Nach tödlichem Unfall: Hinterbliebene suchen Antworten

Bielefeld. Nach dem Tod von Brigitte Parada bei einem Unfall wartet ihre Familie auf eine Erklärung. Bis herauskommt, dass der Unfallgegner mit Tempo 110 durch Heepen fuhr. Brigitte Parada hatte nur noch 270 Meter zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren. Der 8. Mai sollte der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub sein. Gegen 1.45 Uhr früh bog sie von der Amtmann-Bullrich-Straße nach links ab. Die Backstube an der Altenhagener Straße, in der sie arbeitete, war nicht mehr weit. Doch noch während des Abbiegens wurde ihr Polo von einem entgegenkommenden Auto erfasst und 50 Meter weit zurückgeschleudert. Die 60-Jährige erlag noch am Unfallort ihren schweren Verletzungen. Ehemann José Luis (61) schlief noch, als gegen 3.30 Uhr zwei Polizisten und zwei Notfallbegleiter mit der Nachricht, die alles in seinem Leben veränderte, klingelten: "Ich wollte es nicht glauben. Ich habe noch versucht, sie anzurufen", erinnert sich der 61-Jährige an diesen Moment. Mehr als fünf Monate sind seitdem vergangen, aber glauben kann er es noch immer nicht: "Ich kann nicht begreifen, dass an dieser Kreuzung so ein Unfall passiert ist." Seitdem warte er auf Antworten. Bisher vergebens. Der Anwalt der Familie hatte bis heute keine Akteneinsicht. "Es zerreißt mir jede Zelle im Körper" José Parada schläft schlecht. "Die Wahrheit zu wissen, wird meine Frau nicht zurückbringen. Aber wenn ich weiß, was passiert ist, dann geht es mir besser. Davon gehe ich aus." Er versteht nicht, dass die Aufklärung so viel Zeit benötigt. Sohn Peter (38) wollte direkt nach dem Unglück nicht mehr warten. Über Facebook nahm er Kontakt zu dem einzigen Zeugen auf, der damals in dem BMW saß, den der am Unfall beteiligte Suzuki Swift Sport zuvor überholt haben soll. Der Fahrer schildert das Geschehen aus seiner Sicht, Antworten hat auch er nicht. "Die Situation für uns ist sehr schwierig. Ich habe eine eher technische Herangehensweise", erklärt der Kfz-Mechaniker, der sich sofort hinter die Aufklärung seiner Fragen klemmte. Er rief sogar den Suzuki-Fahrer (52) an: "Man stellt sich so viele Fragen, macht sich verrückt. Die Bilder vom Unfall haben sich mir eingebrannt. Ich habe ihm deshalb ins Gewissen geredet, weil es für uns wichtig ist, alles aufzuklären." Der 52-Jährige habe zwar versucht, den Unfall zu erklären. Doch Parada glaubt ihm nicht. Ein paar Wochen später erhielt die Familie Parada eine Schadenersatzforderung von ihm. Das hat den Sohn endgültig erzürnt und das hat er dem 52-Jährigen per Brief deutlich gemacht. So sehr, dass der gegnerische Anwalt ihn bitten musste, jeden weiteren Kontakt zu seinem Mandanten zu unterlassen. "Ich mache auch Fehler", gibt Parada zu. Auf Facebook schreibt er: "Der kleinste Gedanke daran, wie es wohl abgelaufen ist, zerreißt mir jede Zelle im Körper." Schließlich gelingt es dem 38-Jährigen, an das Sachverständigengutachten vom 29. Juli zu kommen. Das beantwortet ihm eine ganz wesentliche Frage: Der Suzuki muss demnach mit mindestens 110 km/h unterwegs gewesen sein. "Mein Anwalt geht davon aus, dass er die Alleinschuld an dem Unfall trägt. Auch wenn meine Mutter ihm die Vorfahrt genommen hat." Frank Werner, Fachanwalt für Verkehrsrecht, bestätigt: "Es gibt seit Jahren die Tendenz, dass immer geringere Geschwindigkeitsübertretungen zu immer höheren Mithaftungen führen. Insbesondere, wenn sich ergibt, dass der Unfall bei Normalgeschwindigkeit hätte verhindert werden können." "Wir haben uns sehr geliebt" So war es offenbar auch im Fall von Brigitte Parada. Wäre der Familienvater im Suzuki - wie vorgeschrieben - Tempo 50 gefahren, wäre der Polo der 60-Jährigen noch unbeschadet herumgekommen. Sie hatte das Tempo des Autos schlicht unterschätzt. Peter Parada geht mit diesem Ergebnis an die Öffentlichkeit - per Facebook und per Brief, den er in der Nachbarschaft verteilt hat. "Ich will, dass alle wissen, was er getan hat." Trotz seiner Wut gibt Parada aber auch zu: "Ich bin froh, dass ich nicht in seiner Haut stecke." Wenn José seine Frau beschreibt, weint er bittere Tränen: "Sie war eine zweite Mutter Theresa. Sie war immer für alle da. Nur für sich selbst nicht." Die Anteilnahme nach ihrem Tod war riesig, viele Bielefelder kamen zur Beerdigung, obwohl es keine Todesanzeige gab. Das gab Trost. Trotzdem bleibt vor allem der Ehemann allein zurück: "Die Kollegen gehen oft mit mir weg. Aber wenn ich nach Hause komme, ist da nichts", sagt er. In einem Jahr will der gelernte Dreher in Altersteilzeit gehen. "Dann gehe ich zurück in meine Heimat." In die Nähe von Santiago de Compostela. Vor 43 Jahren war er von dort nach Deutschland gekommen. Schon nach zwei Jahren lernte er seine große Liebe kennen. "Das war nicht irgendeine Frau. Sie war bei allen beliebt ohne Ende. Und wir haben uns sehr geliebt."

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