Wien/Paderborn. Paula Behrens’ Arbeitsplatz ist besonders. Und das nicht nur, weil der österreichische Bundespräsident und der Bundeskanzler direkt nebenan tätig sind. Sie arbeitet inmitten imposanter Bauten bei der Spanischen Hofreitschule in Wien. „Etwas Vergleichbares gibt es nicht“, sagt die in Paderborn aufgewachsene Behrens. „Es ist die älteste Reitschule der Welt – da hängt so viel Geschichte dran.“ Eine Geschichte, an der sie seit einem Jahrzehnt selbst mitwirkt.
Es ist ein sonniger April-Tag. Die ersten Touristen laufen bereits im T-Shirt durch die Wiener Innenstadt. Dagegen ist Paula Behrens dick eingepackt. In kaffeebraunem Reitfrack, darüber ein Mantel, mit Stulpenstiefel und dem Zweispitz als Kopfbedeckung begrüßt sie einen. Das Outfit ist Tradition – wie so vieles an der „Spanischen“.
Die 28-Jährige kommt gerade von der Morgenarbeit mit den Lipizzaner-Hengsten. In der barocken Winterreitschule – erbaut vor knapp 300 Jahren – haben Behrens und ihre Kollegen vor Publikum trainiert. Die Institution Hofreitschule selbst ist bereits 460 Jahre alt.
2015 kommt die Paderbornerin nach Wien

Zu Beginn ihrer Karriere an der Spanischen sei sie noch ehrfürchtig durch die alten Gebäude gegangen, erzählt Reiterin Behrens. Beeindruckt ist sie noch immer von ihnen – „es ist jeden Tag wieder besonders, in die barocke Halle hineinzureiten“. Zugleich ist die Hofreitschule im Michaelertrakt der Hofburg längst ihr Alltag geworden.
Bevor sie hierhin kam, verbrachte sie als Jugendliche bereits viel Zeit auf Reiterhöfen. Ein eigenes Pferd hatte sie damals noch nicht. Nach dem Abitur war sie für ein Jahr in einem Reitausbildungsstall in England. „Ein Trainer dort hat mir von der Hofreitschule erzählt“, erinnert sich Behrens. „Und irgendwie hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, dass ich da mit Pferden arbeiten kann. Von Anfang an auf hohem Niveau bis zur hohen Schule.“
Also bewarb sie sich. Und es klappte. Die Paderbornerin absolvierte ab 2015 zunächst eine Ausbildung zur Pferdewirtschaftsfacharbeiterin an der Hofreitschule, bevor sie 2017 eine sogenannte Elevin wurde. Seit 2020 ist sie Bereiteranwärterin. So weit hat es noch keine deutsche Frau geschafft in der einstigen Männerbastion, die sich 2008 für Frauen öffnete.
Hunderttausende Menschen besuchen jährlich die Spanische Hofreitschule

Die Ausbildung in der hohen Schule der Reitdressur erfordert Ehrgeiz wie auch Ausdauer. Die Quote an Reitern, die abbrechen, bevor sie den Status „Bereiter“ erreichen, sei hoch, sagt Behrens. Für gewöhnlich arbeitet sie dienstags bis sonntags. Feiertage wie Weihnachten und Ostern bedeuten für die Hofreitschule Hochsaison; viele Besucher strömen dann zu den Vorführungen – insgesamt sind es rund 350.000 pro Jahr.
Und Anwärterinnen wie Behrens stehen unter der Beobachtung der erfahrenen Bereiter und Oberbereiter. Ein gewisser Druck sei also vorhanden. „Aber die nette Gemeinschaft mit den Kollegen und natürlich die Pferde helfen mir immer auch durch schwierige Phasen“, sagt Behrens. „Ich liebe die Arbeit mit den Tieren.“
Die 28-Jährige kümmert sich um mehrere Lipizzaner an der Spanischen Hofreitschule – insbesondere um ihren achtjährigen Hengst Neapolitano Brava II. Bis zu seiner Pension werden sie ein Team bleiben, so der Plan. „Er ist sehr gutmütig und hat alles unglaublich schnell gelernt. Das Ausbilden der Pferde macht mir am meisten Spaß, zu sehen, wie sie sich entwickeln und wie man als Team zusammenwächst“, sagt Behrens.
Das Ziel der Spanischen ist, die Pferde in der Klassischen Reitkunst auszubilden und fit zu halten. Laut der Hofreitschule geht es darum, Perfektion, Schönheit und Harmonie zwischen Reitern und Pferden zu zeigen. Etwa durch Galoppwechsel und -pirouetten oder Piaffen. „Am meisten mag ich bei Vorführungen die Schulquadrille. Mit sieben anderen Hengsten eine schwierige Choreografie zu zeigen, ist besonders“, meint die 28-Jährige.
Paula Behrens mag auch die Arbeit im Trainingszentrum

Mindestens genauso sehr mag sie die Arbeit am Trainingszentrum Heldenberg. Dort, gut 50 Kilometer vor den Toren Wiens, verbringen die Lipizzaner-Hengste in einem Rotationssystem mehrere Monate im Jahr. „Das ist super dort“, meint Paula Behrens. „Dort haben die Pferde Koppeln und man kann mit ihnen im Wald und auf den Feldern ausreiten gehen. Das gibt ihnen einen guten Ausgleich zu der Arbeit in der Stadt.“
Zudem stehen zwei Mal jährlich – im Sommer sowie im Winter – mehrwöchige vorführungsfreie Zeiten für alle der rund 120 Hengste an, die aktuell in Beritt sind. „Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Pferde unzufrieden sind“, sagt Paula Behrens zu Stimmen, die die Spanische Hofreitschule kritisch sehen.
Spanische Hofreitschule und Paula Behrens im Video
Damit die weißen Hengste möglichst nicht während der Mittags- und Nachmittagshitze trainieren und Aufführungen haben, fängt Behrens’ Arbeitstag bereits frühmorgens an. Nachmittags hat sie dann Freizeit, die sie gerne in Niederösterreich verbringt. Eine Zugstunde vom Wiener Zentrum entfernt lebt die Paderbornerin mit Hund Anton und Pferd Charmant. „Manchmal reiten wir aus oder gehen auch nur spazieren. Das ist mein Ausgleich“, sagt Behrens.
Sie fühlt sich wohl in Österreich. Nach zehn Jahren klingt sogar ein wenig wienerisch in ihrer Sprache durch. Bleiben möchte sie auf jeden Fall dort. Paula Behrens strebt an, in nicht allzu ferner Zukunft Bereiterin zu werden. Und dann bis zu ihrem Berufsende an der Spanischen Hofreitschule zu arbeiten – inmitten historischer Gebäude und viel Geschichte.