Landwirtschaft der Zukunft? Bauer aus dem Kreis Höxter züchtet Gemüse in Wasserrinnen

Bad Driburg. Daheim bei Michael Peine prallen Gegensätze aufeinander. Da ist zunächst sein Bauernhof, der eigentlich wirkt wie aus dem Bilderbuch. Schweine faulenzen im Stroh, frische Luft weht ihnen um die Rüssel. Derweil meckern nebenan Ziegen und teilen sich die Wiese mit ein paar Schafen und Pferden. Alles alte Rassen. Auf den ersten Blick herrscht also Landromantik in der Nähe von Bad Driburg im Kreis Höxter. Es scheint, als sei alles wie immer – und könnte noch Jahrzehnte so bleiben.

Doch dann ist da dieses Ding. Gleich in Sichtweite der Schweine. Ein Fremdkörper in der grünen Landschaft. Mit seinem Plastik und seinem Stahl passt es nicht ins Bild. Futuristisch wirkt es, wie vom Himmel gefallen. Doch wer mit Peine spricht, versteht, dass es eben doch passt. Zwar nicht in die Landschaft. Dafür in seine Vorstellung von Landwirtschaft.

Denn das längliche Gebäude steht für Peines Offenheit für Neues. Und für seinen Hang zur Pragmatik. In dem sogenannten Folientunnel nämlich züchtet der 38-Jährige Salate und Kräuter. Allerdings nicht wie man es kennt mit Wurzeln in der Erde. Nein. Peine macht Hydroponik. Das heißt: Sein Salat wächst im Wasser, genauer: in Wasserrinnen.

Not macht erfinderisch - auch beim Salatanbau Die Idee dahinter: Anstatt Unmengen Wasser auf Salatköpfe zu gießen, von dem das meiste ungenutzt im Erdreich versickert, werden die Pflanzen fast ohne Verlust versorgt. Durch weiße Rinnen aus Kunststoff wird eine Nährlösung gepumpt. Alle paar Minuten. Die Pflanzen nehmen mit ihren Wurzeln, was sie brauchen. Der Rest fließt zurück in einen 1.000-Liter-Tank – und von da aus dann bald wieder zu den Salaten und Kräutern. Ein Kreislauf. Kaum etwas geht verloren.

Seit Mai 2025 experimentiert der studierte Betriebswirt nun mit der Technik und sagt über sich selbst mit einem Schmunzeln: &bdquo;Ich habe eigentlich keine Ahnung davon“. Er sei ja kein gelernter Landwirt. Auch kein Gärtner. Und doch baut er nun Salat an – und das auf eine Weise, zu der Mut gehört. Oder Not. Und die macht erfinderisch.

&bdquo;Wir haben hier schlechten Boden“, sagt Peine. Für den Salatanbau sei die Erde nicht geeignet. Doch zugleich kamen von seinen Kunden Nachfragen. Warum er denn in seinem Laden in Bad Driburg neben Fleisch und Wurst nicht auch Salat anbiete, was Grünes eben?

Anlage erlaubt Anbau bis November Peine hat das ins Grübeln gebracht. Die Lösung für das Problem zeigte sich im Herbst 2024. Da habe er erstmals eine Hydroponik-Anlage gesehen. Bei Karlsruhe. Peine ist Feuer und Flamme. Nimmt Kontakt auf mit einem Hersteller und beginnt im Mai des Folgejahres mit dem Salatanbau. Seitdem gedeihen Reihe für Reihe Lollo Rosso und Lollo Bianco, Eichblatt- und Kopfsalat. Und neuerdings strecken auch Salbei, Petersilie und Basilikum ihre Wurzeln in das Wasser.

Bis zum 1. November wird er in der Anlage voraussichtlich noch Salat anbauen können. Denn der Folientunnel halte zumindest die ersten Nachtfröste draußen, sagt Peine. Losgehen könne es dann schon wieder ab März.

Schon Tausende Salatköpfe verkauft Wie viele Salatköpfe er mittlerweile verkauft habe? Peine kann das nur schätzen. In die Anlage passen 800. Mehrere Tausend werden es wohl gewesen sein, meint er. Nicht verraten, möchte er derweil, wie teuer die Anlage samt Folientunnel gewesen ist.

In jedem Fall aber werde sie Kosten sparen, betont er. Zum einen für Wasser. Im Vergleich zum Freilandanbau geht Peine von einer Ersparnis von 80 Prozent aus. Zudem können solche Anlagen auch Arbeitskosten sparen, sagt Peine. Denn wer Salat herkömmlich anbaut, muss Unkraut hacken und Schädlinge abwehren.

Experte sieht Hydroponik als Lösung Ab einer gewissen Größenordnung gehe das aber nicht mehr alleine. Dann brauche es Helfer, die nach Mindestlohn bezahlt werden müssten. In seiner Anlage hingegen gebe es kein Unkraut, sagt Peine. &bdquo;Abgesehen von der Ernte, zupfe ich hier und da mal ein welkes Blatt, mache die Wasserrinnen sauber und kontrolliere die Nährlösung.“ Ansonsten falle nicht viel Arbeit an.

Aus Sicht von Simon Vogel gehört der Hydroponik nicht nur deswegen die Zukunft. Der Forscher beschäftigt sich am Fraunhofer Institut in Aachen mit neuen Agrarsystemen.

Mit Blick in die Zukunft sagt er: &bdquo;Man geht davon aus, dass die Technik der neue Standard in der Landwirtschaft wird.“ Das gilt vor allem für die kontrollierte Aufzucht in Kreislauf-Systemen. Denn gerade wegen des Klimawandels werde fehlendes Wasser künftig ein Problem. &bdquo;Da ist es essenziell, dass wir besonders wasserschonend arbeiten.“

Salat aus der Rinne auch für Kunden interessant Außerdem könne auf kleiner Fläche viel mehr angebaut werden als im Freiland. Die Pflanzen werden ja in entsprechenden Gestellen über einander angeordnet – statt nur nebeneinander gepflanzt zu werden wie in der herkömmlichen Landwirtschaft. Das bedeute, dass Flächen, die bisher landwirtschaftlich genutzt worden seien, wieder frei würden. Diese könnten renaturiert werden, meint Vogel.

Und finanziell seien zunächst zwar große Investitionen für die Anlage und das Gewächshaus oder den Folientunnel nötig. Dem stünden jedoch größere Erträge gegenüber. &bdquo;Das rechnet sich“, sagt Vogel. Darüber hinaus würden die Kunden ein Produkt bekommen, das nicht gewaschen werden müsse und nicht von Schädlingen befallen sei. Zudem bleibe der Salat über mehrere Tage frisch, sagt der Wissenschaftler. Denn er wird mit Wurzel verkauft und kann ins Wasser gestellt werden.

Für den Geschmack macht die Aufzucht im Wasser hingegen keinen Unterschied, sagt Vogel. Ausschlaggebend seien hier der Folientunnel oder das Gewächshaus. Sie schirmen die Pflanzen von der UV-Strahlung der Sonne ab. Deswegen würden sie nicht so eine starke Schutzschicht bilden, seien deswegen zarter und geschmacklich überlegen.

Skepsis bei älterer Kundschaft In Michael Peines Geschäft in Bad Driburg waren gerade die älteren Kunden aber zunächst skeptisch. &bdquo;Der Salat kann ja gar nicht schmecken, wenn er nicht aus der Erde kommt“, hieß es da. Doch die Salate aus Wasserrinne und Folientunnel hätten überzeugen können. Die Kundschaft sei zufrieden und der Absatz sei gut.

Pro Salatkopf verlange er aktuell zwei Euro, sagt Peine. &bdquo;Das ist unser Einführungspreis.“ Später wolle er nach Sorten unterscheiden. Zufrieden ist er aber auch jetzt schon. Denn neben der guten Resonanz der Kunden habe er das Gefühl, mit seinem Salatanbau auch sonst Gutes zu tun, sagt Peine und spricht vom Klimawandel und der Schonung von Ressourcen. Auch passe der Salat einfach gut in seine unternehmerische Idee: &bdquo;So groß wie nötig, so gut wie möglich“ – so wolle er seinen Betrieb führen und dabei alten Traditionen wie auch neuen Ansätzen eine Chance geben.

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