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Tatort Hille - ein Dorf steht unter Schock

Stefanie Dullweber und Stefan Koch

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Weitere Leiche in Hille gefunden - © Foto: Stefanie Dullweber/Mindener Tagblatt
Ermittler der Spurensicherung arbeiten auf einem Gehöft, wo die Leiche eines 30-Jährigen gefunden wurde. (© Foto: Stefanie Dullweber/Mindener Tagblatt)

Hille. Die Menschen in Hille stehen unter Schock. Die schrecklichen Ereignisse sind im ganzen Dorf Gesprächsthema Nummer eins. Bis vor Kurzem hätten viele nicht gewusst, wo Hille sei. Jetzt habe der Ort traurige Berühmtheit erlangt, sagen sie.

Nach dem Fund von drei Leichen auf einem landwirtschaftlichen Anwesen in Neuenbaum und der Festnahme des Tatverdächtigen Jörg W. beschäftigen sich die Ermittler aktuell mit der weiteren Biografie des 51-Jährigen. W. war von 1989 bis 1991 Mitglied der Fremdenlegion, aus der er aufgrund einer Verletzung ehrenhaft entlassen wurde. 2012 zog er von Duisburg in die Gemeinde Hille. Womöglich beging W. weitere Straftaten.

Nach Informationen der Neuen Westfälischen war die Familie in den Mühlenkreis gezogen, weil W.s Frau an einem Pferdehof als Lebenstraum festhalten wollte. Ältere Tiere wollte sie vor dem Abdecker bewahren. So befinden sich auf dem Hof rund zehn Pferde, die tierärztlich versorgt werden und in gutem Zustand sein sollen.

»Ich hätte 
ihm das nicht zugetraut«

„Die Tiere gingen ihr über alles", sagen Gäste des Hofes, wo auch Reitunterricht stattfand und die Möglichkeit bestand, Pferde unterzustellen. Beim Betrieb des Anwesens soll es zwischen den Eheleuten wegen Geldproblemen zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Jörg W. soll von seiner Frau angehalten worden sein, mehr zum Einkommen beizutragen. So hatte er einige Gelegenheitsjobs. Nach einem dieser Beschäftigungsverhältnisse, das nach einem halben Jahr gekündigt wurde, wird er als freundlich, hilfsbereit und tatkräftig beschrieben.

Das bestätigt auch ein ehemaliger Arbeitskollege, der sich nicht vorstellen konnte, dass Jörg W. zu einem Mord fähig sei. Der 51-Jährige hat bereits gestanden, den 30-jährigen Stadthäger Fadi S. mit einem Hammer erschlagen zu haben. Mittlerweile besteht der dringende Verdacht, dass W. auch den 71-jährigen Witwer Gerhard F. und den 65-jährigen Hilfsarbeiter Jochen K. getötet hat. „Ich hätte ihm das nicht zugetraut", beschreibt der Hiller den Mann als kumpelhaft und zuvorkommend.

Im Dorf wundern die Leute sich, wie W. seinen Hof und die Tiere unterhalten konnte. Bei einem Getränkehändler soll er noch eine Rechnung offen haben. Ein Hiller berichtet, W. habe ihm erzählt, dass er eine französische Rente aus seiner Zeit in der Fremdenlegion beziehe. Womöglich kassierte W. jedoch die Rente des vermissten Gerhard F.

Zu diesem Nachbarn hatte W. nicht nur regelmäßig Kontakt, er hatte auch Zugang zu seinem Gehöft. Eines Tages sei der alkoholkranke F. vor seinen Augen zusammengebrochen, erzählt ein Hiller, der den Witwer mit seiner roten Honda regelmäßig im Dorf gesehen hatte. Er habe den Krankenwagen verständigt. F. habe sich zunächst gegen einen Krankenhausaufenthalt gesträubt und erklärt, man solle die Frau von Jörg W. verständigen – die würde sich um ihn kümmern.

W. habe später das Moped des Seniors abgeholt und gesagt, F. sei noch im Krankenhaus. Später erzählte er, der 71-Jährige sei in einer Entzugsklinik. Wochen darauf hieß es, er sei wieder zu Hause und seine Frau würde ihn bekochen. Jörg W. besorgte regelmäßig Alkohol, um den Nachbarn wie er sagte „wieder ruhigzustellen". „Er war einfach eine tragische Gestalt", sagt der Hiller über den getöteten Rentner.

Das andere Tatopfer, Jochen K., lebte im Raum Hille und im benachbarten Niedersachsen als Gelegenheitsarbeiter auf verschiedenen Bauernhöfen. „Er war eine Seele von Mensch", erinnert sich eine Angehörige eines Betriebes in Mindenerwald, wo der 65-Jährige bis vor vier Jahren in einem Wohnwagen schlief.

Ein alter Deutz-Traktor, eine Werkzeugsammlung und ein Moped waren sein einziger Besitz. Der ansonsten als Einzelgänger lebende Mann hatte eine Schwester und Cousins. 2014 musste K., der nicht krankenversichert war, den Betrieb wegen einer Amputation eines Fingers infolge einer Erkrankung verlassen und sich in ein Krankenhaus begeben. Dort hatten ihm die Ärzte geraten, nach der Entlassung in einem festen Gebäude zu wohnen, um den Heilungsprozess nicht zu gefährden.

Danach muss K. kurzzeitig im Haus des anderen Mordopfers Gerhard F. gewohnt haben, bevor er zu Jörg auf den Hof zog. Dort soll seine kranke Hand Probleme bei der Versorgung der Pferde bereitet haben, für die er zuständig war.

„Eines Tages war er dann weg", erklärte ein Bekannter gegenüber der Neuen Westfälischen . Es hieß, dass er „abgehauen" sei. Allerdings befand sich seine persönliche Habe immer noch in der Wohnung am Pferdestall, die der Tatverdächtige zuvor mit Unterstützung des Maurers Fadi S., des späteren Mordopfers, errichtet hatte. „Auch andere, die auf dem Hof lebten, sind irgendwann gegangen, weil es Konflikte gab – das geschah nicht immer im Guten", so der Bekannte, dem das plötzliche Verschwinden nicht weiter auffällig erschien.

Auch während seiner Zeit auf dem privaten Gnadenhof in Neuenbaum hatte das Mordopfer Kontakt zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Mindenerwald gehalten. Er soll bei seinen Besuchen nie von Problemen mit Jörg W. berichtet haben. Vor fünf Wochen war ein Cousin des Verschollenen in Mindenerwald erschienen, der ihn wegen einer Erbschaftsangelegenheit ausfindig machen wollte. Angeblich war da Jochen K. in Niedersachsen und hatte dort eine Freundin. Damit hatte Jörg W. sein Verschwinden erklärt.

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