Bielefeld / Lübbecke / Hüllhorst. Ein Kriminalbeamter, der in den ersten fünf Monaten den Vermisstenfall Karl Friedrich Meyer aus Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbecke) betreute, ist vor dem Landgericht Bielefeld in Verlegenheit geraten. Auf Nachfrage eines Anwalts räumte der Kommissar ein, dass er bis Ende März 2013 keine Verdachtsmomente gegen Meyers Lebensgefährtin Christiane R. erkennen konnte. Zu diesem Zeitpunkt fehlte schon nahezu das gesamte Inventar aus dem Eigenheim des Hüllhorster Physiotherapeuten.
Karl Friedrich Meyer gilt seit dem 21. Oktober 2012 als vermisst. Er verließ das Haus im Schnathorster Holz ohne Mobiltelefon und EC-Karte, jedoch mit rund 6.000 Euro Bargeld in der Tasche. Polizei und Staatsanwaltschaft beschuldigen Jörg Z., den Physiotherapeuten wahrscheinlich auf einem Supermarktparkplatz in Hüllhorst umgebracht zu haben. Christiane R., die seit Dezember 2012 mit Jörg Z. verlobt ist, gab am 23. Oktober 2012 auf der Polizeiwache Lübbecke eine Vermisstenanzeige bei dem Kommissar auf, der gestern im Zeugenstand befragt wurde.
Schon zu diesem Zeitpunkt sprach Christiane R. von einer "sexuellen Umorientierung" Meyers. Sie berichtete von Parkplätzen in Porta Westfalica und Hövelhof, auf denen sich Paare und homosexuelle Männer zum Sex verabreden, die sie mehrfach mit Meyer angesteuert habe. Auch habe er auf einschlägigen Seiten im Internet Kontakt mit homosexuellen oder bisexuellen Männer gehabt.
Der Kriminalkommissar hatte den Eindruck, Karl Friedrich Meyer "wollte sein Leben neu gestalten" und sah keinen Hinweis auf eine Straftat. Die Faktenlage sei "auf der Grenze" gewesen, so dass er anfangs auch keine Vermisstenanzeige aufnehmen wollte, wie er gestern sagte.
Als eine Fahndung im Polizeinetzwerk "Inpol" ebenfalls über Wochen kein Ergebnis brachte, wurden zwei Monate nach Meyers Verschwinden die Medien eingeschaltet. Die öffentliche Fahndung erbrachte sieben Hinweise, darunter Sichtungen des auffälligen Jeep Wranglers, den Meyer am 21. Oktober 2012 gefahren hatte. Eine Anruferin hatte einen Mann mit Frau und Kind auf dem Parkplatz eines Schwimmbads in Herford aus dem Wagen steigen sehen. "Die Sichtungen passten dazu, dass sich Meyer abgesetzt hatte", sagte der Kommissar. Doch sämtliche Hinweise hätten sich später als falsch heraus gestellt.
Am 13. November 2012 befragte der Polizist Christiane R. im Schnathorster Holz, ohne entscheidende Erkenntnisse zu erlangen. Erst nach einem Hinweis der Schwester Meyers, wonach das Inventar aus dem Haus verschwunden sei, traf der Lübbecker Kommissar am 25. März 2013 Christiane R. zu einer weiteren Vernehmung. Der vom Gericht bestellte Abwesenheitspfleger hatte am 22. März die Polizei informiert, nachdem er das Haus ebenfalls leer vorgefunden hatte.
Auch nach der fast zweistündigen Vernehmung ging der Beamte davon aus, dass Christiane R. "nichts mit dem Verschwinden Meyers" zu tun hatte. "Die Verdachtsmomente waren nicht ausreichend", sagte der Kommissar. Wenige Tage später übernahm eine achtköpfige Ermittlungskommission den Fall Meyer.
Die finanziellen Verhältnisse Meyers spielten auch gestern wieder eine Rolle. Die Verteidigung beantragte, eine Bielefelder Finanzbeamtin in den Zeugenstand zu rufen. Hintergrund: Mit Datum vom 14. Oktober 2014 ließen die Finanzbehörden eine Pfändungsverfügung über 600.000 Euro an Christiane R. zustellen. Diesen Betrag soll Meyer an Steuern hinterzogen haben. Man geht von einem nicht versteuerten Einkommen in Höhe von 1,4 Millionen Euro aus, wobei der Betrag noch niedrig berechnet worden sein soll. Die Anwälte ließen durchblicken, dass sie in dieser Steuerschuld ein Motiv darin sehen, dass sich Meyer abgesetzt haben könnte.