Bielefeld/Höxter. Die Anklageschrift, in der Angelika und Wilfried W. wegen Mordes durch Unterlassen in zwei Fällen angeschuldigt sind, ist allen Beteiligten zugegangen. Sollte es seitens der Verfahrensbeteiligten keine Einwände geben, wird Bernd Emminghaus als Vorsitzender Richter des Landgerichts Paderborn das Hauptverfahren eröffnen. Am 26. Oktober findet der erste Prozesstag statt.
Waren die Verhandlungen anfangs nur bis Ende Januar nächsten Jahres terminiert, geht Bernd Emminghaus nach Rücksprache mit den beiden Strafverteidiger davon aus, dass bis Ende März verhandelt wird. Die Anklage „Mord durch Unterlassen" sei Neuland für ihn, hinzu kämen die außergewöhnlichen Umstände der Straftaten. Für die Vorbereitung seien zudem 2.500 Seiten der Prozessakte und zusätzliche Nebenakten durchzuarbeiten. Neben 48 Zeugen, die in der Anklageschrift erwähnt sind und vermutlich angehört werden müssen, haben sich auch drei Nebenkläger der Anklage der Staatsanwaltschaft angeschlossen.
Der Vater einer zu Tode gequälten Frau sowie die Mutter des zweiten Folteropfers werden durch Anwälte aus Berlin und Dortmund vertreten. Christel P., die über fast vier Monate im Horrorhaus in Höxter-Bosseborn gequält wurde und mit schwersten Verletzungen überlebte, hat sich eine Anwältin aus Dessau genommen.
Nach der Anklageschrift hatte sie im Herbst 2011 den Wilfried W. über eine Partnerschaftsanzeige kennengelernt. Nach intensiven Kontakten über SMS und Telefon versuchte Wilfried W., ihre Lebensführung komplett zu kontrollieren und sie zu dominieren. Weil er ihr große Liebe vorspiegelte, zog die Frau Ende November 2011 nach Bosseborn. Anfang 2012 begannen die Quälereien. Angelika W. sprühte ihr in fünf Fällen, so die Anklageschrift, Pfefferspray in das Gesicht. Wilfried W. brachte sie zu Boden, setzte sich auf ihren Oberkörper und würgte sie mit beiden Händen bis kurz vor der Bewusstlosigkeit.
Im Frühjahr 2012 schlug er der Frau in den Stallungen des kleinen Gehöftes mit einer Schaufel mit voller Wucht vor den Kopf. Der Schlag riss sie zu Boden und verursachte eine stark blutende Platzwunde auf der Stirn. Am 23. März durfte die Frau das Haus verlassen und wurde von den Angeschuldigten zum Bahnhof nach Braunschweig gefahren und hier in den Zug nach Magdeburg, ihrem Heimatort, gesetzt. Zuvor musste Christel P. eine Erklärung unterschreiben, dass es zu keinerlei Straftaten gegen sie gekommen sei.
Kati K., eine weitere Zeugin, die Wilfried W. Mitte 2008 kennenlernte, berichtet, dass sie im Folterhaus unter Zwang Tabletten einnehmen musste, die zu Depressionen und eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit führten. Unter Mithilfe ihrer Familie gelang es ihr, sich aus dieser Beziehung zu lösen. Um einen reibungslosen Prozess zu gewährleisten, werden Ergänzungsrichter- und Schöffen an allen Verhandlungen teilnehmen, um bei Krankheit jederzeit einspringen zu können.