Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Tag der Artenvielfalt: Experten erklären, wie es um den Artenschutz in OWL steht

Christine Warnecke

  • 0
Gefährdet: Der Kiebitz droht aus OWL zu verschwinden. - © Biologische Station Lippe/T. Garcorz
Gefährdet: Der Kiebitz droht aus OWL zu verschwinden. (© Biologische Station Lippe/T. Garcorz)

Gütersloh/Lippe. Vor 25 Jahren wurde das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity) unterzeichnet. Über 190 Staaten verpflichten sich darin zum Artenschutz. Bernhard Walter, Geschäftsführer der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld, und Holger Sonnenburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Station Lippe erklären, warum Artenreichtum wichtig ist und wie es um ihn in OWL bestellt ist.

Warum ist die biologische Vielfalt so wichtig?

Bernhard Walter: Vielfalt bedeutet ein stabiles Ökosystem. Je breiter es aufgestellt ist, desto besser kann es Einschnitte durch Krankheiten oder die Witterung abfangen. Ein Beispiel: In einem kalten Frühjahr fliegen die Hummeln und bestäuben die Blüten, während es den Honigbienen noch zu kalt ist.

Wie steht es um die Artenvielfalt in OWL?

Walter: Wir haben eine sehr große Artenvielfalt – noch, denn sie ist gefährdet. Beim Kiebitzbestand haben wir zum Beispiel einen Rückgang von über 60 Prozent beobachtet, bei Rebhühnern sogar etwa 80 Prozent.

Holger Sonnenburg: Es steht schlecht. Zahlreiche Arten können zum Teil nur durch aufwendige Pflegemaßnahmen erhalten werden – und wenn nur punktuell. Den Rückgang bei den Insekten etwa kann jeder sehen: Wer im Sommer nachts sein Fenster offenstehen lässt und das Licht an hat, hatte früher im Nu das Zimmer voller Nachtfalter – heute kommt kaum ein Insekt mehr angeflogen.

Was sind die Ursachen für die Rückgänge der Bestände?

Walter: Zum einen eine intensive Landwirtschaft mit einem großflächigen Einsatz von Pestiziden. Die begünstigen das Wachstum einiger weniger Pflanzen, aber viele andere, auch Tiere, gehen dadurch ein. Ähnliches passiert übrigens bei vielen Grünanlagen: Früher war eine „normale" Flachlandwiese mit etwa 50 bis 60 verschiedenen Pflanzenarten bunt – heute ist sie nur grün mit etwa fünf Arten.

Sonnenburg: Besonders betroffen sind Arten, die auf nährstoffarmen Standorten leben. Die werden immer seltener – entweder durch Intensivierung der Nutzung oder aber auch durch die allgemeine Stickstoffbelastung der Luft: durch Autos und Düngemittel. Gravierend sind auch die bereits spürbaren Folgen des Klimawandels: Es ist überdurchschnittlich zu warm und vor allem zu trocken. Gerade in diesem Jahr fehlen Niederschläge im Frühjahr. Tiere und Pflanzen in Feuchtwiesen haben derzeit schlechte Karten. Kurz gesagt: intensive Landwirtschaft, die Versiegelung der Landschaft, zunehmender Verkehr und naturferner werdende Gärten – sterile Steinlandschaften und Unkrautvernichter tragen nicht zum Arterhalt bei.

Gibt es positive Beispiele von gelingendem Artenschutz?

Sonnenburg: Die „Erfolge", also bei uns die Rückkehr von Schwarzstorch, Kolkrabe, Uhu und Wanderfalke haben in erster Linie mit der Einstellung ihrer Verfolgung zu tun. Dass es nach der Ausrottung der Arten im vorigen Jahrhundert trotzdem solange gedauert hat, bis wieder stabile Populationen entstanden sind, zeigt, wie langwierig solche Prozesse sind.

Walter: In der Niehorster Heide bei Gütersloh werden die Heiden und Sandmagerrasen wiederbelebt – Heidelerchen und Feldgrillen sind wieder da. Die Ansätze sind gut. Insgesamt braucht es aber ein Umschwenken in der Landwirtschaftspolitik, bis hin auf europäischer Ebene.

Was passiert, wenn Tier- und Pflanzenarten einmal ganz fehlen?

Sonnenburg: Eine Wiederbesiedlung aus eigener Kraft ist meist nicht möglich – es sei denn, Pflanzensamen haben lange im Boden überlebt. Selbst wenn wieder Arten einwandern sollten, ist der regional angepasste Genpool unserer lokalen Population unwiederbringlich verloren. Zur Biodiversität zählt auch die innerartliche genetische Vielfalt, was oft übersehen wird.

Walter: In China gibt es bereits Obstplantagen, auf denen wegen der Pestizide kein einziges Tier mehr lebt. Die Bestäubung übernehmen jetzt Menschen von Hand, das muss man sich mal vorstellen. Wenn der Artenschutz versagt, können wir einpacken.

Verschwunden: Den Venuskamm gibt es in OWL nicht mehr. - © Biologische Station Lippe/Füller
Verschwunden: Den Venuskamm gibt es in OWL nicht mehr. (© Biologische Station Lippe/Füller)

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo