Bielefeld. Ein neues Urteil irritiert die Sauenhalter in Deutschland. Es schreibt vor, dass die Tiere mehr Platz brauchen - und ihre Kastenstände vergrößert werden müssen. Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer will Sauen hingegen möglichst ganz aus den Kästen befreien. Klare Vorgaben gibt es aber bislang nicht. Heimische Landwirte sind irritiert.
Vor und nach ihrer Rausche werden Sauen in Deckzentren in sogenannten Kastenständen untergebracht. Die sind 60 bis 75 Zentimeter breit. "Zu wenig", entschied das Magdeburger Oberverwaltungsgericht Ende 2015. Die Forderung: Sauen müssen sich hinlegen können, ohne mit ihren Beinen in den Kastenstand der Nachbarsau zu kommen. Folglich sind viele Sauenställe in Deutschland nicht mehr rechtskonform - müssten also umgebaut werden.
Das halten heimische Landwirte vor allem aus drei Gründen für problematisch. Zum einen sei es besonders für kleinere Betriebe finanziell nicht zu stemmen. Zweitens gab es erst 2013 eine neue Regelung - Bauern sind also skeptisch, wie lange eine erneute Vorschrift überhaupt Bestand haben werde. Und drittens machten breitere Kastenstände in der Praxis keinen Sinn: "Wenn sich die Tiere umdrehen, wird es mehr Verletzungen geben", sagt der Paderborner Landwirt Tobias Voß. Auch sein Kollege Helmut Ostermeyer aus dem Kreis Minden-Lübbecke hält die aktuelle Kastengröße von 60 bis 75 Zentimetern für angemessen.
Die Landwirte betonen, dass die engen Kästen wichtig sind, um Chaos und Randale im Stall zu vermeiden. Denn bei der Rausche - der Zeit, in der die Sauen von einem Eber gedeckt oder besamt werden - sind die Tiere unruhig, gereizt und würden sich gegenseitig bespringen. "Dann muss man sie fixieren, um die einzelnen Tiere und sich selbst zu schützen", sagt Voß.
Breitere Kästen hätten auch zur Folge, dass die Sauenanzahl in einem Stall um rund 30 Prozent reduziert werden müsste. "Der bauliche Aufwand wäre enorm", sagt Ostermeyer. Von wirtschaftlichen Konsequenzen ganz zu schweigen.
Eine Lösung könnte an einem anderen Punkt ansetzen. Bislang dürfen Sauen nach der Besamung bis zu 28 Tage in ihren Kästen fixiert werden. "Wir schlagen vor, diesen Zeitraum auf vier bis fünf Tage zu reduzieren", sagt Hubertus Beringmeier. Er ist Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Bezirksverbands OWL. Anschließend kämen die Tiere wieder in die Gruppe, hätten dort auch mehr Platz. In Dänemark und den Niederlanden ist das bereits der Fall. Für diesen Ansatz haben sich unter anderem die Agrarminister aus Niedersachsen und NRW auf der Agrarministerkonferenz in Hannover ausgesprochen. "Die Fixierung würde auf fünf bis zehn Tage begrenzt", so Minister Meyer. Eine Arbeitsgruppe solle nun Vorschläge entwickeln.
Aber: Auch für eine verlängerte Gruppenhaltung sind längst nicht alle Ställe ausgelegt. Umbauten stehen in den meisten Fällen also so oder so an. Damit Landwirte sich darauf zumindest einstellen könnten, fordert Beringmeier eine Übergangfrist von 20 Jahren. "In diesem Zeitraum sollte dann ein Umbau erfolgen."
Einig sind sich die Beteiligten indes in einem Punkt. Es muss dringend eine einheitliche Regel her - "auf Bundesebene", fordert Beringmeier. "Es ist nichts mehr verlässlich", kritisiert auch Landwirt Ostermeyer. Der 50-Jährige hat für sich bereits erste Konsequenzen gezogen: Bei all dem Hin und Her habe er die Weiterentwicklung seines Hofes erst mal gestoppt. Gemeinsam mit seinem Sohn werde er gut überlegen, ob es sich für diesen noch lohne, den Hof in ein paar Jahren zu übernehmen.