Lage. Ahmad ist allein in einem fremden Land. Er kennt weder die Sprache noch die Kultur. Da spricht ihn und seine Freunde auf der Straße eine Frau an, lädt sie zum Kaffee ein, stellt ihnen ihren Freundeskreis vor. So lernt Ahmad Ingrid und Ferdinand Schmedding kennen – sie geben ihm eine Wohnung, unterstützen ihn und vor allem: sie sind ihm eine zweite Familie.
Für den syrischen Flüchtling Ahmad Alkawarit ist diese fast schon märchenhaft anmutende Geschichte Realität geworden. Im November 2015 ist er nach Lage gekommen – seine Frau und Familie musste er in Jordanien zurücklassen. Als das Ehepaar Schmedding den 29-Jährigen kennenlernt, waren sich alle drei auf Anhieb sympathisch. Und so habe die Briefmarkensammlung weichen müssen und Ahmad die Wohnung im Obergeschoss des geräumigen Eigenheims bezogen, erinnert sich Ferdinand Schmedding schmunzelnd. Heute wird jeden Tag gemeinsam zu Mittag gegessen, und kleine Neckereien sind an der Tagesordnung. „Die beiden sind für mich eine zweite Familie geworden", sagt Ahmad dankbar.
Der 29-Jährige möchte seinen Master machen
Ingrid Schmedding habe anfangs täglich Deutsch mit ihrem Schützling geübt und ihm die deutsche Kultur erklärt: „Vor allem, dass Respekt hier groß geschrieben wird." Viele Kleinigkeiten habe sich Ahmad zu Beginn kaum vorstellen können: „In Syrien gibt es keine Hunde im Haus. Müll wird nicht getrennt – und Frauen könnten niemals Traktor oder Bus fahren", erklärt er. Zusammen mit Ferdinand Schmedding lernt Ahmad die nähere Umgebung kennen: ob es zum Einkaufen in den Baumarkt oder zum TÜV geht – ein kleines Heftchen hat der Syrer immer dabei, um sich unbekannte Vokabeln aufzuschreiben. „Er ist extrem fleißig und intelligent – und auch im Haushalt oder bei der Gartenarbeit packt er jederzeit gerne mit an", freut sich seine 62-jährige „Zweitmutter" über Ahmads Hilfsbereitschaft.
Täglich arbeite er außerdem den Wirtschaftsteil der Zeitung auf neue Vokabeln durch. Denn Ahmad hat ein Ziel vor Augen: Er möchte in Deutschland seinen Master in Wirtschaftswissenschaften machen. „Am liebsten würde ich parallel dazu arbeiten und endlich eigenes Geld verdienen", verrät der Syrer, der seine Frau und Familie nach Deutschland holen und sich hier eine Zukunft aufbauen will.