Im nächsten Millionen-Prozess gegen den Deutschen Fußball-Bund hat die Verteidigung des angeklagten Ex-Schatzmeisters Stephan Osnabrügge den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung zurückgewiesen. Zudem stellte Osnabrügges Anwalt Jörg Oesterle die Rechtmäßigkeit des Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt infrage. Die Anklage enthalte «eine ganze Reihe an erheblichen Rechtsfehlern und abenteuerliche juristische Verrenkungen», so Oesterle.
«Es handelt sich um ein in mancher Hinsicht ungewöhnliches Verfahren, bei dem sich ein unbefangener Beobachter durchaus fragen wird, warum wir hier sitzen und in dem sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht hat», sagte Oesterle zum Auftakt des Prozesses. Diesem wohnte überraschend der zuletzt im Sommermärchen-Prozess angeklagte ehemalige DFB-Boss Theo Zwanziger als Zuschauer bei. Das Verfahren gegen ihn war gegen eine geringfügige Geldauflage von 10.000 Euro ohne Urteilsspruch eingestellt worden.
Dem 54 Jahre alten Osnabrügge wird vorgeworfen, durch eine falsche Zuordnung der DFB-Einnahmen aus der Bandenwerbung für die Jahre 2014 und 2015 insgesamt rund 3,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Diesen Vorwurf wies sein Rechtsbeistand energisch zurück: «Der strafrechtliche Vorwurf ist falsch und entbehrt jeglicher Grundlage.» Osnabrügge, der wegen eines gebrochenen Fußes an Krücken in den Gerichtssaal humpelte, will sich erst zu einem späteren Zeitpunkt äußern.
Für den DFB steht viel auf dem Spiel
Ursprünglich waren in dem Fall sechs ehemalige DFB-Größen verdächtigt worden. Die im April 2020 eingeleiteten Strafverfahren gegen Ex-Präsident Reinhard Grindel, den früheren Liga-Chef Reinhard Rauball, Ex-Vizepräsident Rainer Koch sowie die ehemaligen Generalsekretäre Friedrich Curtius und Helmut Sandrock wurden jeweils gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Übrig geblieben ist Osnabrügge, der diese Möglichkeit bewusst nicht genutzt hat, weil er sich unschuldig fühlt.
Für den als «Nebenbeteiligter» geführten DFB geht es in dem Verfahren darum, eine Geldstrafe wie zuletzt im Sommermärchen-Prozess (130.000 Euro) zu vermeiden. Denn eine weitere Verurteilung könnte weitreichende Auswirkungen haben. Dem Verband war wegen der Bandenwerbung-Affäre vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit für die betroffenen Jahre 2014 und 2015 aberkannt worden, weshalb ihm eine Steuernachzahlung in zweistelliger Millionenhöhe droht.
Der DFB hat dagegen Einspruch erhoben, vorsorglich aber Rücklagen in Höhe von 46 Millionen Euro gebildet, deren Verwendung er möglichst vermeiden will. Ein Schuldspruch würde die Chancen des Verbandes, der vor dem Finanzgericht Kassel zudem um die Rückerstattung von rund 26 Millionen Euro aus einer Steuernachzahlung für 2006 kämpft, erheblich mindern.