Wissenschaftlerin aus Bielefeld kann erklären, wie KI wirklich funktioniert

Bielefeld. Barbara Hammer ist ein positiver Mensch. Sie lacht gern und viel. Wer mit ihr spricht, erkennt fix: Für sie ist das Glas eher halb voll als halb leer. Ihr Schreibtisch ist aufgeräumt, auf der Fensterbank ihres Büros im CITEC der Universität Bielefeld stehen etliche Grünpflanzen, eine etwas verkümmert. Das ist die Arbeitsumgebung einer der profiliertesten Wissenschaftlerinnen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) in Deutschland.

Sie habe schon viele Angebote aus dem In- und Ausland erhalten, dort zu forschen. Aber sie bleibe lieber in Bielefeld, weil sie viele Möglichkeiten und Freiheiten habe. &bdquo;Ich wollte schon immer nach Bielefeld, weil ich es hier schon immer fantastisch fand“, sagt die gebürtige Mannheimerin mit ein paar Jahren Aufenthalt auf Spiekeroog.

Eigentlich wollte sie ja Mathe-Professorin werden, seit sie fünf war, erzählt sie – und lacht: &bdquo;Mathematik ist die reine Wahrheit“, sagt sie ausgerechnet einem, der Mathe schon vor dem Abitur abgewählt hatte.

Was kann die KI wirklich? Also hat sie Mathematik studiert mit Informatik als Nebenfach und dabei insbesondere Vorlesungen aus der Theoretischen Informatik belegt. Da geht es weniger ums Programmieren, sondern um die Frage: Was kann die Informationstechnologie (IT) überhaupt? Und inzwischen: Was können ChatGPT & Co., also eine Spielart der Künstlichen Intelligenz, eigentlich wirklich?

Dabei geht es wissenschaftlich ausgedrückt um maschinelles Lernen. Wie lernen die Computer aus Daten? Zu Beginn der Entwicklung in den 80er-Jahren hätten sogenannte Expertensysteme den Ton angegeben. Die wurden programmiert und konnten nur Fragen beantworten, deren Antworten zuvor programmiert worden waren.

Aus der Information, dass ein Mensch hustet, schlussfolgerte das System &bdquo;der Mensch ist krank“, weil diese Information hinterlegt war. Maschinelles Lernen jedoch lernt eigenständig. Das war zu Beginn ihres Studiums 1989 &bdquo;noch in den Kinderschuhen“, wie die 55-Jährige sagt. Dass Maschinen durch eigenständiges Verknüpfen von Daten (neuronale Netze) wie das menschliche Gehirn zu neuen Ergebnissen kommen, ist erst eine spätere Entwicklung, an der Dr. Hammer beteiligt war und ist.

Bielefelder Expertin: Zu Anfang von KI herrschte &bdquo;Wildwest“ &bdquo;Damals war Wildwest, ohne jede Formalisierung“, erinnert sie sich. Ein Regenwurm habe ein paar Hundert Neuronen im Gehirn, der Mensch Milliarden, mit deren Hilfe er Bilder erkennen und interpretieren könne. Das habe die Technik vom Menschen &bdquo;abgeschaut“. Deshalb kann ein neuronales System Menschen erkennen und Hunde von Katzen unterscheiden.

Hammer: &bdquo;Die KI lernt aus Daten wie ein Kind immer mehr dazu.“ Komplizierte Sachverhalte verständlich erklären kann die Professorin also auch. Selbst wenn sie vor lauter Begeisterung ohne Punkt und Komma redet, wenn es um ihre Profession, ihr Spezialgebiet geht. Sie lebt das Thema.

Wichtig zum Verständnis sei, dass es nicht nur &bdquo;die eine“ KI gebe. Was in der Öffentlichkeit über ChatGPT und andere System, also sprachbasierte KI, diskutiert und von vielen schon genutzt werde, sei nur ein ganz kleiner Teil der Entwicklung rund um die KI. Zu Beginn der Entwicklung gab es viel zu wenig Daten, von denen die Maschine lernen konnte. Erst die Masse von Daten und die Grafik-Prozessoren (GPU), die Lernen effizient machten, brachten zusammen &bdquo;einen Riesenboost“ in den Fortschritt.

Bielefelderin entwickelt KI-Verfahren für Überwachungssoftware Heutige KI-Verfahren sei nichts anderes als die Verbindung zwischen Daten. Wissen und Lernen zusammen, sei deshalb der große IT-Hype der Gegenwart. &bdquo;Das war Thema meiner Doktorarbeit vor 25 Jahren“, sagt sie nicht ohne Stolz, die Zukunft quasi früh erkannt zu haben.

Und so entwickelte sie KI-Verfahren für eine Überwachungssoftware für eine große Raffinerie. Sensoren charakterisieren den Zustand einer Maschine, die KI analysiert diese Signale und folgert, ob und wenn ja welcher Schaden vorliegt. Die Technik hat gelernt, wann ein Mensch einschreiten und den Fehler beheben sollte.

Künstliche Intelligenz sei eine Blackbox Nun wäre die Mutter zweier Söhne nicht Barbara Hammer, wenn sie sich nicht auch Gedanken über die Folgen der rasanten technischen Entwicklung machte. &bdquo;Der Mensch muss verstehen, was die KI macht, um ihr trauen zu können. Wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Menschen mitkommen.“ Jede KI, jedes neuronale Netz mache Fehler. Denn eigentlich sei sie eine Blackbox.

Auch dafür hat Hammer ein eindrucksvolles Beispiel. Die Trinkwasserversorgung, bei der europaweit überraschend viel Wasser durch Lecks verloren geht: Die sensiblen Trinkwassernetze (ähnlich ist es beim Stromnetz) könnten in Qualität und Quantität gut von einer KI kontrolliert werden.

Aber man müsse ihr beibringen, nach welchen Kriterien sie im Notfall einen Teil des Netzes abschaltet. Ginge es nur nach ökonomischen Kriterien, würden immer dieselben Kunden abgeschnitten. Hammer: &bdquo;Das ist unfair.“ Man müsse ihr also Fairness beibringen.

Diese Probleme sind bei der KI zu berücksichtigen Und es gebe weitere Probleme. Das Deskilling beispielsweise. Der Mensch verliert seine eigenen Fähigkeiten, weil er alles von der Maschine erledigen lässt. Schon heute könnten viele nicht mehr Karten lesen und sich daran orientieren, weil sich alle auf GPS und Navi verlassen. &bdquo;Und was ist, wenn die Technik ausfällt?“ Fragt Hammer. Sie hat weitere Beispiele, von den Halluzinationen (unwahre Erfindungen) und über gefestigte Rollenbilder, die weiter transportiert werden.

Und noch ein Satz zum Abschied: &bdquo;In Sachen KI war Bielefeld schon immer ein brillanter Standort, bodenständig und nicht hierarchisch.“ Dass Barbara Hammer auf Hierarchie keinen Wert legt, glaubt der Besucher sofort.

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