Eigentlich, sagt Dr. Wieland Kinz, sollte man Kinderwinterschuhe am besten schon im September oder Oktober kaufen. Doch wer das nicht gemacht hat, muss jetzt welche kaufen. Ob im stationären oder Online-Handel: Damit die Füße nicht nur gut durch den Winter kommen, sondern auch weiter gut wachsen können, kommt es nicht nur auf warm und am besten wasserdicht an. Worauf dann?
1. Innenlänge statt Größe
Einfach eine 34? Lieber nicht. «Bei Untersuchungen stellen wir immer wieder fest, dass Kinder viel zu kurze Schuhe haben und dadurch nachweislich ihre Füße schädigen», berichtet der Experte vom österreichischen Forschungsteam «Kinderfüße-Kinderschuhe». Daher ist die Innenlänge das Entscheidende. Diese sollte mindestens zwölf Millimeter länger sein als die Füße - vom längsten Zeh gemessen -, maximal aber 17 Millimeter. Das ist übrigens einer Untersuchung von Kinz und seinen Kollegen zufolge tatsächlich ziemlich genau die Breite eines durchschnittlichen Daumens (17 bis 18 Millimeter): Die Regel mit dem Daumen gilt also.
Und wie kriegt man die raus?
- Schablone vom Fuß machen: Kind auf ein Stück Papier oder Karton stellen und mit einem Stift den Umriss beider Füße nachzeichnen. Bei der längsten Zehe zwölf Millimeter hinzufügen: Das ist die mindestens erforderliche Innenlänge.
Dann die Endpunkte verbinden und einen circa zwei Finger breiten Streifen ausschneiden (der passt leichter in den Schuh als die ganze Schablone). In den Schuh stecken. Wenn die Schablone nicht hin und her rutscht oder sich biegt, ist die Länge perfekt.
- Mit dem Plus12, einem speziellen Messgerät: Kind auf das Plus12 stellen und den Fuß von der Ferse bis zu längsten Zehe messen. Das Plus12 fügt beim Füßemessen automatisch zwölf Millimeter zur Fußlänge hinzu, so dass man beim Ablesen des Werts direkt die erforderliche Innenlänge hat. Mit dem Gerät kann man auch direkt im Schuh nachmessen.
Wer die Schuhe schon vor Saisonstart kauft, arbeitet mit den 17 Millimetern.
Ansonsten rät Kinz Eltern: «Wenn ihr Onlineschuhe kauft, dann schreibt den Onlinehändler an und besteht auf die Angabe der Innenlänge. Und wenn ihr im Schuhhandel kauft, macht genau dasselbe. Stellt die blöde Frage: "Wie lang sind die Füße meiner Kinder in Millimeter? Wie lang sind die Schuhe in Millimeter Innenlänge?"». Auch wenn man auf Widerstand stoße - es sei wichtig, dass die Händler das lernen und machen.
2. Material und Sohle
Schön stabil sollen sie sein? Auch da sagt Fußexperte Kinz nein. «Wenn Winterstiefel zu steif sind, dann ist das eine sehr, sehr schlechte Eigenschaft.» Er verweist auf eine Studie mit der ETH in Zürich, in der die Forschenden herausfanden, dass schon normale Straßenschuhe bis zu 30 Prozent Gelenkbeweglichkeit nehmen. «Je steifer der Schuh, umso weniger kann sich der Fuß im Schuh bewegen, umso weniger wird die Muskulatur trainiert, umso weniger widerstandsfähig ist der Fuß des Kindes gegen mögliche Überlastungen.»
Im Umkehrschluss: «Je weicher, flexibler die Schuhe sind, umso mehr werden die Muskeln bewegt und umso stabiler sind die Füße. Also ganz einfach im Schuhgeschäft mehrere Winterstiefel in die Hand nehmen - und je weicher und beweglicher die Sohle ist, desto besser.»
Ein weiterer Tipp von Kinz: der Wassertropfen-Test. Damit kann man das Innenmaterial von Winterstiefeln checken. «Man taucht die Hand ganz kurz in kaltes Wasser und schleudert einen oder mehrere Tropfen auf das Innenfutter der Schuhe. Und dann schaut man, wie schnell dieser Tropfen absorbiert wird. Er soll bei einem aufnahmefähigen Material in wenigen Sekunden komplett weg sein. Bleibt der Tropfen stehen, dann ist das kein Material, das Feuchtigkeit aufnehmen kann - und damit ist es aber auch nicht für Winterschuhe geeignet.»
3. Socken
Die sind gar nicht egal, sondern aus zwei Gründen wichtig. Der erste: Damit der Winterschuh warm hält, aber nicht zu warm, kommt es auf das Material der Socken an.
«Kinder haben die gleiche Anzahl an Schweißdrüsen am Fuße wie Erwachsene, aber viel kleinere Füße», erklärt Wieland Kinz. «Das heißt, auf diesem kleinen Raum wird eigentlich mehr Feuchtigkeit produziert als bei großen Füßen. Wenn sie Baumwollsocken in Winterstiefeln tragen, die relativ dicht sind und nicht so atmungsaktiv, dann werden die Kinder innerhalb kürzester Zeit in klatschnassen Socken in diesen Stiefeln stehen.»
«Wir empfehlen darum im Winter eine Kombination aus Wolle und synthetischen Fasern, auch wenn das manche Eltern nicht so gerne hören. Da können wir sagen, Wolle ist dann immer noch die bessere Wahl als Baumwolle. Ganz einfach, weil Wolle die Fähigkeit hat, im Inneren der Faser viel mehr Flüssigkeit zu speichern als Baumwolle.»
Der zweite: Socken können Füße regelrecht einengen. Moment - die sind doch elastisch? Aber: «Wir haben in Röntgenuntersuchungen herausgefunden, dass Füße in Socken üblicherweise kürzer und schmäler sind», berichtet Kinz - «weil Socken immer zu eng und zu kurz getragen werden, und oft auch länger als Schuhe». Und das wiederum sei «vom schädigenden Einfluss viel, viel schlimmer».
Damit hat sich dann auch die Frage nach zwei Paar Socken übereinander erledigt: «Eher nein. Und zwar deswegen, weil wir dann so viel Druck auf den Fuß machen, dass es einfach zu viel ist.» Kinz' Appell: «Achtet bitte darauf, dass die Socken lang und breit genug sind.»
Socken - die sind übrigens für den Experten auch die bessere Alternative zu Hausschuhen, die häufig auch eine Vollgummisohle haben, denn sie ermöglichen «noch ein bisschen mehr Elastizität». Und unabhängig von der Saison gelte: «Je öfter wir, ganz egal in welchem Alter, dran denken, weg mit den Schuhen, weg mit den Socken, barfuß gehen, desto besser für die Füße.»
Dr. Wieland Kinz ist Sportwissenschaftler und Autor des Buches «Kinderschuhe Kinderfüße Kindersocken».