte, Johannes Salmen aus Lage und Andreas Scharmer, hatten am letzten Verhandlungstag keine Fragen zu den Erklärungen mehr zugelassen, weil die auf zwei Prozessstunden wegen des Gesundheitszustandes des hochbetagten Angeklagten erreicht war. Die Rechtsanwälte baten darum, dass das Gericht, die Staatsanwalthaft und auch die Vertreter der Nebenkläger ihre Nachfragen schriftlich per E-Mail einreichen sollten. Ob Reinhold Hanning sich selbst noch einmal vor der Schwurgerichtskammer äußern wird, ist offen. Auf jeden Fall werden sich die beiden Verteidiger zu den eingereichten Fragen äußern. Gar nicht einverstanden mit der abgegeben Erklärung des Angeklagten war Rechtsanwalt Thomas Walther, der zahlreiche Nebenkläger zusammen mit Cornelius Nestler und Manuel Mayer in diesem Prozess vertritt. „Wir hätten gern gewusst, ob er gesehen hat, wie Menschen aus der Gaskammer herausgetragen wurden", sagte Walther.Seine Mandanten hätten konkrete Fragen zur Tätigkeit von Reinhold Hanning im Konzentrationslager Auschwitz, die mit der verlesenen Erklärung noch nicht beantwortet wurden. Zudem wird sich das Gericht unter Vorsitz von Anke Grudda mit mehreren noch offenen Beweisanträgen beschäftigen. Ob es wirklich am 27. Mai zu einem Urteil kommt, ist noch völlig offen, erklärte Mathias Kapitza als Sprecher des Landgerichts. Medienberichte, nach denen auch der Holocaust-Überlebende Joshua Kaufman aus Los Angeles, inzwischen 88 Jahre alt, als Zeuge aussagen soll, konnte das Landgericht nicht bestätigen. Kaufman kam damals aus dem Ghetto von Debrecen (Ungarn) in die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau.