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Die Brandmauer zur AfD bröckelt: Friedrich Merz spielt mit dem Feuer

Andrea Rolfes

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz wagt ein riskantes politisches Spiel. - © Hannes P. Albert/dpa
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz wagt ein riskantes politisches Spiel. (© Hannes P. Albert/dpa)

Bielefeld. Der grausame Messerangriff in Aschaffenburg hat die politische Debatte über Migration einen Monat vor der Bundestagswahl radikal verschoben – nach rechts. Das bleibt nicht ohne Folgen. Auf der einen Seite steht das Entsetzen über die Tat und das Gefühl, dass ein Punkt erreicht ist, an dem keine weitere Belastung mehr tragbar erscheint.

Auf der anderen Seite erzählt eine Arbeitgeberin aus OWL am Rande einer Feier, dass sie für ihre Mitarbeiter, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, nun Meldeauskunftssperren beantragt habe. Diese sollen dafür sorgen, dass Name und Adresse vor unbefugter Weitergabe geschützt werden. Sie wolle ihre Mitarbeiter keiner unnötigen Gefahr aussetzen.

In dieser politisch aufgeheizten Phase des Wahlkampfs hat Friedrich Merz sich in eine prekäre Lage manövriert. Mit seiner Ankündigung, an seinem ersten Amtstag als Bundeskanzler ein „faktisches Einreiseverbot“ durchzusetzen und die deutschen Grenzen zu kontrollieren, will er Stärke demonstrieren. Doch genau diese Strategie setzt ihn unter immensen Druck.

Der CDU-Kanzlerkandidat greift zu drastischen Mitteln

Merz spielt mit dem Feuer. Der CDU-Kanzlerkandidat greift zu drastischen Mitteln, um Wähler zu gewinnen. Doch die Gefahr, sich dabei von Alice Weidel und der AfD vor sich hertreiben zu lassen, ist größer als je zuvor.

Denn die Forderungen von Merz sind rechtlich und organisatorisch kaum umsetzbar. Ein flächendeckender Grenzschutz wäre logistisch ein Mammutprojekt, das nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Zudem drohen Konflikte mit dem Europarecht und den europäischen Partnern, die eine solche Politik als nationalen Alleingang ablehnen würden.

Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der AfD, hat mit ihrem Brief an Merz eine strategische Meisterleistung hingelegt. Indem sie den CDU-Chef auffordert, „ohne weiteres Zögern“ im Bundestag die notwendigen Schritte für eine härtere Migrationspolitik einzuleiten, scheint sie ihn auf ihre Seite ziehen zu wollen.

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Weidel will Merz bloßstellen

Tatsächlich aber verfolgt Weidel ein anderes Ziel: Merz öffentlich bloßzustellen. Sie weiß genau, dass die CDU sich davor scheut, ihre Anträge mit AfD-Stimmen durchzusetzen. Die „Brandmauer“ gegen die AfD war bisher ein zentrales Element der Union.

Wie wird sich Merz mit seiner Union nun positionieren? Es gibt Hinweise darauf, dass der Kanzlerkandidat die Anträge durchziehen will. Ohne Rücksicht darauf, wer sie mit unterstützt. Ob eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten die Glaubwürdigkeit von Merz und seiner Partei massiv beschädigen wird, ist noch nicht ausgemacht. Vielleicht nimmt er damit Weigel auch den Wind aus den Segeln.

Denn die AfD-Chefin rechnet nicht damit, dass Merz ihre Forderungen umsetzt – und genau das ist ihr Plan. Ihr Ziel ist es, den CDU-Chef als inkonsequent und unglaubwürdig darzustellen, um so das Migrationsthema wieder allein der AfD zu überlassen. Weidel spekuliert darauf, dass Merz scheitert – an sich selbst, an den rechtlichen Hürden und an der politischen Realität.

Regierungskoalition mit den Grünen ist vom Tisch

Sollte die Union in der kommenden Woche tatsächlich AfD-Forderungen übernehmen oder mit deren Stimmen Gesetzesinitiativen durchsetzen, würde dies die Brandmauer endgültig einreißen. Eine mögliche Regierungskoalition mit den Grünen wäre damit endgültig vom Tisch. Diese Idee erscheint aber schon jetzt unwahrscheinlich.

Grüne und SPD haben in dieser hoch emotionalisierten Migrationsdebatte eine eigene Rolle. Während die Union und die AfD sich einen Wettlauf um die schärfsten migrationspolitischen Maßnahmen liefern, haben die linken Parteien die Möglichkeit – und Verantwortung –, sich gegen die Rhetorik von Merz und Weigel zu stemmen.

Realistische, konstruktive Lösungen für die Migrationspolitik sind gefragt: eine bessere Zusammenarbeit mit Partnern auf EU-Ebene, effizientere Asylverfahren oder internationale Abkommen mit Herkunftsländern. Selbst wenn sich mit diesen Ideen keine Wählermehrheiten gewinnen lassen, sollten sie offensiv beworben werden.

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