Jörg-Uwe Goldbeck über Bauwende und politische Verantwortung: „Wir wollen neue Wege gehen“

Herr Goldbeck, viele Menschen sind derzeit mit der deutschen Politik unzufrieden. Sie auch?

Jörg-Uwe Goldbeck: Nein, ich stimme in die Politiker-Schelte nicht mit ein. Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen sich politisch einbringen. Wer würde denn heute bei all den Herausforderungen wirklich mit einem Kanzler Friedrich Merz und seinen Ministern tauschen wollen? Ich finde: Wem die Arbeit der Politiker nicht gefällt, der soll sich selbst vor Ort politisch engagieren.

Aber Sie haben doch sicher Forderungen an die Politik?

Ich möchte lieber von Wünschen, anstatt von Forderungen sprechen. Natürlich können wir im Land Abläufe verschlanken. Braucht es zum Beispiel wirklich 16 Landesbauordnungen? Sind zum Teil 50 Jahre alte Bebauungspläne heute wirklich noch richtig? Die Anzahl der Vorschriften ist in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen. Das sind Faktoren, die das Bauen verteuern. Manchmal ist es besser, Dinge einfach zu probieren und sie im Zweifel zu korrigieren.

Das ist ja auch einer der Vorschläge der Expertenkommission um Steinbrück, Voßkuhle, de Maizière und Jäckel zur Staatsreform. Wie finden Sie die?

Ich halte viele dieser Vorschläge für sehr gelungen und finde es bemerkenswert, was diese Kommission parteiübergreifend erarbeitet hat. Jetzt ist es wichtig, dass diese Ideen auch konkret umgesetzt werden.

Uns ist aufgefallen, dass Sie sich in den vergangenen Jahren mit Kritik an der viel geschassten Ampel-Regierung zurückgehalten haben. Ist das so und was halten Sie von der designierten neuen Regierung?

Die Politiker, wie zuletzt Bundesbauministerin Klara Geywitz, haben mitunter ein ganz schön dickes Brett zu bohren. Sie haben auch vieles richtig gemacht. Der neuen Regierung sollten wir jetzt erst mal ein bisschen Zeit geben, zu arbeiten. Anstatt danach zu suchen, warum etwas nicht geht, sollten wir der Lösung eine Chance geben. Ich halte es zum Beispiel für richtig und mutig, dass die Regierung Geld in die Hand nimmt, um in Schulen, Brücken und Krankenhäuser zu investieren. Die können wir nicht einfach verkommen lassen. Wir müssen uns um unsere Infrastruktur kümmern und instand halten.

Dem neuen Kabinett werden unter anderem mit der nächsten Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und mit Digitalminister Karsten Wildberger auch Personen angehören, die zuletzt nicht in der Politik tätig waren. Ist das sinnvoll?

Ja, ich finde es durchaus gut, wenn in einem Kabinett auch zwei dieser Menschen sitzen. Wenn die Regierung nur aus Menschen ohne viel Politikerfahrung bestehen würde, wäre das sicher schwieriger. Aber als Ergänzung ist das gut.

Goldbeck beschäftigt inzwischen rund 13.000 Mitarbeitende und hat 15 Werke in Europa. Sie bauen zum Beispiel Parkhäuser, Bürogebäude, Hallen, Schul- und Wohngebäude und Sporthallen. Wo läuft es gut und wo eher nicht so?

Wir beschäftigen uns seit rund fünf Jahren mit dem Wohnungsbau, und das war im vergangenen Jahr der Bereich mit dem stärksten Wachstum. Gerade vor dem dringend benötigten Wohnraum ist das Produkt für uns unter anderem ein klares Wachstumsfeld, während in anderen Bereichen teils auch weniger Projekte auf dem Markt sind.

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Ich kann noch keine Aufbruchstimmung erkennen. Die neu gesetzten politischen Maßnahmen müssen ja jetzt erst mal anlaufen, bislang stehen nur Aussagen im Raum. Es muss zum Beispiel noch geklärt werden, wo welche Mittel hinfließen und ob Verfahren wirklich beschleunigt werden.

Bekannt und erfolgreich wurden Sie unter anderem durch Ihre Art des Bauens – das sogenannte systematisierte, serielle Bauen. Wie geht das und warum ist das so erfolgreich?

Wir fertigen beispielsweise in unserem Werk in Hamm ein komplett ausgestattetes Außenwandelement für Büro und Schulgebäude an, das rund sieben Meter lang ist. Das wird dann per Lkw transportiert und vor Ort direkt im Gebäude eingehängt. Es handelt sich also um die industrielle Vorfertigung der wesentlichen Systembauteile, die viele Vorteile hat: Im Werk können wir viele Bauteile präziser und seriell bearbeiten. Dadurch sind die Arbeiten an der Baustelle kürzer, sie machen weniger Lärm und die Nachbarschaft wird weniger beansprucht. Wir haben die systematisierte Bauweise schon in den 80er Jahren angeboten und wurden damals noch belächelt. Das hat sich in den letzten Jahren um 180 Grad gedreht.

Es heißt, Sie haben vor einigen Jahren damit bereits Elon Musk begeistert, weil sie das Tesla-Werk in Brandenburg damals schnell gebaut haben

Ja, das ist wahr. Musk hat das tatsächlich mal gelobt, was wir da gemacht haben. Wir hatten den Auftrag für den größten Teil des Werkes in Grünheide. Dennoch war das für uns natürlich ein besonderes Projekt, keine Frage. Es war sehr herausfordernd, weil der Zeitdruck sehr hoch war, aber es war alles fair. Das Projekt war fordernd, aber es hat uns weitergebracht, weil wir auch Neues gelernt haben. Und danach haben wir zum Beispiel größere Aufträge aus der Automobilbranche bekommen.

Ist das serielle Bauen das Bauen der Zukunft?

Ja, ich glaube für die nächsten zehn, 20 Jahre wird man in diese Richtung denken. Wichtig dabei ist: Man muss frühestmöglich alles durchplanen. Das lohnt sich, weil es eben sehr viel Zeit spart und es kosteneffizient ist.

Gibt es Dinge, die Sie aktuell besonders stören?

Ich bin großer Fan vom Rechtsstaat, aber wir müssen in diesem Land irgendwann mal eine Diskussion führen, in der wir uns fragen: Wo ist das Gleichgewicht zwischen Individualrecht und Gemeinschaftsinteresse? Einige wenige erstreiten sich inzwischen ein Recht, um Projekte, von denen viele Menschen profitieren würden, über Jahre zu blockieren oder sie am Ende zu verhindern. Ein Beispiel ist da der Ausbau der Bundesstraße hier in Ummeln.

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Das finde ich durchaus schwierig. Es gibt da eine Klagemaschinerie. Einige Verbände verfügen über großen Einfluss, ich finde, man darf da auch mal genauer hinschauen, wer diese Gruppen sind und wohin sich das entwickelt.

Wie schafft man es aus Bielefeld heraus zu einem europaweit agierenden Unternehmen mit 13.000 Beschäftigten? Was ist Ihr Leitbild?

Wir haben den Anspruch, zu sagen: Wenn wir uns mit etwas beschäftigen, wollen wir das auch erfolgreich zu Ende bringen. Und wir sind geprägt vom Pioniergeist. Wir wollen neue und aufwendige Wege bestreiten, bei denen Investitionen auch nicht immer auf den ersten Blick erfolgreich sind. Das betrifft natürlich auch den Bereich der Künstlichen Intelligenz, wo wir im Unternehmen seit eineinhalb Jahren eine eigene Einheit haben. Ich bin zudem ein großer Freund von Marktwirtschaft und wettbewerblichen Strukturen. Das Bessere soll sich durchsetzen. Dem wollen wir uns gerne stellen.

Obwohl Sie international tätig sind, sitzen Sie im beschaulichen Ummeln bei Bielefeld. Wie wichtig ist der Standort Bielefeld?

Ich lebe hier in Bielefeld. Ich fühle mich der Stadt sehr verbunden. Das ist hier unsere Keimzelle. Wir haben das auch nicht infrage gestellt, ob wir irgendwann mal unsere Zentrale nach Frankfurt oder in eine andere Stadt verlegen, weil es von dort aus zum Beispiel bessere Fluganbindungen gibt. Wir fühlen uns hier in Bielefeld wohl.

Also gibt es für Bielefeld auch in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine Perspektive?

Ja, wir haben hier zentrale Funktionen wie den Sitz der Unternehmensleitung. Vielleicht diskutiert eine nächste Generation mal irgendwann, wie es weitergeht, aber im Moment ist das nicht im Gespräch. Ganz im Gegenteil: Unser Campus ist zuletzt durch ein weiteres Bürogebäude für Mitarbeitende und weitere Hallen gewachsen.

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