In manchen evangelischen Kirchengemeinden gibt es auch heute schon alternative Gottesdienstzeiten. So bietet beispielsweise die Neustädter Marienkirchengemeinde in Bielefeld neben dem eigentlichen Sonntagsgottesdienst um 10 Uhr jeden zweiten Sonntag einen Gottesdienst für Familien mit kleinen Kindern um 11.30 Uhr an. "Diese Zeit hat sich bewährt", sagt Pfarrer Alfred Menzel.
Ihm würde sicher auch gefallen, was Keith Richards (71), legendärer Gitarrist der Rockband "Rolling Stones", auf die Frage nach einem Rezept, das ewige Leben zu erlangen, antwortete: "Saubere Lebensführung, viel Sport - und sonntags in die Kirche gehen."
Kommentar: Auf Form und Inhalt kommt es an
Von Lothar Schmalen
Annette Kurschus, die theologische Leiterin der westfälischen Kirche, hat recht, wenn sie feststellt, dass die heutige Lebenswirklichkeit mit dem Sonntagsgebot, einen Gottesdienst zu besuchen, immer weniger in Einklang zu bringen ist. Aber: Ist die Distanz vieler Menschen zu den religiösen Angeboten der Kirchen wirklich eine Frage der Uhrzeit dieses Angebotes?
Wie ist dann zu erklären, dass auch viele katholische Kirchen immer leerer werden, obwohl hier die Gottesdienstzeiten längst flexibler als in vielen evangelischen Kirchengemeinden gehandhabt werden? Fraglich sind deshalb nicht nur die Uhrzeiten, zu denen die Gottesdienste angesetzt sind, sondern auch deren Form und Inhalt. Die Frage sollte deshalb eher lauten: Entsprechen Form und Inhalt der Gottesdienste heute noch der Lebenswirklichkeit der Menschen? Und hier geben lebendige Jugendgottesdienste oder lebensnahe Familiengottesdienste in vielen evangelischen und katholischen Gemeinden eine Antwort: Sie sind nämlich häufig die am besten besuchtesten Angebote.
Der richtige Weg, wieder mehr Menschen in die Gotteshäuser zu holen, ist deshalb möglicherweise weniger in neuen Uhrzeiten zu sehen, sondern eher darin, für bestimmte Zielgruppen neue, vielleicht sogar unterschiedliche Formen und Inhalte zu finden. Und das ist in Zeiten des Abbaus von evangelischen Pfarrstellen und des katholischen Priestermangels schwierig genug.