Hat Deutschland ein Problem mit der Meinungsfreiheit?

Düsseldorf. &bdquo; Freie deutsche Meinungen! Gebt Deutschland den Deutschen zurück!“ So steht es in einem Post bei &bdquo;X“. Worum handelt es sich da? Um eine Meinungsäußerung, die man nicht teilen, aber aushalten muss? Oder um Hetze, die strafrechtlich geahndet werden muss? Doch wenn ja, wer entscheidet das? Und wo ist die Grenze? Auch in NRW gibt es zu diesen Fragen unterschiedliche Einschätzungen.

In einer Zeit, in der sich Teile der neuen US-Administration öffentlich um die Meinungsfreiheit in Deutschland sorgen, rückt das Thema nun auch in die Landesparlamente. Einige d eutsche Politiker wiederum sorgen sich angesichts von Fake News, Hass und Hetze in den Sozialen Medien um die Demokratie. Sie fordern strengere Regeln - und eine Abkehr von den mächtigen US-Techkonzernen. Wer hat nun recht?

Das Internet sei nicht mehr &bdquo;frei“; Oligarchen hätten es &bdquo;an sich gerissen“, sie kontrollierten darüber die politische Öffentlichkeit und hätten aus &bdquo;Hass und Hetze“ ein Geschäftsmodell gemacht, meint SPD-Fraktionschef Jochen Ott. &bdquo;Die allermeiste Kommunikation fließt über die Plattformen weniger Konzerne. Jeden Tag kontrollieren sie etwas mehr von dem, was wir wissen, kaufen und denken sollen.“ Fünf Konzerne - Microsoft, Meta, Alphabet, Apple und Amazon - teilten sich zwei Drittel des deutschen Internet-Verkehrs. Sie besitzen laut Ott eine &bdquo;umfassende Monopolmacht“ und würden spätestens Ende des Jahrzehnts entscheiden, welche Menschen welche Informationen erhalten werden - &bdquo;vielleicht sogar, was wahr ist und was nicht.“ Es sei Zeit für politischen Widerstand. &bdquo;Wir wollen digitale Souveränität für Deutschland und Europa“, sagt Ott und fordert, die Plattformen &bdquo;unter Kontrolle“ zu bringen.

AfD wirft SPD Unglaubwürdigkeit vor Die AfD hält das für unglaubwürdig. Das Thema störe die SPD erst jetzt, wo es in den USA eine Regierung gebe, die Meinungsfreiheit &bdquo;groß“ schreibe, sagt der AfD-Landtagsabgeordnete Sven Tritschler. &bdquo;Washington ist jetzt nicht mehr Ihr Komplize bei der Zensur im Netz.“ Der AfD-Politiker stört sich auch am Monopol-Vorwurf der SPD und meint, dass dies ja auch in Deutschland der Fall sei. Der staatliche Rundfunk halte im deutschen Fernsehmarkt einen Anteil von rund 40 Prozent - &bdquo;den Rest teilen sich zwei Medienkonzerne“, sagt Tritschler. Im Radiomarkt seien es gar 55 Prozent und in 45 Prozent der deutschen Landkreise hätten Bürger nur eine lokale Tageszeitung zur Auswahl. Es sei gut, dass inzwischen zahlreiche journalistische Start-ups gegründet würden, meint der Politiker.

Sowohl NRW als auch Deutschland sind zu klein, um sich erfolgreich mit den Techgiganten anzulegen; dafür bräuchte es schon ein geschlossenes Vorgehen der Europäischen Union. Auch der Aufbau einer europäischen Nachrichten- und Medienplattform, so wie ihn die SPD fordert, steht aktuell wohl in den Sternen. Doch die EU versucht seit einem Jahr auf anderem Wege, zumindest etwas Kontrolle in den Sozialen Medien zurückzugewinnen. Kritiker sehen dadurch die Meinungsfreiheit gefährdet.

Eine Verordnung, der &bdquo;Digital Services Act“, regelt, dass alle Plattformen gegen illegale Inhalte vorgehen müssen, indem sie diese bei Kenntnis zügig entfernen und auch Straftaten melden. Die EU fordert die Plattformen zudem auf, die technischen Instrumente offenzulegen, die dafür verantwortlich sind, dass Nutzern bestimmte Inhalte und Seiten angezeigt werden – also quasi die Funktionsweise der Algorithmen.

Ein Tool aus NRW spürt Verstöße im Internet auf Das Land NRW greift zudem seit fünf Jahren auf ein Instrument namens &bdquo;Kivi“ zurück, mit dem es das Internet mittels Künstlicher Intelligenz auf Rechtsverstöße hin durchsucht. Das Tool kontrolliert pro Tag etwa 10.000 öffentliche Social-Media-Profile und Webseiten und hat bis heute mehr als 40.000 &bdquo;kritische Fälle“ angezeigt. Diese werden von Juristen der Medienanstalten gegengeprüft. 8.600 Maßnahmen wurden so eingeleitet. In einigen Fällen kommt es zu Strafanzeigen. Und die Medienanstalten übernehmen die Durchsetzung des Verbreitungsverbots von strafrechtlich relevanten und jugendgefährdenden Inhalten in sozialen Netzwerken – in 90 Prozent der Fälle mit Erfolg.

Über die eingangs erwähnte Aussage &bdquo; Freie deutsche Meinungen! Gebt Deutschland den Deutschen zurück!“ ließe sich vielleicht noch streiten. Anders sieht es aus, wenn man den vollständigen Post liest: &bdquo;Die deutschen Führer lassen zu, dass die Juden den Deutschen weiterhin den Stiefel an die Kehle drücken. In Amerika stehen uns die Juden in einem gekaperten System an der Kehle. Der Holocaust war eine Lüge. Freie deutsche Meinungen! Gebt Deutschland den Deutschen zurück!“ Dieser Post wurde &bdquo;gemeldet“ und anschließend offline genommen.

Die SPD hält diese Ansätze für richtig und fordert eine Verschärfung. Die Landesanstalt für Medien solle Inhalte auf den Plattformen &bdquo;uneingeschränkt“ mittels KI überprüfen dürfen, zudem brauche es eine gesetzliche Verpflichtung zur einer unabhängigen Überprüfung von Algorithmen.

FDP sieht eine staatliche Moderation von Kommunikation kritisch Forderungen nach einer &bdquo;fürsorglichen staatlichen Moderation“ oder eine &bdquo;Untersagung schädlicher Kommunikation oder Desinformation“ bezeichnet die FDP derweil als bedenklich. &bdquo;Wer zieht da im Einzelfall die Grenze? Wer hat die alleinige Wahrheit für sich und andere gepachtet?“, fragt Fraktionsvize Ralf Witzel. &bdquo;Auch abwegige Meinungen oder ungewünschte Verhaltensweisen sollte man als Erwachsener aushalten müssen, insofern diese kein rechtliches Verbot berühren.“ Recht und Gesetz seien stets der Maßstab einer staatlichen Befugnis zum Eingreifen und nicht &bdquo;Fragen des eigenen Geschmacks“.

Die AfD befürchtet, dass die Suche nach Rechtsverstößen durch das Tool &bdquo;kivi“ im Verborgenen passiert - &bdquo;keiner enthält Einblick in Zensur-Software.“ Man wisse nicht, wer und nach welchen Kriterien durchsucht werde. &bdquo;Wir wollen keine KI-gestützte Meinungskontrolle, wir sagen ’nein’ zu chinesischen Verhältnissen.“

Diese Aussagen weist NRW-Innenminister Herbert Reul als &bdquo;Fehlinterpretationen“ zurück. Zur Demokratie gehöre es, dass Meinungen frei geäußert werde könnten - aber auch, dass Rechte Grenzen hätten, und zwar in den Grundrechten Anderer. &bdquo;Meinungsfreiheit ist ein hohes demokratisches Gut, aber eben auch nicht unbegrenzt“, so Reul. Sie findet ihre Grenzen in allgemeinen Gesetzen, in Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre – &bdquo;und da findet im Netz genug statt, über das wir alle immer klagen“, sagt Reul. Verletzt würden diese Grenzen unter anderem durch Aufrufe zu Straftaten und Gewaltverherrlichung. Um die Grenzen zu schützen, brauche es die Landesmedienanstalten mit ihren Instrumenten wie &bdquo;kivi“.

Inwieweit es der EU gelingen wird, zumindest über diese Instrumente Einfluss auf den Alltag in den Sozialen Medien zu nehmen, ist derzeit offen. Das Land NRW jedenfalls hat angekündigt, sich auf EU-Ebene für mehr Druck auf die Tech-Giganten einzusetzen - und stimmt auf einen &bdquo;tiefgreifenden Konflikt“ ein.

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