Bielefeld/Metelen. Tierheime in NRW sind nicht nur heillos überfüllt und strukturell unterfinanziert, sie leiden zunehmend darunter, dass sie immer mehr exotische und kranke Tiere versorgen müssen.
Die meisten Tierheime sind nicht für die Versorgung exotischer Tiere ausgelegt. Hinzu kommt, dass einem Großteil des Personals Wissen über Exoten fehlt und so keine adäquate Versorgung sichergestellt werden kann. Aus diesem Grund wenden sich viele Tierheime an private Pflegestellen.
Die Tierheime in OWL haben in der Regel mit einer oder mehreren Kommunen Verträge ausgehandelt. Ohne Spenden könnten die Einrichtungen die Versorgungen der Tiere jedoch nicht gewährleisten. Das Tierheim in Bünde kann laut Leiterin Kathrin Sander beispielsweise lediglich 30 Prozent der Kosten mit städtischen Mitteln decken.
Das Tierheim Gütersloh etwa gibt Schildkröten und Schlangen an eine private Pflegestelle ab. „Wir wissen, dass die Tiere dort gut aufgehoben sind, weil sich unsere Partnerin mit den Exoten auskennt und selber welche hält", sagt Heimleiterin Sabine Hoffmann. Zudem übernehme die private Pflegestelle auch die Vermittlung.
Auch die Tierheime in Bielefeld und Bünde verlassen sich auf private Pflegestellen. „Das Tierheim ist für Exoten nur eine Durchgangsstation, weil uns das Fachwissen fehlt", sagt die Leiterin des Bünder Tierheims, Kathrin Sander. „Um trotzdem eine adäquate Versorgung sicherzustellen, geben wir die Exoten an Fachleute ab, die kranke Tiere gesund pflegen und an neue Besitzer vermitteln."
Eine weitere Möglichkeit bietet das Landesamt für Natur und Umwelt (LANUV) mit dem Artenschutzzentrum im münsterländischen Metelen. Auf dem abgeschotteten Gelände eines ehemaligen Forschungsinstituts leben rund 200 Tiere. Tierpfleger Oliver ter Schegget und seine Kollegen kümmern sich um Vögel, Schlangen, Schildkröten, Spinnen und andere Exoten.
Weit mehr als die Hälfte der Tiere ist wegen häuslicher Verwahrlosung in Metelen. Das heißt, sie wurden nicht artgerecht gehalten, erklärt Tierpfleger Oliver ter Schegget. Einmal hat er mit seinen Kollegen eine Königspython befreit, die im Terrarium ihres Halters so wenig Platz hatte, dass sie geknickt liegen musste. Im Wohnzimmer herrschte zudem Zimmertemperatur. „Die Schlange braucht 35 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit", sagt Oliver ter Schegget. „Da schimmelt aber jede Wohnzimmerwand." Viele exotische Tiere werden auch beim Zoll sichergestellt.
„Egal ob lebendig oder tot, es werden immer Ermittlungen eingeleitet", sagt die Sprecherin des Zollfahndungsamts Essen, Ruth Haliti. Im Regelfall werde ein Bußgeld verhängt. Tote Tiere stelle man Museen und Schulen zu Lehrzwecken zur Verfügung. Lebende ungiftige Tiere werden unter anderem in der Auffangstation in Metelen untergebracht.
Dort versuchen die Tierpfleger, ebenso wie die Mitarbeiter klassischer Tierheime, möglichst viele Tiere an neue Halter zu vermitteln. „Wenn wir die alle horten würden, dann wäre das Deutschlands größter Zoo", sagt LANUV-Sprecher Peter Schütz. Rund 80 Prozent der Tiere gehen an Privatpersonen. „Eine Wiederauswilderung im Herkunftsland ist super selten", sagt Haliti. Und auch Zoos und Tierparks nehmen nur noch wenige Tiere auf.
Doch bevor ein Exot aus Metelen an einen Privatmann vergeben wird, prüft die zuständige Behörde, ob der Halter geeignet ist. „Man kann nicht wie an der Supermarktkasse sagen: Ich hätte gern eine Anakonda", ergänzt Schütz.
Der Handel mit Tieren, die unter das Artenschutzgesetz fallen, sei ein wachsender Markt, sagt Haliti. Die Schmuggler kämen häufig im Umfeld von Tierbörsen wie der Terraristika in Hamm mit dem Lastwagen und verkauften die Tiere unter der Hand.
Neben organisatorischen und finanziellen Herausforderungen, die durch die Versorgung exotischer Tiere entstehen, klagen Tierheime auch über steigende Tierarztkosten. „Leider geben immer mehr Tierhalter alte und kranke Tiere bei uns ab oder setzen sie einfach aus", sagt die Leiterin des Gütersloher Tierheims, Sabine Hoffmann. „Manche Tierhalter geben ihre hilfsbedürftigen Tiere bei uns ab und geben offen zu, dass sie sich die steigenden Tierarztkosten nicht mehr leisten können oder wollen." Es gebe aber auch Halter, die Ausreden nutzen, oder Tiere wortlos aussetzen.
„Diese Entwicklung sorgt für immense Kostensteigerungen, denn vor allem Tiere mit chronischen Krankheiten lassen sich nur sehr schwer vermitteln", sagt Hoffmann. „Dabei benötigen vor allem solche Tiere ein liebevolles Zuhause für den Lebensabend", ergänzt die Leiterin des Bielefelder Tierheims, Barbara Snelting. „Hilfsbedürftigen Tieren fällt die Eingewöhnung im Tierheim sehr schwer, weil der Stress zu groß ist."
Das Bünder Tierheim nimmt die Unterstützung von Dauerpflegestellen in Anspruch. „Wir beteiligen uns in Notfällen an den Kosten, doch die Unterfinanzierung lässt solche Maßnahmen kaum zu", sagt Leiterin Kathrin Sander.