Festnahmen und eine kaputte Trophäe: Das ESC-Finale mit Isaak Guderian

Am Tag nach dem Finale ist die Stimmung noch in der Stadt zu spüren. Müde aussehende Menschen mit Glitzer im Gesicht oder Fanartikeln wie dem Eurovision-Hut sind im sonnigen Malmö unterwegs. Es ist ein kollektives Durchatmen, nachdem die Stadt in Südschweden am Samstagabend den größten Musikwettbewerb der Welt ausgerichtet hat. Gewonnen hat den Eurovision Song Contest Nemo für die Schweiz.

Auch aus deutscher Sicht war es ein erfolgreicher Abend: Der Espelkamper Isaak Guderian holte mit seiner starken Stimme und dem Auftritt neben einer Feuertonne 117 Punkte und damit einen respektablen zwölften Platz. Neben ihm saß seine Frau, während er auf sein Ergebnis wartete, im Publikum sein älterer Sohn und seine Eltern.

Es war ein Wettbewerb der Extreme. Die feiernden Menschen auf der einen und die protestierenden auf der anderen Seite – bunte Kostüme gegen Palästinensertücher. In Malmö wurde tagelang gegen den Auftritt der Israelin Eden Golan wegen des Vorgehens Israels im Gazastreifen protestiert. Am Samstagabend nahm an dem Protest vor der Arena auch Klimaaktivistin Greta Thunberg teil. Sie wurde von der Polizei abgeführt. Auch in der Halle waren am Final-Abend zwischenzeitlich Buhrufe zu hören. Nach Polizeiangaben blieb es die Woche über weitgehend friedlich, erst am Sonntag spricht sie von einer unruhigen Nacht.

Isaak nach Finale &bdquo;happy“ Von den Protesten habe er nichts mitbekommen, sagte Isaak dieser Redaktion. Er sei in einer ESC-Blase, in der er von einem Termin zum nächsten eile. Drei Monate hatte der 29-Jährige Zeit für die Vorbereitung auf diesen Auftritt mit seinem Lied &bdquo;Always on the Run“, nachdem er im Februar den deutschen Vorentscheid gewonnen hatte. Sein Glücksbringer für den Auftritt: Gitarrensocken von seinem Sohn. Und sie wirkten: In den vergangenen beiden Jahren landete Deutschland auf dem letzten Platz. Nun erzielt Guderian das beste deutsche Ergebnis seit dem vierten Platz von Michael Schulte im Jahr 2018.

Die meisten Punkte konnte er von der Jury einholen. Von den Zuschauern erhielt er lediglich 18 Punkte. &bdquo;Ich bin sehr happy. Ich bin super happy, super stark“, sagte er nach dem Ende der Show. &bdquo;Ich war voll bei mir. Ich habe so abgeliefert, wie ich mir das erwartet habe.“

Zufrieden mit dem Abend zeigen sich auch die Bielefelder Matthias Jerzykowski und Klaus Wojczykowski. Im &bdquo;Bielefeld“-Shirt und mit Deutschlandfahne haben sie die Show in der Halle verfolgt. Nemo hat ihrer Meinung nach verdient gewonnen. &bdquo;Die Erfolgsformel beim ESC ist ein sympathischer, junger Künstler mit einem eingängigen Lied, das die Leute feiern: dreimal check“, finden sie. &bdquo;Für Isaak hätte das auch gestimmt, sein Auftritt war mehr als stark und der internationalen Bühne würdig, aber die Konkurrenz war eben auch stark.“ Der Bielefelder Jan Schürmann, der ebenfalls in der Arena war, sagt: &bdquo;Ich gönne der Schweiz den Sieg und plane schon, im kommenden Jahr auch wieder vor Ort zu sein.“

Ausschluss von Joost Klein sorgt für Unmut Insgesamt ist Guderian gegen 24 Länder angetreten. Eigentlich sollten es 25 sein. Am Samstagmittag wurde der niederländische Teilnehmer Joost Klein jedoch ausgeschlossen. Schon an den beiden Proben am Freitag durfte er nicht teilnehmen, zunächst ohne Begründung. Am Samstag kam dann die Mitteilung der Veranstalter: Ein weibliches Mitglied des Produktionsteams soll bei der Polizei eine Beschwerde eingereicht haben. Grund sei ein Vorfall nach seinem Auftritt im Halbfinale am Donnerstagabend.

Die Entscheidung der Veranstalter wurde durch Buhrufe im Publikum kommentiert, als ESC-Chef Martin Österdahl die Punktevergabe eröffnete. Der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunk reichte eine Beschwerde ein.

Ein Ärgernis nennen Matthias Jerzykowski und Klaus Wojczykowski die Buhrufe. Ähnlich äußert sich Schürmann: &bdquo;Leider rückt das, worum es beim ESC geht, nämlich die Musik, mehr und mehr in den Hintergrund.“ Wojczykowski sagt: &bdquo;Wir hätten es konsequent gefunden, wenn diejenigen, die so unzufrieden mit den Entscheidungen waren, einfach die Veranstaltung boykottiert hätten.“ Und: &bdquo;Das Geld, das sie für das Ticket bezahlt haben, hatte für sie vermutlich einen höheren Wert als ihre politische Überzeugung.“

Nemo gewinnt und will den ESC ändern Sowohl Jury als auch Zuschauer überzeugen konnte Nemo mit &bdquo;The Code“ für die Schweiz. Mit 591 Punkten landete Nemo vor Favorit Baby Lasagna aus Kroatien, der 547 Punkte holte. Die Israelin Eden Golan belegte mit ihrem Lied &bdquo;Hurricane“ den fünften Platz.

Der Contest, der unpolitisch sein sollte, bleibt es auch aufseiten der Teilnehmer nicht. Nemo forderte bei der Pressekonferenz nach dem Sieg, der ESC müsse für Frieden und Liebe stehen. &bdquo;Da ist noch viel Arbeit zu tun.“ Aber so wie die Trophäe repariert werden konnte, die Nemo direkt nach Erhalt versehentlich zerstört habe, sei das vielleicht auch bei der Veranstaltung möglich. Nemo selbst schmuggelte eine Pride-Fahne hinter die Kulissen. &bdquo;Ich hoffe, das haben auch die Zuschauer getan.“ Nemo ist der erste nichtbinäre Gewinner des ESC und sagt von sich, er fühle sich weder als Mann noch als Frau.

Der Abend in Bildern:

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