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WM-Qualifikation

Blaue Welle bis zur WM? Curaçao vor Fußball-Wunder

Atemberaubende Strände, tolle Tauchgebiete und leckerer Likör: Die Karibikinsel Curaçao hat viel zu bieten. Für erfolgreichen Fußball war das kleine, rund 16 Flugstunden von Deutschland entfernte Land bislang nicht bekannt. Doch in diesen Tagen dreht sich in dem ungefähr 150.000 Einwohner großen Urlaubsparadies fast alles um das runde Leder.

Erstmals kann sich das Nationalteam von Curaçao für eine Weltmeisterschaft qualifizieren - und das auch noch als bislang kleinstes Land in der WM-Historie. Dafür genügt «The Blue Wave» (Die blaue Welle), wie das Nationalteam genannt wird, in der deutschen Nacht zum Mittwoch ein Unentschieden auf Jamaika.

Vor dem entscheidenden Duell um das Ticket für die WM im kommenden Sommer in den USA, Mexiko und Kanada hat Curaçao einen Punkt mehr als das vom früheren englischen Nationalcoach Steve McClaren trainierte Jamaika. Die Euphorie rund um die Hauptstadt Willemstad mit ihren bunten Häusern ist daher riesig.

Trainerveteran bringt den Erfolg

Und mittendrin ist der niederländische Fußball-Weltbummler Dick Advocaat. Der 78 Jahre alte Coach, der einst in Gladbach viel Geld für wenig Erfolg ausgab, hat die Nationalmannschaft des einst zu den Niederländischen Antillen gehörenden Landes Anfang des vergangenen Jahres übernommen und mit seiner großen Erfahrung in die Erfolgsspur gebracht.

«Es ist echt sehr besonders, das mitzumachen und zu sehen, was wir mit Fußball auf dieser Insel alles ausgelöst haben», sagte Advocaat vor der entscheidenden Qualifikationswoche dem niederländischen Fachmagazin «Voetbal International». «Als wir begonnen haben, waren 100 Leute im Stadion. Jetzt kommen immer 10.000.»

Advocaat fehlt im wichtigsten Spiel

Doch ausgerechnet im bislang wichtigsten Spiel in der Fußball-Geschichte von Curaçao wird der Architekt des Erfolges fehlen. Advocaat ist aus familiären Gründen zurück in die Niederlande geflogen, wie der Verband bestätigte. «Es ist eine sehr schwere Entscheidung, die Jungs hier verlassen zu müssen. Ich habe die Entscheidung schweren Herzens getroffen, aber die Familie ist wichtiger als Fußball», sagte Advocaat.

Dennoch will er alles versuchen, das Fußball-Wunder zu schaffen. «Aus den Niederlanden werde ich sehr intensiv Kontakt halten mit dem Trainerstab und ich habe volles Vertrauen in die Mannschaft», sagte Advocaat, der in seiner langen Trainerkarriere unter anderem auch die niederländische Nationalmannschaft und internationale Spitzenclubs wie PSV Eindhoven, Glasgow Rangers oder Fenerbahçe Istanbul trainiert hat.

Team ohne Stars

Stars wie in diesen Clubs sind im Team von Curaçao nicht zu finden. Vor allem weitgehend unbekannte Spieler von niederländischen Clubs finden sich im Kader. Advocaat machte sich die niederländische Kolonialgeschichte zu nutzen und scoutete in seiner Heimat gezielt nach Spielern mit karibischen Wurzeln. In Jordi Paulina ist zudem ein Spieler aus der Reserve von Borussia Dortmund dabei. Der 21-Jährige feierte beim 7:0 gegen Bermuda sein Debüt für «The Blue Wave» und erzielte gleich zwei Treffer.

Advocaat ist es gelungen, das Niveau nach und nach anzuheben und zudem eine verschworene Einheit zu bilden. «Wir haben eine Mannschaft, die schwer zu schlagen ist, das gibt Selbstvertrauen. Es ist eine echte Einheit und es ist ein sehr angenehmes Arbeiten», sagte Advocaat.

Coach muss sich anpassen

Der als harter Hund bekannte Coach musste sich anfangs allerdings auch ein bisschen anpassen. «Es sind viele Dinge, die ich normal nicht akzeptieren würde», sagte Advocaat. «Aber es ist ganz einfach: Wenn du dieses Abenteuer eingehst, dann musst du dich dem komplett verschreiben», sagte der Niederländer.

«Wir sind nicht hierhergekommen, um Urlaub zu machen und die Sonne zu genießen. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich mir etwas gesucht, das näher an der Heimat ist. Wir sind hier, um mit Curaçao Erfolg zu haben», sagte Advocaat über sich und sein zumeist ebenfalls aus Niederländern bestehendes Trainer- und Betreuerteam.

Gegen Jamaika soll nun das WM-Ticket gelöst und Island als bislang kleinster Teilnehmer bei einer Weltmeisterschaft abgelöst werden. Gelingt die Sensation, wird Advocaat auf der Karibikinsel endgültig zum Nationalhelden. Der Verbandspräsident versprach bereits ein Denkmal für den Niederländer, wovon Advocaat aber nichts wissen will. «Wenn wir es zur WM schaffen, dann sollen sie ein Denkmal mit allen Spielern aufstellen.»

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