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Bielefelder bekämpft den IS

Fabian Herbst

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Freiwilliger Kampf gegen den Terror: Martin Klamper patrouilliert mit seiner Einheit der YPG in Syrien. Ganze 13 Monate kämpfte der Bielefelder gegen den Islamischen Staat (IS). Sein Engagement hätte der 22-Jährige fast mit seinem Leben bezahlt, als ihn S (© Privat)

Bielefeld. In einem staubigen Unterschlupf zwischen zerbombten Häuserruinen liegt er im Dreck. Martin Klamper, wie er sich seit seinem Einsatz nennt, liegt auf der Lauer. Beobachtet, wie sein spanischer Kamerad ein Haus stürmt. Ein lauter Knall. Dann war er nicht mehr da.
Klamper hat 13 Monate in Syrien gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft – freiwillig. Seine Beweggründe waren simpel.

„Ich wollte einfach helfen und etwas Gutes tun", erklärt Klamper. Der gebürtige Bielefelder hatte weder familiäre, noch religiöse oder politische Bezüge und Interessen, an dem Bürgerkrieg im Nahen Osten teilzunehmen. Wieso reiste er trotzdem nach Syrien?

Aus Überzeugung. Rückblickend erklärt er seine Entscheidung: „Mir war klar, dass ich den Krieg nicht beenden kann", sagt Klamper. „Aber für die Kurden dort war unser Einsatz von großer Bedeutung." Sein Einsatz in Syrien sollte ihn noch sehr prägen – und verfolgen.

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Unterschlupf: Klamper (l.) mit einem seiner Kameraden der Volksverteidigungseinheit YPG. (© Privat)

Rückblick ins Jahr 2016: Auf die Probleme in Syrien und im Irak wird der 20-Jährige während seiner Zeit bei der Bundeswehr aufmerksam. Stationiert ist er damals bei der Marine in Wilhelmshaven. „Unsere Aufgabe war es, Schleuser im Mittelmeer zu bekämpfen", sagt Klamper. Zusammen mit seinen Kameraden rettet er Flüchtlinge vor dem Tod. Klamper ist das aber zu wenig. „Wir haben zwar viele Leben gerettet, aber nicht die Ursache des Problems bekämpft."

Sein Vorhaben stößt bei seinen Bundeswehrkameraden auf Anerkennung, aber auf wenig Unterstützung. „Mein befehlshabender Offizier sagte mir, dass er mein Vorhaben persönlich gut findet", erinnert sich Klamper. Als Offizier der Bundeswehr könne er es aber nicht gutheißen. Kollegen machen ihm die Gefahren und Konsequenzen noch einmal deutlich. Im Frühjahr 2017 quittiert Klamper dennoch seinen Dienst.

April 2017: Sein Rucksack ist gepackt, er hat keine Ahnung, wie lange er wegbleiben wird. Seine Reise geht zum Hauptlager der kurdischen Miliz im irakischen Shingal, das rund 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt. „Dort werden die Truppen auf Einsätze vorbereitet und in die Einsatzorte entsandt."

»Ich fragte mich, ob ich dort sterben werde«
Offiziell reist er als Rucksack-Tourist in den Irak. Eine Geschichte, die die Beamten am Flughafen-Schalter der Passkontrolle stutzig macht. Kein Zufall. Immer mehr Internationalisten kommen in den Irak oder nach Syrien, um gegen den IS zu kämpfen. Alleine aus Deutschland waren es laut Bundesinnenministerium bislang 240 Menschen. „Die Beamtin sagte, wenn ich in den Irak fliege, um mich einer Miliz anzuschließen, muss ich bei meiner Rückkehr mit dem Knast rechnen." Für Klamper gibt es aber schon lange kein Zurück mehr.

Nur ein schlechtes Gewissen plagt ihn. „Meinen Eltern erzählte ich, dass ich als freiwilliger Helfer einer Hilfsorganisation arbeiten wollte." Von seinen Plänen, gegen den IS zu kämpfen, ahnen sie nichts.
Klamper schließt sich im Frühjahr 2017 der Volksverteidigungseinheit YPG an, eine Organisation, die gegen die Islamisten im Land kämpft. Er kämpft unter anderem in Afrin im Nordwesten Syriens. „In Afrin war es sehr schlimm.

Ich habe so viel Blut gesehen", berichtet Klamper.
Der kampferprobte Bielefelder ist in Syrien als Scharfschütze im Einsatz. Verschanzt sich in einem Versteck unter einem Baum, bis er von der gegnerischen Armee entdeckt wird. „Sofort wurden Mörsergranaten auf mich abgefeuert." Klamper erinnert sich an ein kurzes Pfeifgeräusch. Eine Mörsergranate schlägt rund zehn Meter neben ihm ein. Wieder ein Pfeifgeräusch. Nur noch fünf Meter. „Ich dachte, ich muss hier sofort weg." Wieder ein Pfeifgeräusch. Bevor Klamper weglaufen kann, explodiert eine Granate unmittelbar neben ihm.

Der 22-Jährige wird am Gesäß, Rücken und Bein schwer verletzt. Kann sich nicht mehr bewegen. „Ich dachte, dass ich sterbe." Weitere Mörserschläge bleiben aus. „Der Feind muss wohl gedacht haben, dass ich tot sei." Schwer verletzt wird er nach zwölf Stunden geborgen. Kommt ins Krankenhaus, wird notoperiert. „Noch heute habe ich Metallsplitter in mir", sagt er. Sein spanischer Freund wird bei einem Bombenanschlag getötet.

Klamper fliegt zurück nach Deutschland – obwohl er weiß, dass die Polizei auf ihn wartet. „Falls sie mich schnappten, sollte es am Flughafen sein." Er will seinen Eltern den Anblick ersparen, wenn er verhaftet wird. Am Flughafen findet die Bundespolizei in seinem Rucksack Aufnäher der YPG. „Die Beamten sagten zu mir, dass sie wissen, dass ich nicht für, sondern gegen den IS gekämpft habe." Dennoch müssen sie Klamper vorläufig festnehmen und stellen sein Handy sicher. Seit drei Monaten ist Klamper nun wieder in Deutschland.

Gegen ihn läuft ein Verfahren nach Paragraph 129a sowie 129b der Strafprozessordnung (StPO): Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation. Seinen Reisepass und Personalausweis hat er noch nicht wieder. Wie die Ermittlungen weitergehen, ist ungewiss. Dem 22-Jährigen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Möglich ist auch, dass das Verfahren eingestellt wird. Ob Klamper wieder nach Syrien reisen würde? Die Frage lässt er unbeantwortet.

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