Bielefelder Zöllner schlagen Alarm: Ohne Training und Waffe in den Außendienst

Bielefeld. Mit Razzien geht der Zoll gegen Schwarzarbeit in Gaststätten, Speditionen, auf dem Bau und in anderen Branchen vor. Dabei entstehen für Zollbedienstete immer wieder brenzlige Situationen, denn es kommt zunehmend zu Gewalt. Voraussetzung für den Einsatz im Außendienst der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist deshalb, dass die Zollbediensteten in einem Lehrgang auf die Gefahren und das Führen einer Waffe vorbereitet werden. Im Hauptzollamt Bielefeld sind nach Angaben von Zöllnern jedoch längst nicht alle Kollegen in diesem gefährlichen Bereich geschult.

&bdquo;Zollbedienstete aus Bielefeld werden wissentlich ohne die passende Vorbereitung und Waffe in gefährliche Situationen im Außendienst geschickt. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen und das gefährdet alle“, moniert ein Zollbediensteter, der aus Angst vor Repressalien anonym bleiben möchte. &bdquo;Das führt dazu, dass sich die ungeschulten Kollegen nicht für den Dienst gewappnet fühlen und die geschulten Kollegen nicht nur die Verantwortung für sich selbst, sondern auch noch für mehrere andere Kollegen tragen müssen.“

Daraus entsteht nach Angaben des Zöllners ein Ungleichgewicht in der Arbeitseinteilung, die durch fehlende Lehrgänge seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 besteht. &bdquo;Geschulte Kollegen müssen mehr Arbeit übernehmen, das erschwert den Arbeitsalltag massiv.“ Vorgesetzte seien über die Missstände seit Langem informiert, erklärt der Zöllner. &bdquo;Geändert hat sich aber nichts und wir wissen von anderen Ämtern, dass die Missstände dort nicht so groß sind.“

Für unbewaffnete Zöllner gelten besondere Regeln Konkret geht es um den Lehrgang &bdquo;Eigensicherung und Bewaffnung“, den nach Angaben des Hauptzollamtes Bielefeld alle Zollbediensteten absolvieren müssen, die in Bereichen der Zollverwaltung eingesetzt werden, in denen Schusswaffen getragen werden. Für das Hauptzollamt Bielefeld betrifft das nach Angaben von Sprecher Sascha Gawenda nicht nur Bedienstete der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, sondern auch der Kontrolleinheit Verkehrswege.

In dem Lehrgang werden den Teilnehmern nach Angaben Gawendas Grundkenntnisse in den Bereichen Recht, Selbstverteidigung, Schießen und Einsatzkompetenzen wie Handlungs- und Verhaltenstraining, Deeskalation und interkulturelle Kompetenzen vermittelt. Absolvieren Zöllner diesen Lehrgang nicht, dürfen sie laut Gawenda im Außendienst nur dann eingesetzt werden, wenn sie unbewaffnet und in Begleitung von zwei Kollegen mit Schusswaffen sind.

Hauptzollamt bestätigt Rückstau bei Lehrgängen Wie viele Bielefelder Zollbedienstete im Außendienst diese Schulung bislang noch nicht absolviert haben, erklärt das Hauptzollamt Bielefeld nicht. Gawenda verweist lediglich darauf, dass bundesweit ein hoher Bedarf an dem Lehrgang &bdquo;Eigensicherung und Bewaffnung“ besteht. Grund dafür sei unter anderem die Corona-Pandemie, in der die Schulungen aufgrund des Gesundheitsschutzes nur eingeschränkt durchgeführt werden konnten, sagt Gawenda. Zudem gebe es mehr Einstellungen als Schulungsplätze.

Das bestätigt auch die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft. &bdquo;Es gibt einen Rückstau. Vor allem im August, wenn jedes Jahr 2.000 neu ausgebildete Zöllner ihren Dienst antreten. Etwa die Hälfte muss an der Waffe geschult werden“, sagt der Bundesvorsitzende Thomas Liebel. &bdquo;Nicht geschulte Zöllner werden aber in der Regel nicht an vorderster Front eingesetzt.“

Wie schnell der Rückstau der Lehrgänge in Bielefeld abgebaut werden soll, sagt Gawenda nicht. Die Zahl der Schulungsplätze solle jedoch steigen. Damit rechnet bundesweit auch die Gewerkschaft. &bdquo;Es entstehen elf neue Schulungszentren. Der Fortbildungsstandard beim Zoll ist inzwischen sehr hoch, weil aus zwei Todesfällen in den 1990er-Jahren Lehren gezogen wurden“, erklärt Liebel. &bdquo;Damit es dabei bleibt, muss jedoch Geld in die Hand genommen werden. Dafür kämpfen wir im Austausch mit der Politik.“

Zöllner fühlen sich von Vorgesetzten im Stich gelassen Den unzufriedenen Zöllnern in Bielefeld reicht das nicht. &bdquo;Die Gewalt gegen uns nimmt zu, weshalb alle Kollegen vor ihren Einsätzen im Außendienst darauf vorbereitet werden müssen, wie sie sich selbst, ihre Kollegen und auch die Bevölkerung am besten schützen können“, sagt eine Bielefelder Zollbedienstete, die anonym bleiben möchte. &bdquo;Dafür setzt sich jedoch niemand ein.“

Die Frage, wie oft es im Dienst zu gefährlichen Situationen für Zöllner kommt, lässt das Hauptzollamt Bielefeld unbeantwortet. Gawenda verweist auf einen bundesweiten Überblick der Generalzolldirektion, wonach sich die Gefahrenlage in den vergangenen Jahren beim Zoll verschärft hat. Seit 1998 sei jedoch kein Zollbediensteter mehr zu Tode gekommen, sagt er. &bdquo;Erhebliche Verletzungen haben Bedienstete der waffenführenden Einheiten bisher ausschließlich in absoluten Einzelfällen und nicht beim Hauptzollamt Bielefeld erlitten.“

Gewaltbereitschaft gegen Zöllner steigt Liebel bestätigt, dass die Gewaltbereitschaft zunimmt. &bdquo;Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung macht auch vor dem Zoll nicht halt. Immer, wenn sich der Staat zeigt, vor allem in Einsätzen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, ist Gewalt ein Problem.“ Die Spanne der Gewalt reiche von Beleidigungen, Anspucken und Anrempeln bis hin zu schwerer Körperverletzung.

&bdquo;Darauf haben wir mit einer Null-Toleranz-Erklärung reagiert, die seit anderthalb Jahren gilt. Wir haben ein Gewaltschutzkonzept etabliert und sensibilisieren Zöllner und Vorgesetzte dafür jede Form von Gewalt zur Anzeige bringen.“ Das gelte auch für verbale Übergriffe, sagt Liebel. &bdquo;Diese Form der Gewalt, die wir zum Beispiel von Extremisten wie Reichsbürgern erleben, darf nicht unterschätzt werden.“

Waffenfunde in OWL zeigen die Gefahren für Zöllner Nach Angaben des Bielefelder Zollbediensteten kommt es in der Region immer wieder zu Angriffen. &bdquo;Es sind auch schon Kollegen zu Schaden gekommen. Trotzdem wurden die Missstände bis heute nicht behoben. Muss erst etwas noch Schlimmeres passieren?“ Auch Waffen spielen bei Einsätzen immer wieder eine Rolle. Bei der Kontrolle eines Herforder Familienunternehmens entdeckten Zöllner 2019 beispielsweise ein Waffenarsenal mit Stichwaffen, einer Armbrust, Schreckschusswaffen sowie geladenen Pistolen und einer geladenen Pumpgun.

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