Kreis Lippe. Es soll ganz fix gehen: Bereits ab dem 1. Februar sollen Lippes Berufskollegs unter dem Motto „Fit für mehr" (FFM) Klassen für Flüchtlinge im Alter von 18 bis 25 Jahren einrichten. Allerdings tappen Schulleiter und andere Verantwortliche noch im Dunkeln in Bezug auf die Details.
Mit Flüchtlingen haben die Berufskollegs Erfahrung: Derzeit besuchen in ganz Lippe etwa 350 Geflüchtete im Alter zwischen 16 und 18 Jahren die Internationalen Klassen. Allein am Felix-Fechenbach-Berufskolleg sind es etwa 120 in insgesamt acht Klassen. „Als wir vor etwa eineinhalb Jahren damit angefangen haben, wussten wir ja nicht, was auf uns zukommt", sagt Schulleiter Horst Klüter. „Schule macht eine Menge möglich."
Das kann Klaus Kuhlmann vom Eigenbetrieb Schule des Kreises Lippe als Schulträger nur bestätigen: „Die Berufskollegs sind sicher die dynamischsten Bildungseinrichtungen überhaupt." Flexibel zu reagieren, seien Leitung und Lehrerteam gewöhnt, und das hätten sie auch bei der Einrichtung der Internationalen Klassen bewiesen. „Das war nur dank des großen Engagements der Berufsschulen möglich."
Er hält die Entscheidung des Ministeriums, nun auch Klassen für die Altersgruppe der 18 bis 25-Jährigen dort einzurichten, für richtig. „Als Schulträger wissen wir, dass der beste und schnellste Weg zur Integration über die Sprachförderung und die berufliche Förderung führt." So sieht es auch Schulleiter Horst Klüter, dem es vor allem um die praktische Bildung geht. Praxisnähe erhöhe die Chancen zur Integration deutlich, sagt er.
In den bestehenden Internationalen Klassen haben die Lehrer es mit einer großen Bandbreite zu tun: Einige der Schüler sprechen lediglich kein Deutsch, andere können auch in ihrer Muttersprache weder lesen noch schreiben. Das ist vor allem im zweiten Fall nicht mal eben in zwei Jahren aufzuholen; nicht jeder 18-Jährige ist dann soweit, dass er in die Regelklasse wechseln könnte – hier könnte das FFM-Programm weiterhelfen.
Noch weiß niemand, wie viele Klassen überhaupt benötigt werden. „Man darf nicht vergessen, dass diese Maßnahme allen anderen nachgeordnet ist", sagt dazu Sabine Beine vom Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Lippe. „Wir müssen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter sehr genau schauen, wer in welche Maßnahme passt."
Henning Matthes, Leiter des Jobcenters, findet es grundsätzlich gut, dass die Grundbildung der jungen Erwachsenen gefördert werden soll. „Allerdings würde ich einen größeren Schwerpunkt auf der Sprachförderung wünschen." Doch darüber, wie dies vonstatten gehen soll, rätselt man in Jobcenter und Kreishaus ebenso wie in den Schulverwaltungen, auch wenn die Zeit drängt. Joachim Bödeker von der Bezirksregierung weiß zumindest eins: „Es ist erklärter Wille des Ministeriums, erst mal mit Bordmitteln und möglichst schnell zu starten."
Zusätzliche Lehrerstellen müssten ausgeschrieben werden. Bödeker hofft, den Leitern der 31 Berufsschulen im Regierungsbezirk Infos bei der Dienstbesprechung am 23. Januar geben zu können Das Ministerium hat gestern keine Stellungnahme abgeben.
Kommentar: Integration braucht Zeit
von Marianne Schwarzer
Wenn es in Deutschland nicht gelingt, die Flüchtlinge so schnell wie möglich in unsere Gesellschaft und unser Wertesystem zu integrieren, dann werden die Probleme wachsen. Das „Fit für mehr"-Programm kann möglicherweise Integration fördern. Ob es so ist, lässt sich aber erst beurteilen, wenn die Details bekannt sind und die Mittel bereitstehen. Bis dahin profiliert sich die Bildungsministerin einmal mehr auf Kosten der Schulen.
Mitte Dezember vergangenen Jahres hat das Ministerium sich in seinem Integrationsbericht mit dem neuen Bildungsprogramm gebrüstet. Doch bis zum heutigen Tag wissen die Beteiligten im Kreis Lippe nicht mehr – auch die gestrige Information in Düsseldorf hat offensichtlich nicht für wesentlich mehr Aufklärung bei den Verantwortlichen gesorgt. Dennoch soll das Programm in zwei Wochen starten. Wie soll das gehen? – Die Internationalen Klassen haben die Berufskollegs in Lippe fix auf die Beine gestellt und dabei Flexibilität bewiesen.
Jetzt sollen sie noch eine Schüppe drauflegen, ohne die entsprechenden räumliche und personellen Ressourcen zu haben – oder überhaupt erst einmal den Bedarf zu kennen. Mit Bordmitteln zu arbeiten, heißt: An anderer Stelle knapsen. Auch das kann nicht im Interesse der Berufskollegs sein. All das kann niemanden motivieren, sich ins Zeug zu legen. Aber gerade von engagierten Lehrern hängt eine Menge ab, wenn es um die Integration geht. Und die braucht vor allem eins: Zeit.