
Wetter/Ruhr. NRW stellt mit der Deutschen Bahn 31 weitere Bahnhöfe zum Verkauf, davon 8 in OWL. Mit einigen Kommunen laufen bereits Gespräche. Um die Gebäude in Attraktionen umzuwandeln, entscheidet nicht nur Geld, sondern auch Geduld.
Es braucht schon etwas Fantasie, um sich auszumalen, worin der Lokalpatriotismus in Wetter an der Ruhr begründet liegt. Gewiss ist in der Kleinstadt im Südosten des Ruhrgebiets das eine oder andere Unternehmen ansässig, das es in die Beletage seiner Branche geschafft hat. Von jenem Glanz spürt jedoch nicht viel, wer erstmals auf einen Besuch vorbeischaut. Da erscheint einem die gepflegte neobarocke Architektur des Bahnhofs recht überraschend: ein Gebäude aus wilhelminischer Zeit, "unser Schmuckstück", wie Bürgermeister Frank Hasenberg sagt, dessen Stadt den Bahnhof gekauft hat. Wo einst das Reisezentrum war, ist heute ein Restaurant, statt Schaltern findet man Stadtbücherei und Schülerhilfe.
In der historischen Bahnhofshalle bot sich NRW-Verkehrsminister Michael Groschek nun eine schöne Gelegenheit, für das dritte sogenannte Empfangsgebäudepaket NRW zu werben; ein Konzept, um Bahnhöfe an die Kommunen zu veräußern. Landesweit stehen 31 Gebäude zur Disposition, in OWL sollen die Bahnhöfe in Altenbeken, Bad Oeynhausen, Bünde, Halle, Horn-Bad Meinberg, Minden, Windheim und Schieder die Eigentümer wechseln – für einen Preis "im mittleren sechsstelligen Bereich", wie es heißt.
Um die Geschäfte abzuwickeln, gründete das Land mit der Deutschen Bahn ein Tochterunternehmen, die Bahnflächen-Entwicklungsgesellschaft NRW, kurz BEG. Über die Firma haben die Geschäftspartner bisher 105 Bahnhöfe an die Kommunen gebracht und nach Groschek "somit vor dem Schicksal bewahrt, als Schandfleck zu enden". Mithin lobte er die "erfolgreiche, bundesweit einmalige Zusammenarbeit", bevor er die Atmosphäre des Musterexempels im Ruhrtal herausstrich. In Wetter, so scheint es, haben alle Parteien von dem Deal profitiert.
Es war jedoch ein steiniger Weg, bis sich das Gebäude zur Perle der Stadt entwickelt hat. Zum Erwerbszeitpunkt 2004 zahlten die Wetteraner zwar einen vergleichsweise geringen Betrag von 60.000 Euro, allerdings schlug dabei ein enormer Instandhaltungsrückstau zu Buche. "Das Gebäude war stark sanierungsbedürftig", sagt Bürgermeister Hasenberg. Es klafften Löcher im Dach, Risse zogen sich durch die Wände.
Zudem war der Umbau aufgrund des Denkmalschutzes mit einigen Auflagen verbunden. Und obwohl das Land 600.000 Euro in Fassade und Vorplatz steckte, sieht Hasenberg in dem Investment alles andere als ein Schnäppchen. "Das wars uns aber wert, der Bahnhof ist jetzt der Ankerpunkt unserer Stadt."
Ob sich die Bahnhöfe nach der dritten Auflage ebenso märchenhaft entfalten, hängt jeweils vom Standort ab. Für die meisten Gebäude in OWL sieht BEG-Chef Thomas Lennertz gute Voraussetzungen. Wer bereit sei, 1.000 Euro für ein Gutachten zu zahlen und dem Verkaufspreis zustimme, habe am Ende bis zu zwei Jahre Zeit, um Investoren zu finden.
Mit Bad Oeynhausen ist die Gesellschaft bereits in Gesprächen, "um ein faires Verfahren durchzuführen", sagt Carsten Kirchhoff von der BEG. In Halle und Altenbeken sieht er ebenfalls aussichtsreiche Chancen, den Wetteranern nachzueifern. In Horn-Bad Meinberg schließt Kirchhoff derweil den Abriss des "tristen Gebäudes" nicht aus. Kaum positiver fällt das Urteil über Windheim aus, wenngleich das Gebäude erhalten werden soll. In Schieder ist die DB Netz AG derweil noch mindestens zehn Jahre Mieterin.
Obwohl an einem der ältesten deutschen Inselbahnhöfe in Minden einige Räume leerstehen, hofft die BEG auf das Umfeld. In Bünde sieht die BEG noch Luft nach oben. "Das wird spannend", so Kirchhoff beim Gedanken an die wenig einladende Raucherkneipe. Bündes Bürgermeister Wolfgang Koch kann sich die Übernahme derweil vorstellen. "Ich denke, dass wir das gut machen können."