Erfolgsgeschichte: Vom Gastarbeiterkind zur Hochschulprofessorin in Bielefeld

Bielefeld. Ihre Biografie erzählt eine &bdquo;Erfolgsgeschichte einer Migrantin vom Arbeiterkind zur Professorin“, wie Yüksel Ekinci selbst sagt. Ihr Rezept für gelungene Integration? Die Rolle von Kitas und Schulen bei der Sprachförderung von Kindern und Eltern zu stärken, sei der Schlüssel. Und: Begegnung auf Augenhöhe. &bdquo;Integration kann nur gelingen, wenn alle Aspekte und Identitäten eines Menschen akzeptiert und wertgeschätzt werden", sagt die 57-Jährige, die seit 2012 an der Hochschule Bielefeld im Fachbereich Sozialwesen Pädagogen und Sozialarbeiter ausbildet und jetzt für ihre langjährige Arbeit zu Mehrsprachigkeit, Elternarbeit und Integration von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Wie wichtig Sprache ist, erlebte Ekinci selbst, als sie 1972 mit ihren Eltern nach Herzebrock-Clarholz im Kreis Gütersloh kam. "Ich war da sechs Jahre alt, konnte kein Wort Deutsch und habe bis zur dritten Klasse in der Schule kaum gesprochen", berichtet sie. Oft habe sie nicht verstanden, was ihre Lehrer von ihr wollten. Bücher hätten dann den Bann gebrochen. "Damals sind Studierende mit meinen Geschwistern und mir in die Bibliothek gegangen, da eröffneten sich ganz neue Welten für uns." Zugang zu Themen, die ihre Eltern ihnen nicht ermöglichen konnten.

Studium in Istanbul und Salzburg, Lehrerin an einer Brennpunktschule Als Ekinci 15 Jahre alt war, ging die Familie wieder zurück in die Türkei. Sie habe zwar Türkisch sprechen können, aber die Schriftsprache musste sie lernen. Sie arbeitete hart "und ich machte das beste Abitur an der Schule". Ekinci studierte in Istanbul und - dank Stipendium - in Salzburg, arbeitete anschließend unter anderem als Lehrerin an einer Brennpunktschule in Dortmund und promovierte. "Ich habe immer wieder nach Chancen geschaut, habe sie ergriffen und beharrlich immer weiter gemacht", sagt Ekinci. "Ihr könnt das schaffen, bloß nicht aufgeben", das wolle sie allen Kindern, aber auch ihren Studierenden vermitteln. Oder auch geflohenen Wissenschaftlern, denen sie in ihrer Freizeit ehrenamtlich zur Seite steht.

Was braucht es für eine gelungene Integration in Kitas und Schulen in Zeiten von kritischen Betreuungsschlüsseln und Lehrermangel? Die Zusammenarbeit mit externen Bildungspartner könne ganz viel Gutes bewirken. Die auszubauen, lohne sich. Das hätten beispielsweise Projekte mit der Bielefelder Stadtbibliothek und der Hellingskampschule gezeigt. Dank mehrsprachiger Bücher oder Arbeit mit Tablets hätten Kinder, die sonst nur ungern gelesen hätten, plötzlich ganz begeistert mitgemacht. Aber auch Studierende mit ihren aktuellen Erkenntnissen zu Mehrsprachigkeit könnten sehr gut bei der individuellen Sprachförderung in Kita und Schule helfen. Aber auch Jugendtreffs, Museen oder Sportvereine.

Zudem sei es ganz wichtig, die Eltern mit ins Boot zu nehmen und ihnen zu zeigen, wie Kita und Schule in Deutschland funktionieren und wie sie ihre Kinder zuhause fördern können. Nicht belehrend und überfrachtend, sondern einfach verständlich - und auf Augenhöhe. "Viele sind da ganz dankbar", berichtet Ekinci. Oft seien Kinder auch aufgrund von Traumata blockiert beim Lernen. Auch da müsse das Personal in Kita und Schule wissen, wie man damit umgeht. Fortbildungen und weitere Professionalisierung seien da gefragt. Kindern zu verbieten, in der Kita oder Schule in ihrer Muttersprache zu sprechen, sei hingegen der völlig falsche Weg.

Schnell werde von Integrationsverweigerung gesprochen "Studien zeigen, dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen und in ihrer Erstsprache gefördert werden, in der Grundschule bessere Sprachkompetenzen vorweisen", sagt Ekinci, die gerade versucht, ein Online-Studium für afghanische Frauen auf die Beine zu stellen. Der Bundespräsident habe ihr da seine Unterstützung zugesagt. Mehrsprachigkeit biete eine große Chance für die Gesellschaft. Sie zu fördern, ist Forschungsgebiet und Anliegen von Ekinci. Die Vielfältigkeit anzuerkennen, sei eine wichtige Grundlage. Andernfalls erreiche man genau das Gegenteil.

Schnell werde von Integrationsverweigerung gesprochen, ohne zu wissen, mit welchen existenziellen Problemen sich zugewanderte Familien beschäftigen müssen. Zuzuhören und sich zu interessieren für die Menschen sei wichtig. Und Vorurteile abzubauen. Man merke gar nicht, dass sie Türkin sei, bekäme sie beispielsweise immer wieder zu hören. Als ob das etwas Schlechteres sei. Es sei aber auch wichtig, sich als Migrantin oder Migrant nicht in die Opferrolle zu verlieren. Sich nicht immer gleich diskriminiert zu fühlen. "Es wird hier in Deutschland ganz viel getan, dass muss man einfach wahrnehmen", sagt die Sprachexpertin.

Möglichkeiten, die Herausforderungen der Migration zu meistern Es seien die vielen kleinen Dinge, die eine große Wirkung hätten. Und der positive Blick, auch wenn's im Leben nicht immer einfach ist - ganz im Gegenteil. Sie erinnere sich noch genau an eine Referendarin, die ihr damals das Buch vom Räuber Hotzenplotz geschenkt habe. "Nach einem Unfall lag ich im Krankenhaus, sie besuchte mich und brachte es mir mit", berichtet Ekinci. Sich für jedes einzelne Kind einzusetzen, wie es viele Lehrer, Pädagogen, Erzieher und Fachkräfte sehr engagiert täten, lohne sich auf jeden Fall. Sie nicht als Störfaktor zu sehen, sondern ihnen zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und Erfolgsgeschichten zu schreiben.

"Sucht euch Themen, die euch interessieren", rät sie ihren Studenten. Aufgaben, die man mit Herz und Seele macht. Ekinci hat ihre Berufung gefunden, das spürt man, wenn sie mit einer besonderen Begeisterung und Empathie von ihrer Arbeit und den Möglichkeiten, die Herausforderungen der Migration zu meistern, spricht.

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