Free-to-Play wird gerne als modernes, demokratisches Geschäftsmodell gefeiert: Ein paar Prozent der Community bezahlen so viel, dass alle anderen kostenlos spielen können. Auch in dem zuletzt von uns rezensierten F2P-Game „Where Winds Meet“ trägt diese kleine Minderheit die gigantischen Kosten für Entwicklung, Server und ständige Updates – und ermöglicht Millionen Menschen ein kostenloses Spielerlebnis. Das ist bemerkenswert, und es verdient Anerkennung.
Aber es ist nur die eine Seite der Geschichte. Denn dieses Modell hat nicht nur Gewinner, sondern auch Risiken, die man nicht verschweigen darf. Free-to-Play finanziert sich über Mechaniken, die nicht zufällig funktionieren, sondern psychologisch wirkungsmächtig sind: FOMO, exklusive kosmetische Items, limitierte Angebote, Prestige-Mounts, Eventdruck. Sie funktionieren, weil sie bei manchen Menschen tiefer wirken als bei anderen.
Und damit kommen wir zur unbequemen Wahrheit: Diejenigen, die zahlen, tun es nicht immer aus reiner Großzügigkeit. Manche zahlen, weil sie es nicht lassen können.
FOMO ist längst ein Teil des Geschäftsmodells
Gerade junge Spielerinnen und Spieler sind anfällig für Trends, Social Pressure und kosmetische „It-Items“, die definieren, wer dazugehört und wer nicht. FOMO – die Angst, etwas zu verpassen – ist längst ein Teil des Geschäftsmodells. Das muss nicht automatisch gefährlich sein, aber es kann gefährlich werden.
Es gibt Spieler, die verlieren die Kontrolle. Es gibt Erwachsene, die heimlich Budgets überziehen. Es gibt Jugendliche, die ohne ausreichende Medienkompetenz in digitale Kaufspiralen rutschen. Es gibt Menschen, die am Ende Schulden machen – für Items, die keinen realen Wert haben.
Und das ist der Punkt, an dem die romantische Vorstellung der „digitalen Mäzene“ zerbricht. Denn nicht alle, die viel zahlen, tun das freiwillig. Einige tun es, weil Mechaniken sie dahin schieben.
Wo bleibt die Verantwortung?
Wo bleibt also die Verantwortung? Natürlich liegt ein Teil davon bei den Studios. Und sie tragen sie auch – zumindest teilweise. Sie müssen Grenzen ziehen, transparente Preise anbieten, FOMO im Zaum halten, übermäßige Monetarisierung vermeiden. Manche Studios tun das, andere nicht.
Aber es gibt auch eine Verantwortung, über die selten gesprochen wird: Die Verantwortung der Mehrheit, also derjenigen, die kostenlos spielen. Denn auch sie profitieren von einem System, das möglicherweise auf Kosten einiger weniger funktioniert. Wenn einige Spieler am Ende unter Druck geraten, wenn Jugendliche in Versuchung geführt werden, wenn einzelne in Schuldenfallen rutschen, dann kann man sich fragen: Ist es fair, dass die Minderheit für die Mehrheit zahlt – ohne dass die Mehrheit Rücksicht auf sie nimmt?
Das „Musketier-Prinzip“
Vielleicht bräuchte es tatsächlich eine Art „Musketier-Prinzip“: Einer für alle – und alle für einen. Ein Modell, in dem Free-to-Play-Spieler nicht nur konsumieren, sondern auch Verantwortung übernehmen. Etwa indem sie problematische Designs kritisieren. Feedback geben. Gegen übermäßige FOMO-Mechaniken protestieren. Oder indem Communitys klar Position beziehen, wenn Monetarisierung ins Ungesunde kippt.
Denn es kann nicht die Zukunft sein, dass ein Geschäftsmodell sich darauf verlässt, dass fünf bis zehn Prozent der Spieler zahlen – und einige davon zu viel zahlen. Eine solidarische Community muss anerkennen: Wir profitieren von denen, die zahlen. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass sie daran zerbrechen.
Das heißt nicht, Free-to-Play zu verteufeln – im Gegenteil. Es ist ein faszinierendes und oft sehr faires Modell. Doch wie bei jedem System, das auf einem Ungleichgewicht basiert, braucht es Wachsamkeit, Medienkompetenz und gemeinsame Verantwortung.
Wir können das Modell feiern. Wir können seine Fairness loben. Wir können die Freiheit genießen, die es bietet. Aber wir müssen die Schattenseiten sehen. Und wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass niemand unter ihnen verschwindet.