„Lippe ist auch meine Heimat“

Kreis Lippe. Sie kann nicht verreisen, kein Konto eröffnen und auch nicht heiraten – Nesrin Elais existiert auf dem Papier nicht. &bdquo;Alles, wofür man in Deutschland einen Ausweis oder Pass benötigt, ist für mich tabu", sagt die 21-Jährige, die 1998 als Kind syrischer Flüchtlinge in Detmold auf die Welt gekommen ist.

Statt eines Ausweises führt sie immer ein DIN-A4-Blatt mit sich, das ihren zwölfmonatigen Aufenthalt bescheinigt. &bdquo;Mehr kriege ich nicht. Das Papier wird jedes Jahr neu ausgestellt und kostet mich immer 100 Euro."

Nesrin Elais ist die jüngste von sieben Geschwistern . &bdquo;Alle anderen haben teilweise eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nur ich nicht, obwohl ich als einzige in Deutschland geboren bin", sagt sie. Ihre Eltern seien 1996 wegen politischer Verfolgung aus den syrischen Kurdengebieten nach Deutschland geflohen. Ihr Asylantrag habe immer wieder auf der Kippe gestanden – bis sie 2007 anerkannt worden seien. &bdquo;Alle meine Geschwister waren auf dem syrischen Familienregisterauszug eingetragen. Ich fehlte, da ich nach der Flucht meiner Eltern auf die Welt kam." Ihr Vater und ihre Mutter hätten immer wieder über die syrische Botschaft in Berlin versucht, sie ins Familienregister aufnehmen zu lassen, doch ohne Erfolg. &bdquo;Ich wurde einfach nicht registriert. Und meine Eltern haben es auch schleifen lassen, weil sie sich selber große Sorgen wegen einer möglichen Abschiebung gemacht haben", sagt die junge Frau.

Mit der Volljährigkeit und dem Fachabitur in der Tasche habe sie sich selbst um ihre Registrierung gekümmert und sei nach Berlin zur syrischen Botschaft gefahren. Doch da habe man auch nur mit den Schultern gezuckt. &bdquo;Die Botschaftsmitarbeiter haben mich wie eine Aussätzige behandelt und meinten, dass ich diese Frage nur in Syrien klären kann", erinnert sich die Horn-Bad Meinbergerin. Doch in der Heimat ihrer Eltern herrsche Krieg – zudem könne sie gar nicht ausreisen, weil sie keinen Pass habe.

Die zuständige Kreis-Ausländerbehörde verweigere ihr einen anderen Aufenthaltsstatus und poche auf die Passpflicht. &bdquo;Ich werde für den Fehler meiner Eltern bestraft. Meine Heimat ist Deutschland, ich habe mit Syrien gar nichts mehr zu tun", sagt sie mit Tränen in den Augen. Nach dem Gesetz gelte sie als staatenlos, &bdquo;aber ich bin eine Deutsche, Lippe ist auch meine Heimat, und ich gehöre hierher."

Sie wolle Teil dieser Gesellschaft sein, sie habe unter widrigen Verhältnissen und auch gegen familiäre Widerstände ihr Abitur gemacht, habe sich nichts zuschulden kommen lassen. &bdquo;Ich lebe in einem freien Gefängnis, weil ich nichts machen kann. Es ist sehr erniedrigend, wenn ich überall unverschuldet auf Ablehnung stoße." Sie bekomme auch keinen Ausbildungsplatz, weil sie nur einen zwölfmonatigen Aufenthalt zusagen könne – und niemand stelle eine Auszubildende für ein Jahr ein.

Ihren Traumberuf als Polizistin hat Nesrin Elais immer noch nicht aufgegeben. &bdquo;Derzeit arbeite ich im Büro und am Kiosk in einem Freibad, um mein eigenes Geld zu verdienen." Sie wolle keine Almosen vom Staat, sondern es alleine schaffen.

In Deutschland gilt die Passpflicht Auf LZ-Anfrage bestätigt die Kreisausländerbehörde den Fall Nesrin Elais. &bdquo;In Deutschland existiert nun mal eine Passpflicht", sagt Leiterin Ilka Cohrs. Gesetze und Vorschriften müssten eingehalten werden, sonst bräuchte man sie nicht. Die Eltern der jungen Frau hätten es in den vergangenen Jahren versäumt, das Kind ins syrische Familienregister eintragen zu lassen. &bdquo;Es liegt ein klares Verschulden der Eltern in diesem Fall vor", betont Cohrs. Bei persönlichen Vorsprachen im Ausländeramt würden Betroffene darüber informiert und aufgefordert, den Kontakt zu den jeweils zuständigen Stellen zu suchen.

Denn mit Volljährigkeit sei eine Registrierung nur noch persönlich in Syrien möglich, anstatt bis zum 18. Lebensjahr in der syrischen Botschaft in Deutschland. &bdquo;Aufgrund der Situation in Syrien verpflichtet die Ausländerbehörde keine Personen, zur Nachregistrierung und Passbeschaffung nach Syrien zu reisen." Vielmehr werde ein Aufenthaltstitel als Ausweisersatz ausgestellt, womit die Passpflicht nach deutschem Recht erfüllt sei. Wenn ein Arbeitgeber aufgrund dieses Aufenthaltstitels die Ausbildung verweigere oder Bedenken habe, sei sie gerne zu einem Vermittlungsgespräch bereit, um die Situation von Nesrin Elais zu erläutern.

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