SPD vor Umbruch: Das Fiasko des Olaf Scholz

Als um 18 Uhr auf der Leinwand die erste Prognose übertragen wird, dröhnt ein Schweigen durch das Foyer des Willy-Brandt-Hauses. Der rote Balken für die SPD, er will einfach nicht in die Höhe steigen. Ungläubigkeit, Entsetzen.

Im Schatten der riesengroßen Statue von Willy Brandt, dem einstigen Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition, können die Sozialdemokraten dieses Desaster nicht fassen. Klein ist ihre politische Bedeutung geworden, die traditionsreiche Partei ist noch unter ihren Tiefstand von 2017 abgestürzt. Damals kam sie mit Kanzlerkandidat Martin Schulz auf 20,5 Prozent. Die würden sie heute sofort nehmen.

Um 18.41 Uhr kommen Scholz und seine Ehefrau Britta Ernst mit den beiden Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken auf die Bühne. Sie werden beklatscht, als habe die Partei nicht soeben ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Der Noch-Kanzler spricht zuerst. &bdquo;Das ist ein bitteres Wahlergebnis“, sagt er. Und er wolle es so deutlich sagen: &bdquo;Das ist auch eine Niederlage.“ Dann bedankt er sich erst einmal bei allen SPD-Wahlkämpfern.

Scholz übernimmt Verantwortung Scholz wirkt gefasst. Er sagt, er übernehme Verantwortung. So wie er sie bei dem besseren Wahlergebnis von 2021 gehabt habe, habe er sie auch heute. Und er gratuliert seinem Herausforderer Friedrich Merz sowie der Union. Merz habe nun den Auftrag zur Regierungsbildung.

Und dann schafft es Scholz, die Reihen für diesen Moment zu schließen. Die SPD werde sich niemals damit abfinden, dass eine extrem rechte Partei solche Ergebnisse bekomme wie an diesem Wahlabend. Er betont, er hoffe, dass auch &bdquo;andere” mit der AfD nie zusammenarbeiten werden.

50 Jahre ist Scholz in der SPD. &bdquo;Wenn ich mir etwas wünschen darf“, sagt er. Die SPD solle geschlossen bleiben. Und schon richtet er den Blick nach vorn: &bdquo;Wir können kämpfen für bessere Wahlergebnisse in der Zukunft.“

Spielt Scholz künftig noch eine Rolle in der SPD? Eine Niederlage hatte Scholz in seinem Wahlkampf nicht vorgesehen. Selbst manche Weggefährten konnten nicht sicher sein, ob sein Reden vom Wahlsieg eine Beruhigungspille für sich und die SPD-Anhänger sein sollte oder einer selektiven Wahrnehmung entsprach. Vielen Menschen würde erst in der Wahlkabine dämmern, dass man Merz das Land nicht anvertrauen könne, lautete seine Losung. In Wahrheit zog da aber schon seine Kanzlerdämmerung auf.

Es muss jetzt schnell geklärt werden, wer in der SPD künftig den Ton angibt. Im vorigen Herbst hatte ein beachtlicher Teil in Partei und Fraktion Verteidigungsminister Boris Pistorius statt Scholz als Kanzlerkandidat gewollt. Aber Scholz wich nicht und Pistorius erklärte, er stehe gar nicht zur Verfügung. Sehr wohl steht er aber für das nächste Kabinett zur Verfügung. Er würde gern Verteidigungsminister bleiben, hat er oft bekundet. Seine Befürworter dürften eine Debatte beginnen, was gewesen wäre, wenn der beliebte Pistorius kandidiert hätte. &bdquo;Hätte, hätte, Fahrradkette“ hatte der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück über diese Form der Vergangenheitsbewältigung einst gespottet.

Klingbeil kündigt Generationenwechsel in SPD an Auch Klingbeil ergreift auf der Bühne das Wort. &bdquo;Ein mieser Abend” sei das und das Ergebnis eine &bdquo;Zäsur“. Die SPD werde sich &bdquo;programmatisch“ und &bdquo;personell“ anders aufstellen, kündigt er an. Ein &bdquo;Generationswechsel“ müsse eingeleitet werden. Das lässt Sozialdemokraten aufhorchen. Scholz, 66 Jahre alt, hat klargemacht, dass er für kein Amt mehr zur Verfügung steht und nicht einmal Koalitionsverhandlungen führen möchte. Aber was ist mit Klingbeils Co-Vorsitzenden Saskia Esken, 63 Jahre, und Fraktionschef Rolf Mützenich (65)?

Im Willy-Brandt-Haus wird am späten Wahlabend spekuliert, Klingbeil könnte neben dem Parteivorsitz auch den Fraktionsvorsitz anstreben, der bereits an diesem Mittwoch gewählt wird. Das sei eine Machtfülle in der Partei, die ihm womöglich die Kanzlerkandidatur 2029 eher sichere als ein Kabinettsposten. Aber nicht alle im Parteivorstand sind der Meinung, dass die schwere Wahlniederlage nur für Klingbeil keine Konsequenzen haben soll - oder vielmehr ihn noch mächtiger mache. Schließlich habe er den Wahlkampf gemanagt.

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