
Bielefeld. Sinkende Fleischpreise, volle Tiefkühllager: Die Produktion und Verarbeitung von Schweinefleisch in Deutschland wird zu einem immer größeren Risiko. Die Folge: Die Zahl der schweinehaltenden landwirtschaftlichen Betriebe geht immer weiter zurück. Doch auch für die großen Schlachtbetriebe werden die Bedingungen härter. Branchenriese Vion stöhnt über Milliarden-Schulden.
"Wir haben zurzeit einen Erzeugerpreis von 1,65 Euro", berichtet Hubertus Beringmeier, Landwirt in Hövelhof und Vorsitzender des Veredelungsausschusses beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV). Mit dem aktuellen Preis "sind keine Gewinne zu erwirtschaften", so Beringmeier. Man brauche deutlich mehr.
"Mehr als ärgerlich", so der Landwirt, sei deshalb, dass die NRW-Landesregierung im Bundesrat einen Vorstoß zur Änderung der Nutztierhaltungsverordnung unternehme. "Wir verschließen uns nicht Veränderungen", doch jede weitere Auflage werde insbesondere kleinere Produktionsbetrieben die Existenz kosten. Die Zahl der Schweinehalter hat sich in Ostwestfalen-Lippe seit 1986 drastisch verringert (s. Infokasten). Der Durchschnittsbetrieb umfasste 2010, dem Jahr der jüngsten Zählung, gut 550 Tiere.

Das NRW-Landwirtschaftsministerium kündigte an, man werde am Donnerstag die Öffentlichkeit informieren, welche weiteren Auflagen man im Bundesrat für Erzeugerbetriebe ins Gespräch bringen will. Das Länderparlament tagt am Freitag. Insidern zufolge soll es im Wesentlichen um eine Verschärfung der Tierschutzauflagen gehen.
"Durchweg getrübt" sei die Stimmung im Fleischhandel, stellt die Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn im aktuellen Bericht fest. In fast ganz Europa übertreffe derzeit das vorhandene Schlachtschweineangebot die Nachfrage. AMI-Expertin Mechthild Cloppenburg schätzt, dass die Lager in Deutschland zu mindestens 80 Prozent gefüllt seien. "Selbst wenn der Markt jetzt anziehen würde, würde das erst mal aus den Lagern bestückt."
Die Branche gehe davon aus, dass die Fleischproduktion in der zweiten Jahreshälfte um rund zwei Prozent zurückgehen werde. "Die Zahlen zeigen, dass der Verdrängungswettbewerb massiv an Schärfe zugenommen hat", so Torsten Staack, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), angesichts stagnierender Schlachtzahlen.
Besonders betroffen ist das in den Niederlanden ansässige Unternehmen Vion. Es will laut Lebensmittelzeitung durch den Verkauf der Ingredients-Sparte Schulden tilgen, die laut dem Blatt bei rund 1,3 Milliarden Euro liegen sollen. "Die genannte Zahl können wir nicht bestätigen", so Vion-Sprecher Karl-Heinz Steinkühler. Man beteilige sich nicht an "Spekulationen von Medien". Die Schlachtzahlen bei Vion seien "nicht rückläufig", die Lagerbestände unterschieden sich nicht von denen anderer Marktteilnehmer aus der Branche.
"Wenn an einer Stelle weniger geschlachtet wird, hat man ein Überangebot an Schweinen", sagte Markus Eichler, Sprecher der Firma Tönnies, die laut ISN mit 16,1 Millionen geschlachteten Schweinen 2012 erneut Branchenprimus in Deutschland war. Eichler sprach von einem "nicht normalen Verlauf der ersten vier Monate" dieses Jahres.